Die Rivalität zwischen US-Filmstar Sylvester Stallone und Ösi-Export Arnold Schwarzenegger ist berüchtigt. Während der eine als Ein-Mann-Armee "Rambo" für offene Münder sorgte, fand der andere als eiskalter Killerroboter "Terminator" seine Paraderolle. Über Jahre hinweg waren sie die tonangebenden Stimmen im Actionkino, und inszenierten sich gern als Konkurrenten. Als Arnie 1993 in "Last Action Hero" einen Witz über Stallone machte, baute dieser in seinen "Demolition Man" eine Spitze gegen den Ex-Bodybuilder ein.
2010 waren sie erstmals gemeinsam auf der Leinwand zu sehen, in einer Szene des Films "The Expendables". Auch in der Fortsetzung mischten beide mit, hatten aber kaum gemeinsame Momente. Erst 2013 sollten sie erstmals als richtiges Team auftreten: In "Escape Plan" müssen beide zusammenarbeiten, um aus einem Hochsicherheitsgefängnis aufzutreten. Ein cooles Konzept, aber der Film wurde von vielen Fans der Stars nur als "ganz nett" bezeichnet. Dabei ist "Escape Plan" einer der coolsten Filme seines Genres. Man kann sogar noch weiter gehen und sagen: Wer die Serie "Prison Break" mochte, muss "Escape Plan" lieben.
Sly und Arnie hinter Gittern: Darum geht's in "Escape Plan"
"Escape Plan" handelt vom Sicherheitsexperten Ray Breslin (Stallone), der sich auf das Erkennen von Sicherheitslücken in Gefängnissen spezialisiert hat. Heißt: Er lässt sich absichtlich in Hochsicherheitsgefängnisse einsperren, und versucht dann auszubrechen. So erfahren die Gefängnisdirektoren, wie sie ihre Abläufe und Systeme verbessern können. Bislang ist Breslin noch aus jedem Knast ausgebrochen … bislang. Als er sich nämlich in einem CIA-Prototyp inhaftieren lässt, wird er von seinem Mitarbeiter verraten und muss schnell lernen, dass er bei diesem schwer bewachten Kittchen der etwas anderen Art mit seinem Latein am Ende ist.
Doch Breslin will nicht kampflos aufgeben. Im Gefängnis, genannt "Das Grab", freundet er sich mit dem Gefangenen Emil Rottmayer (Schwarzenegger) an. Rottmayer wird vom diabolischen Gefängnisleiter Willard Hobbs regelmäßig gefoltert, um Informationen über seinen Boss, den geheimnisvollen Verbrechergenie Viktor Mannheim bekannt zu geben. Gemeinsam haben Breslin und Rottmayer vielleicht eine Chance, wieder in die Freiheit zu gelangen. Unerwartete Hilfe winkt ihnen von Dr. Emil Kyrie, dem Gefängnisarzt, dem Breslin ins Gewissen redet …
Subtile Spannung statt stumpfe Schießbude
Die große Enttäuschung war für Actionfans, dass es sich bei "Escape Plan" nicht um einen schießwütigen Actionkracher handelt, wie es die Namen Schwarzenegger & Stallone vielleicht suggerieren. Stattdessen hat Regisseur Mikael Håfström einen intelligenten und spannenden Thriller gedreht, der einerseits in der Tradition klassischer Ausbruchsfilme wie "Die Verurteilten" oder natürlich "Papillon" steht, in seiner kühlen und modernen Inszenierung aber an die beliebte Serie "Prison Break" erinnert. Stallone spielt hier keinen alten Rambo, keinen Krieger mit fetter Wumme in der Hand, sondern einen klugen Denker, einen modernen Houdini. Auch Schwarzenegger spielt keinen tumben Ballermann, sondern einen intellektuellen Verbrecher, der sich gehobener ausdrückt als alle Arnie-Figuren zuvor.
"Escape Plan" ist ein Spiel mit der Erwartungshaltung: Sly und Arnie werden sich den Weg schon freiballern, mag der ein oder andere Actionfan zu Beginn noch denken. Doch ihre Muskeln bringen sie nicht weit: Das trainierte Team an CIA-Wärtern ist ihnen zahlenmäßig und körperlich klar überlegen. Und gegen die Foltermaßnahmen des Leiters Hobbs sind auch ihre breiten Oberarme nutzlos: In Isolationszellen werden sie, wie in einer Mikrowelle, köcheln gelassen. Arnie winselt bei der schmerzhaften Tortur sogar um Gnade. Kein Wunder, dass Fans dem Film kritisch gegenüberstanden. Von der großen Zusammenführung ihrer Helden hatten sie sich mehr Action, mehr Explosionen, mehr Coolness erhofft. Doch gerade deshalb waren sie blind für die Stärken des Films.
Auch abseits von Sly & Arnie ist "Escape Plan" top besetzt
Denn selten waren Schwarzenegger und Stallone als Schauspieler so gefordert. Dass Sly ein toller Schauspieler ist, mag kein Geheimnis sein, bewies er das am Anfang seiner Karriere im ersten "Rocky"-Film doch zu Genüge. Doch über die Jahre war davon in seinen Actionrollen nicht viel zu sehen. In "Escape Plan" konnte er wieder zeigen, was in ihm steckt – und seine spürbare Verzweiflung als Breslin ist ein später, neuer Beweis, welch Ausnahmeschauspieler in Stallone schlummert. Schwarzenegger war ebenfalls schauspielerisch vielleicht nie so gut wie hier: Die doppelbödigen Facetten seiner Figur machen ihn zu einem komplexen Helden.
Klasse ist auch die übrige Besetzung: Als fieser Verräter ist der immer tolle Vincent D'Onofrio dabei, als Arzt mit Gewissensbissen bekommt Sam Neill mal wieder eine etwas bessere Rolle. Die Sensation ist aber Jim Caviezel: Der Charakterdarsteller gibt als Gefängnisleiter einen formidablen Bösewicht. Seine kaltschnäuzige, menschenverachtende Grausamkeit macht ihn zur hassenswerten Figur, bei der man gar nicht erwarten kann, dass Sly und Arnie ihn in die Finger bekommen. Er ist das große Highlight des Films und auch aufgrund seiner diabolischen Raffinesse einer der härtesten Schurken, mit denen Sly oder Arnie je zu tun hatten. Caviezel drehte parallel zum Film damals die Serie "Person of Interest", und behielt witzigerweise seinen dort so ikonischen Anzug gleich für "Escape Plan" an.
Das Drehbuch ist ebenfalls stark: Der amerikanische Geheimdienst wird hier als korrupt und unbarmherzig gezeigt. Die expliziten Folterszenen sind deutliche Anspielungen an die Praktiken in Guantanamo Bay im Krieg gegen den Terror. Ebenfalls kritisch kommt zur Erwähnung, dass die Privatisierung von Gefängnissen für demokratische Defizite und Machtmissbrauch sorgen kann. Im Kleinen ist das CIA-Hochsicherheitsgefängnis schließlich ein totalitäres Regime, in dem Individualismus streng unter dem Mikroskop beäugt wird.
Kritik an deutscher Tonfassung von "Escape Plan"
Natürlich will man trotz der starken Inszenierung seine Helden dann doch in Aktion sehen, und genauso kommt es auch: Im finalen Drittel unternehmen Breslin und Rottmayer ihren Ausbruchsversuch, und nun wird es auch bleihaltig und die ein oder andere Explosion findet doch noch ihren Weg auf die Leinwand. Actionfans können also beruhigt sein: Nach den spannenden Thriller-Aspekten wird der rasante Adrenalinkick doch noch nachgeliefert. Und so kommen bei "Escape Plan" alle auf ihre Kosten: Anspruchsvollere Filmfans und die Jünger des 80er-Jahre-Muckikinos.
Selten waren die Actiongiganten so gut wie in "Escape Plan"
Wer also damit leben kann, dass Arnie und Sly auch mal einen ganzen Film lang eher miteinander taktieren, als sich durch Horden an Gegner zu ballern, der sollte "Escape Plan" auf jeden Fall neuentdecken. Und auch allen anderen sei gesagt: Durchhalten lohnt sich, denn die große Actionorgie folgt … mit etwas Verspätung. Feststeht: So gut in Form hat man die beiden Schauspieler selten gesehen. Wer den Film also 2013 auf dem falschen Fuß erwischte, sollten den zweiten Blick riskieren.
Ein kleiner Tipp noch am Rande: Um die Fortsetzungen "Escape Plan: Hades" und "Escape Plan: The Extractors" sollten selbst Fans einen großen Bogen machen. Beide billig produzierten DVD-Filme sind vollkommen ungenießbar.