Das Drehbuch zu "Dunkirk" schrieb der Filmemacher selbst. Es schildert, wie die britische Heeresleitung die rund 500.000 (im Film ist von 300 000 Briten die Rede) von der deutschen Armee eingekesselten französischen, belgischen und britischen Truppen evakuieren will und dazu letztlich jedes verfügbare Schiff braucht. Das Problem: Premier Winston Churchill ist nicht bereit, seine Zerstörer für die Mission zu opfern. Zivile Schiffe, vom historischen Segelschiff bis zum kleinsten Fischkutter, sollen die Soldaten aufnehmen.
Dunkirk: Land, Wasser, Luft
Nolans Kriegsdrama hat drei Perspektiven: Land, Wasser und Luft. Und es hat drei unterschiedlich tickende Uhren. Das Geschehen am Strand, wo Kolonnen von Soldaten in Reihen stehend auf eine Lift nach Hause warten, umfasst eine Woche. Die Episode auf See, in der ein mutiger englischer Fischer (Oscarpreisträger Mark Rylance) auf dem Weg ins titelgebende Dünkirchen einen Schiffbrüchigen (Cillian Murphy) rettet und bald das Grauen erlebt, spielt an einem Tag. Schließlich der Luftkampf zwischen Jagdfliegern (Tom Hardy am Steuerknüppel), der nur eine Stunde dauert. Er steht in der Chronologie der Ereignisse am Ende des einen Tages auf dem Meer, der wiederum der letzte Tag der Woche am Strand von Dünkirchen ist.
Doch der Zuschauer erlebt es anders, denn Nolan dekonstruiert die Zeit, indem er die Schauplätze permanent wechselt. So verliert der Film den Charakter des Erzählerischen, Epischen, kein Vergleich mit Spielbergs "Der Soldat James Ryan". Nolan konstruiert stattdessen exemplarische Situationen des Krieges, die man mit einzelnen Begriffen überschreiben könnte: Ohnmacht. Angst. Bomben. Falle. Seenot, Luftkampf, Überlebenswillen.
Die menschlichen Schicksale erscheinen bei "Dunkirk" wie im Stummfilm, in Nahaufnahmen verstörter, verängstigter Soldaten. Der Score von Hans Zimmer besteht aus oft minutenlang gehaltenen polyphonen Klängen. Der Film wirkt wie ein Trichter der Unentrinnbarkeit, immer mehr verengt er den Blick auf den nackten Überlebenskampf, um dann wieder die Weite des Himmels und der Strandlandschaft zu zeigen (gedreht wurde mit großem Aufwand an Originalschauplätzen und, wie immer bei Nolan, nicht digital, sondern im analogen 70mm-Kinoformat. Rund 75 Prozent des Films nahm Nolan mit gewaltigen IMAX-Kameras auf).
Das Kino eines Paul Thomas Anderson, Stanley Kubrick oder Terrence Malick schimmern in Nolans expressionistischer Apokalypse durch. Aber er ist so klug, auch ein Stück Hoffnung übrigzulassen.
"Dunkirk" startet am 11. Juli bei Amazon Prime Video.