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Jeanne du Barry: Johnny Depps Comeback-Film enttäuscht – aber an ihm liegt es nicht

Meinung | Johnny Depp ist wieder auf der großen Leinwand zu sehen. Unser Redakteur hat den Film gesehen und ist vom Ergebnis enttäuscht. Mit Depp hat das aber nichts zu tun.

Er ist wieder da, obwohl: Eigentlich war er ja nie wirklich weg. Seit der hässlichen Scheidung zwischen Johnny Depp und seiner Ex-Frau Amber Heard, bei der sich beide gegenseitig der häuslichen Gewalt beschuldigten, wurde der "Fluch der Karibik"-Star von Internet-Gemeinden wie ein Märtyrer inszeniert, der einer vermeintlichen Cancel Culture zum Opfer gefallen war und nun in Hollywood keine Jobs mehr bekäme. Wahr ist, dass ihn das Studio Warner Bros. bat, seine Rolle in der "Phantastische Tierwesen"-Filmreihe abzugeben. Dennoch erschienen auch die letzten Jahre noch Filme mit Depp. 2019 war er etwa im Drama "Waiting for the Barbarians" zu sehen und 2020 spielte er den Fotografen W. Eugene Smith im biografischen Melodram "Minamata". 2021 war er das Gesicht einer Werbekampagne für Christian Dior. Cancel Culture sieht anders aus.

Trotzdem ist "Jeanne du Barry – Die Favoritin des Königs" für ihn ein Comeback-Film. Es ist der erste Film, den er nach dem Gerichtsstreit mit seiner Ex-Frau drehte. Anders als seine anderen Filme der letzten Jahre erhielt dieser einen großen Kinostart, wird stark über ihn beworben und auch durch ihn geprägt. Er spielt den exzentrischen französischen König Ludwig XV. mit Hingabe und Verve, wie man es von ihm kennt. Es ist die perfekte Johnny-Depp-Rolle. Warum also will "Jeanne du Barry" trotzdem nie so recht funktionieren?

"Jeanne du Barry" verführt König Johnny Depp

Foto: Wild Bunch Germany, Maïwenn und Johnny Depp in "Jeanne du Barry".

Es ist eine wahre Geschichte, die Regisseurin Maïwenn erzählt, und in der sie selbst auch die Hauptrolle spielt. Im späten 18. Jahrhundert nutzte die aus armen Verhältnissen stammende Jeanne Bécu ihren Charme und ihre weiblichen Reize, um in Frankreichs Ständegesellschaft aufzusteigen. Sie wird die Geliebte des Grafen du Barry und lernt durch ihn den Herzog von Richelieu und König Ludwig XV. kennen. Sofort ist der König wie verzückt von der jungen Frau. Er ernennt sie zu seiner Mätresse – und löst damit einen Skandal am Versailler Hof aus. Ein Mädchen von der Straße teilt das Bett mit einem König? Ein Frevel!

Eine wahre "Cinderella"-Geschichte also, könnte man meinen, doch Maïwenn verschweigt nicht, dass Jeannes Märchen ein klares Verfallsdatum hat. Die Mätresse lebt in der ständigen Gewissheit, dass ihr Leben nur so lange angenehm verlaufen wird, wie sie in der Gunst des Königs steht. Sobald dieser das Interesse an ihr verlieren sollte, ist sie erledigt. Und der König ist bekannt dafür, eine Geliebte nach der anderen anzuschleppen. So muss sie immer wieder um die Aufmerksamkeit des Königs kämpfen, mit Freundlichkeit, aber vor allem mit Sex ihre Position in der Adelsgesellschaft verteidigen.

Maïwenn hat ihren Film tonal nicht im Griff

Eine feministische Erzählung also könnte "Jeanne du Barry" sein, ein Film um Frauen, die sich im Patriarchat regelrecht verkaufen müssen, die sexuell "wettbewerbsfähig" bleiben sollen, um überleben zu können. Doch so recht gelingen will Maïwenn dieser Kniff nicht, dafür ist ihr fertiger Film tonal zu unausgeglichen. Ein Beispiel: In der ersten Hälfte des Films, in dem vor allem Jeannes Aufstieg an den Hof im Zentrum steht, streut die Regisseurin viele Szenen ein, in denen sie sich mit ihrem Publikum aus einem heutigen Geschichtsverständnis heraus über das alberne Gehabe am Hof lustig macht. Besonders witzig sind Szenen, in denen immer wieder darauf bestanden wird, dass alle Menschen nur rückwärts aus dem Raum watscheln dürfen, sofern der König anwesend ist – denn einem Monarchen dreht man nicht den Rücken zu.

Genauso gibt es viele Szenen, in denen Ludwig seine Geliebte mit Geschenken und Kleidern überhäuft, sodass man sich gar in der französischen Historienversion von "Pretty Woman" oder "Plötzlich Prinzessin" wähnt. Dann aber kippt die Tonlage auf einmal gewaltig. Jeanne bekommt ein weiteres Geschenk, ein großes Paket, packt es langsam aus – und zum Vorschein kommt ein sechsjähriges schwarzes Kind. Es ist das Geschenk des Königs, soll als Kammerdiener-Sklave der Mätresse dienen. Doch der kleine Junge schreit und weint, hat Angst vor dem, was um ihn herum geschieht. Eine eigentlich eindrückliche Szene – doch da nur wenige Minuten später wieder vor allem Schabernack und Albernheiten auf dem Programm stehen, verpufft die Wirkung nahezu völlig.

Es geht viel um Sex, doch es ist wenig Sex zu sehen

Foto: Wild Bunch Germany, Opulent sieht "Jeanne du Barry" aus. Leider ist der Film zwar schön anzusehen, aber selten richtig tiefgründig.

Der größte Vorwurf, dem man "Jeanne du Barry" aber machen muss, ist nicht unbedingt, dass er als Drama zu seicht und als Komödie oft zu ernst wäre. Stattdessen sollte man ihm vorwerfen, dass er bei all seinen Ambitionen zu brav bleibt. Die Kritik am vor allem für Frauen entwürdigenden Gesellschaftssystem der damaligen Zeit beschränkt sich meist auf das Verballhornen von heute absurden Praktiken, wie etwa einer gynäkologischen Untersuchung, die Jeanne erdulden muss, ehe sie erstmals ins Schlafgemach des Königs darf. Tiefer blickt Maïwenn aber nicht unter die Oberfläche und spart die wirklich unschönen Dynamiken der Zeit aus. Der Grund ist, dass sie sich vor allem auf die direkte Beziehung zwischen König und Mätresse fokussieren will.

Genau hier fehlt ihrem Film aber das entscheidende Element: Sex. Dafür, dass in den Dialogen viel vom Liebemachen geredet wird und es immer wieder um die sexuellen Machtdynamiken zwischen den beiden Figuren geht, ist Maïwenns Film erschreckend bieder und prüde. So kommt nie das erotische Knistern zwischen den Figuren auf der Leinwand an, es bleibt eine Behauptung. Johnny Depp und Maïwenn können kaum gemeinsame Chemie entwickeln, was schade ist, da vor allem Depp in manchen Momenten exzellent das wechselhafte Wesen des Königs darstellt und beweist, dass der Schauspieltitan von einst immer noch in ihm schlummert. Maïwenn selbst wirkt vor der Kamera leider oft überfordert, und es ist zudem äußerst kurios (vielleicht sogar etwas eitel), dass sie als 47-Jährige ohne irgendwelche Verjüngungsbemühungen in einigen Szenen eine 18-Jährige darzustellen versucht.

"Jeanne du Barry – Die Favoritin des Königs" bleibt damit ein Film voller vertaner Chancen, der sich dennoch für den Kinobesuch eignet – allein der fantastischen 16mm-Aufnahmen wegen, die größtenteils an höfischen Originalschauplätzen entstanden sind. Doch es bleibt bei einem Kino der Andeutungen und Ansätze, die nie ausformuliert werden. Wäre nicht ausgerechnet dieser Film sein Leinwand-Comeback, würde "Jeanne du Barry" in Johnny Depps Lebenswerk sofort untergehen.

"Jeanne du Barry – Die Favoritin des Königs" läuft seit dem 24. August 2023 in den deutschen Kinos.