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Isländisches Drama

Märchen und Horror in "Lamb" mit Noomi Rapace

Noomi Rapace als Maria in einer Szene des Films «Lamb».
Schafzüchterin Maria (Noomi Rapace). -/Koch Films/dpa

Lamb, das fein fotografierte Regiedebüt eines Isländers, ist so etwas wie ein verspätetes Weihnachtsmärchen. Ein Märchen gleichwohl, in das recht bald der Horror Einzug hält.

Wer Island mal erlebt hat, der wird die karg-unwirtliche, die zugleich so wunderbare, teils fast surreal anmutende Landschaft der Insel im Nordatlantik kaum je vergessen.

In diesem Film spielen eben diese Landschaft, die Flora und Fauna Islands eine große Rolle. Es geht um ein isländisches Ehepaar und einen großen, übergroßen Kinderwunsch. In einer der beiden Hauptrollen zu sehen ist die schwedische Schauspielerin Noomi Rapace. Die 42-Jährige wurde vor allem als Darstellerin der Lisbeth Salander in der Verfilmung der Millennium-Trilogie von Stieg Larsson bekannt. Beim Festival im französischen Cannes feierte das Spielfilmdebüt des Isländers Valdimar Jóhannsson im Sommer 2021 seine Premiere.

Ein Schaf als Menschenkind

Maria (Rapace) und Ingvar (Hilmir Snær Guðnason) leben in einem Haus inmitten weiter Natur. Umgeben von hohen Bergen, deren Gipfel teils schneebedeckt sind. Ganz allein sind sie nicht: Da ist der schwarz-weiße Border Collie, da ist die Katze, da sind nicht zu vergessen, die vielen, vielen Schafe. Schon morgens um sechs steht Ingvar im Stall, aus dem Radio erfahren wir, dass es Weihnachten ist.

Was dann passiert, kommt auch tatsächlich einem Festtagswunder ziemlich nahe: Eines der vielen Lämmer, die in Marias (man beachte den Namen) und Ingvars Stall zur Welt kommen, eines dieser kleinen Schafe ist anders, auch wenn man dies zunächst gar nicht wahrnimmt. Ingvar und Maria nehmen die kleine Ada mit in die karg eingerichtete Wohnstube. Ada wird von beiden fortan behandelt wie ein Menschenkind.

Mit rührender Zärtlichkeit kümmern sich beide um das Lamm. Und plötzlich erkennt man, dass dieses Lamm erschreckend echte Menschenmerkmale trägt: Da ist das süße Händchen, das sich im Gitterbett über die Babydecke schiebt, da ist der runde Kinder-Popo. Ob sich die Eltern diese menschlichen Attribute in ihrem übergroßen Kinderwunsch nur vorstellen oder es sich bei diesem Mensch-Tier-Hybrid wirklich um ein Wunder der Natur handelt, das überlässt die famose Kamera, das überlässt Regisseur Jóhannsson der Vorstellungskraft der Kinobesucher. Als aber Ingvars Bruder zu Besuch kommt, müssen sich die Eltern doch einige beunruhigende Fragen und schräge Blicke gefallen lassen.

Zwischen Horror und Rührung

Dieses Filmexperiment, das sowohl vom US-Gruselkino (dräuende Streicher, unheimliche Rückenansichten) gelernt hat als auch vom reduziert-kargen skandinavischen Film (das Skript hat Jóhannsson zusammen mit Sjón verfasst, einem Autor, der schon mit dem Dänen Lars von Trier gearbeitet hat) macht es einem nicht immer leicht. Einerseits ist die Fürsorge, die vor allem Maria ihrem Lämmchen angedeihen lässt, wirklich berührend. Andererseits wirkt es etwas albern, dass das kleine Fellbündel plötzlich mit am Abendbrottisch sitzt, in Kinderkleidung aufrechten Ganges durchs Haus tapst.

Die verzweifelte Suche der Eltern nach Trost geht zu Herzen. Vom Horror aber rund um Neugeborene haben andere Regisseure - darunter Roman Polanski mit "Rosemary''s Baby" - noch überzeugender erzählt. Ein spannendes Experiment ist "Dýrið", so der isländische Titel, gleichwohl. Das ungute Gefühl, welches den Film von Beginn an grundiert, kulminiert schließlich in der Frage: Wird sich die Natur rächen?

Lamb, Island/Schweden/Polen 2020, 106 Min., FSK ab 16, von Valdimar Jóhannsson, mit Noomi Rapace, Hilmir Snær Guðnason, Björn Hlynur Haraldsson