Hannover (dpa) - Eigentlich sollte in diesen Wochen der neue James-Bond-Film Millionen Besucher in die deutschen Kinos locken, doch jetzt bleiben die rund 4000 Leinwände dunkel.
Nach Einschätzung von Hans-Joachim Flebbe, der zehn Premium-Kinos in Deutschland betreibt, werden vor allem kleinere Häuser die Corona-Krise nicht überleben. "Für uns gibt es null Einnahmen", sagt der 68-Jährige. Zudem treibe der Shutdown Filmfans in die Arme von Streamingdiensten wie Netflix - womöglich für immer, ist Flebbes Befürchtung.
"Das Kino steht eigentlich nie still"
Frage: Sie haben als Student Anfang der 1970er das Apollo in Hannover in eins der bundesweit ersten Programmkinos umgewandelt und 1990 das erste Multiplex-Kino in Deutschland eröffnet. Haben Sie jemals eine so lange Kino-Pause eingelegt?
Flebbe: Nein, das Kino steht eigentlich nie still, nicht mal an Heiligabend. Auch nach den Anschlägen vom 11. September hat man weitergespielt. Jetzt besteht das Verbot schon seit mehr als fünf Wochen. Zum Abschied haben wir am 15. März in der Hamburger Hafencity mit allen Mitarbeitern "The Gentlemen" von Guy Ritchie gesehen. Es gab viele traurige Gesichter.
Ihr Branchenverband HDF Kino spricht von Ertragsverlusten von 17 Millionen Euro pro Woche in den deutschen Lichtspielhäusern. Wird es ein Kinosterben geben?
Einige Kinos werden es nicht schaffen, wohl eher die kleineren.
Es gibt null Einnahmen, anders als bei Restaurants mit Lieferdiensten oder Kaufhäusern mit Online-Verkauf. Wir sind total lahmgelegt. Es hängt auch vom guten Willen der Vermieter ab, ob sie sich auf eine Mietreduktion einlassen. Es gibt zwar einen Rettungsschirm mit KfW-Bürgschaften, doch die Prüfung der Banken ist langwierig. Das Kurzarbeitergeld wird normalerweise nicht an Mini-Jobber gezahlt. Wir haben die Teilzeitkräfte aus eigener Tasche mit reingenommen, auch Studenten müssen ihre Miete bezahlen und ihr Essen kaufen.
Wie überbrücken Sie die Zeit der Schließung? Planen Sie Alternativen?
Wir versuchen seit drei Wochen, Genehmigungen für Autokinos in Hamburg, Hannover und Braunschweig zu bekommen. Bedauerlicherweise zieht sich das hin, das ist wohl der norddeutsche Amtsschimmel. In NRW klappen die Genehmigungen nach meinem Eindruck schneller. Wir wollen kein Atomkraftwerk bauen, sondern ein bisschen Ablenkung schaffen. Wir halten die Abstandsregeln ein, wir gehen danach wieder weg, wir machen alles sauber!
Ist die Corona-Pandemie die größte Krise in der 120-jährigen Geschichte des Kinos?
Es ist nicht die größte Krise. In den 50er Jahren wurden noch 500 bis 600 Millionen Kinokarten verkauft, durch das Fernsehen ging das rapide auf 120 Millionen zurück. Diese Krise wird uns allerdings noch länger verfolgen. Am Anfang haben wir gedacht, in drei Monaten ist der Spuk vorbei. Eine Küche oder ein Auto kann man auch ein bisschen später kaufen, aber einen Kinobesuch kannst du nicht nachholen. Die Menschen werden im Herbst und Winter nicht zwei, drei Mal pro Woche ins Kino gehen.
Vielleicht machen das ja einige Kino-Fans dann doch aus Solidarität?
Einige zeigen ihre Solidarität in Mails, aber es gibt auch viele, die nichts Eiligeres zu tun haben, als das Geld für ihre schon gekauften Karten zurückzufordern. Ein Mitarbeiter ist komplett damit beschäftigt, Tickets zu erstatten. Die Kinoschließungen treiben viele Menschen in die Arme von Netflix und Amazon. Für die Streamingdienste sind es goldene Zeiten. Das wird sich nachhaltig negativ auf die Kinobesucherzahlen auswirken.
Zur Person: Hans-Joachim Flebbe (68) ist Gründer der Kinokette Cinemaxx, aus der er 2008 im Streit ausschied. Seitdem konzentriert er sich auf elegante Filmtheater mit bequemen Sitzen und Service am Platz. Standorte sind Berlin, Köln, München, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover und Braunschweig. Flebbe stammt aus Hannover, lebt aber seit 25 Jahren mit seiner Familie in Hamburg.