In Chloe geht es um Untreue und Obsession. Finden Sie Vergleiche mit "Eine verhängnisvolle Affäre" passend?

ATOM EGOYAN Ich wollte Ähnlichkeiten auf jeden Fall vermeiden und Chloe anders darstellen als die Geliebte in "Eine verhängnisvolle Affäre". Man erkennt sofort, dass die ein verrücktes Monster ist. Für Chloe soll man Sympathie empfinden.

Letztendlich geht es aber um eine Dreiecksbeziehung und Menschen, die sich gegenseitig für ihre eigenen Zwecke ausnutzen. Was fasziniert Sie daran?


ATOM EGOYAN Ich habe mich schon immer für zwischenmenschliche Beziehungen und Mysterienspiele begeistert. Dabei geht es um die Frage, wie schwierig es ist, mit anderen Menschen eine Verbindung aufzubauen. Natürlich unterscheidet sich Chloe von meinen anderen Filmen, weil der Zuschauer nicht in gleicher Weise eingebunden ist. Ich provoziere das Publikum gerne, so dass es nicht weiß, wo es sich platzieren soll. In diesem Film wird das allerdings schnell deutlich: der Zuschauer stellt sich immer auf Augenhöhe mit einem der Charaktere. Das macht den Film konventioneller.

Ihre Filme sind eigentlich komplizierter im Aufbau. War es bei Chloe leichter, Regie zu führen?

ATOM EGOYAN Als Regisseur arbeitet man oft im Alleingang und weiß erst, wie eine Szene letztendlich aussieht, wenn ich sie drehe. Bei diesem Film gab es eine klare Chronologie.

Filmverleih

"Chloe" mit Amanda Seyfried (l.) und Julianne Moore, Regie: Atom Egoyan

Wieviel Spielraum hatten Sie bei der Handlung?

ATOM EGOYAN Ich habe das Drehbuch nicht geschrieben, aber versucht den Film in eine bestimmte Richtung zu lenken. Letztendlich bleibt die Geschichte die gleiche. Es ging mir um den Ton des Films, das ist mein Job. Ich muss die beste Performance aus den Schauspielern herausholen, die richtige Umgebung und den besten Drehort wählen und den Rhythmus finden. Den Ort legte ich von San Francisco nach Toronto. Ich zeige im Detail, was sich in den Köpfen der Charaktere abspielt und versuche so den Szenen möglichst viel Tiefe zu geben.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Schauspieler ausgewählt?

ATOM EGOYAN Julianne Moore stand für mich sofort fest, als ich das Drehbuch las. Mit ihr wollte ich schon lange mal arbeiten. Liam Neeson war ein Glücksfall, er spielte gerade Theater in New York und hatte Lust auf die Rolle. Dann mussten wir nur noch eine junge Frau für den Part der Chloe finden. Es gab ein offenes Casting. Amanda schnitt beim Vorsprechen fantastisch ab. Unsere Entscheidung für sie fiel lange bevor sie so großen Erfolg mit Mamma Mia hatte.

Amanda sagte, sie hatte nicht soviel Vertrauen in ihr eigenes Können und musste sich von Ihnen führen lassen?

ATOM EGOYAN
Ich weiß, dass sie sehr nervös war, über ihre Rolle zu reden. Sie ist wahnsinnig talentiert, aber einfach nicht gewohnt, über einen ernsten Film zu reden.

Warum muss Chloe denn am Ende des Films sterben?

ATOM EGOYAN Sie bringt sich um, weil sie merkt, dass sie in Catherine verliebt ist, die sich jedoch keinen Deut um sie schert. Chloe empfindet nur noch Schmerz. Für sie ist der Tod die einzige Lösung.

Andrea Daschner