Die Frage musste ja kommen: Was sie denn mit dem "Razzie" zu tun gedenke, wollten Journalisten in der Stunde ihres Oscar-Triumphs von Sandra Bullock wissen. "Razzie", die "Goldene Himbeere" aus Plastik, zeichnet besonders mieses Filmhandwerk aus, und war der Schauspielerin 24 Stunden zuvor für die Komödie "Verrückt nach Steve" (Start am 29.4.) überreicht worden. "Ich werde die beiden irgendwo nebeneinander auf ein nettes kleines Regal stellen", lautete die entspannte Antwort.

Beide Auszeichnungen in einem Jahr einzustecken - das hat vor ihr schließlich auch noch niemand geschafft. Erfolgreich in jeder Hinsicht Für die 45-Jährige ist der Oscar für ihre Hauptrolle in "Blind Side" der größte Erfolg ihrer Karriere. Rein kommerziell gesehen ist das Drama auch ohne "Acadamy Award" ein Volltreffer. Nie zuvor hat ein Film mit weiblichem Protagonisten mehr als 200 Millionen Dollar eingespielt - "Blind Side" liegt bereits bei mehr als 250 Millionen.

Aber erst der Oscar eröffnet ihr neue Perspektiven als Schauspielerin. Denn bislang ist der Name Sandra Bullock durch Filme wie "Miss Undercover" (2000), "Ein Chef zum Verlieben" (2002) und "Selbst ist die Braut" (2009) ein Synonym für "Romantische Komödie".

Leigh Anne Tuohy dagegen, Bullocks Rolle in "Blind Side", ist nicht romantisch. Die Südstaatenlady sieht blendend aus, hat ein Herz, groß wie ein Fußballplatz, ist dabei aber so resolut, dass selbst grobschlächtigste Footballmanager nach einer ihrer Ansagen nur "Yes, Ma'm" murmeln.

Angst vor der Rolle ihres Lebens

Erstaunlicherweise hatte Sandra Bullock ihre interessanteste berufliche Herausforderung zunächst abgelehnt. "Das Drehbuch war zwar toll, aber ich dachte nicht, dass ich noch etwas Wesentliches zu dieser starken Figur beitragen könnte", erinnert sie sich. Denn Leigh Anne Tuohy ist in den USA keine Unbekannte. Die Frau ist ebenso real wie der Teenager, den sie als Ziehsohn aufnahm: Michael Oher. Mit ihrer Unterstützung stieg er vom vernachlässigten Sohn einer Drogenabhängigen zum umjubelten US-Football-Star auf.

"Nachdem ich Leigh Anne getroffen hatte, wollte ich die Rolle. Ich hatte viel zu viel Angst, dass irgendjemand anderes sie spielen könnte", sagt Sandra Bullock. Sie stellt die Football-Mum angenehm unkitschig dar - rührend ist der Film aber vor allem durch seine Geschichte. Gepaart mit dem "Ist tatsächlich passiert"-Element machte sie "Blind Side" wohl zum perfekten Oscar-Anwärter.

Hollywod-Star aus Franken

Die 1964 in Arlington/Virgina geborene Tochter der deutschen Opernsängerin Helga Meyer und des Gesangslehrers John Bullock wuchs in Nürnberg auf. Noch heute spricht Sandra Bullock fließend Deutsch mit rollendem fränkischen "rrr". Nach einem abgebrochenen Schauspielstudium war sie ab Anfang der 90er-Jahre in Filmen wie "Demolition Man" oder "The Thing Called Love" (mit River Phoenix, eine Perle!) zu sehen.

Blockbuster wie "Speed" (mit Keanu Reeves, 1994) machten sie zu einer der begehrtesten Schauspielerinnen Hollywoods. Über sein Privatleben hält sich der Star möglichst bedeckt. Aber auch das kann Spaß machen. Sehen Sie sich mal bei YouTube an, wie sie von Talker David Letterman 2005 über die (damals noch angebliche) Beziehung zu Jesse James verhört wird, der im US-Fernsehen Motorräder frisiert.

Schlagfertig, witzig und lebhaft wehrt sie alle Fragen ab, presst schließlich, als nichts mehr hilft, die Lippen aufeinander - und kann das Verliebten-Grinsen doch nicht ganz verbergen. Absolut bestechend. Mittlerweile ist sie mit James verheiratet und Stiefmutter seiner drei Kinder. In ihrem Wohnort Austin/Texas betreibt sie neben einem Restaurant auch ein Blumengeschäft und eine Bäckerei. Das kann man wohl mit Fug und Recht "auf dem Boden geblieben" nennen.

Dass Frau Bullock zur Deutschland-Premiere von "Blind Side - Die große Chance" am 22. März nicht wie angekündigt nach Berlin kommt, liegt auch an Ehemann Jesse James. Nachdem er sie mit einer Tattoo-Schönheit betrogen hat, steckt die Ehe in einer akuten Krise. Bekommen die beiden das wieder hin? An erkalteten Gefühlen wird das Ganze wohl nicht scheitern. Die Rührungstränen die James und Bullock während ihrer Oscar-Rede vergossen, wirkten jedenfalls ziemlich echt.

F. Aures

Sandra Bullock im TV: