TV SPIELFILM: "The Cut" beginnt mit der Einblendung: "Es war einmal / es war keinmal"...
FATIH AKIN Ja, so fangen sowohl türkische als auch armenische Märchen an. Mein Traum ist, dass Armenier und Türken gemeinsam ins Kino gehen und zusammen etwas daraus schöpfen können. Ausserdem bringt das auf eine poetisch-naive Weise auf den Punkt, wie umstritten das Thema ist.

Viele Türken und auch die türkische Regierung bestreiten, dass es diesen Genozid überhaupt gegeben hat.
FATIH AKIN Auch die Bundesregierung spricht nicht von einem Völkermord. Viele in der Türkei sagen: Das hat es nie gegeben! Aber das hat auch viel mit Unwissenheit zu tun, die sind so erzogen worden. Ich ja auch.

Ihr Film bietet kaum Informationen zu diesem in weiten Teilen der Welt unbekannten Völkermord. Warum haben Sie darauf verzichtet?
FATIH AKIN lch will eine Geschichte für ein großes Publikum erzählen. Ich will, dass die Leute sich mit dem Helden identifizieren und diese Reise mitmachen und den Mord und Totschlag mit ihm zusammen überleben und sich wünschen, dass er überlebt. Und wenn der Film vorbei ist, dann informieren sie sich. Dann lesen sie ein Buch, gucken im Internet nach. Der Film soll eine Initialzündung sein, sich damit zu beschäftigen. Der Film muss keine politische Botschaft haben. Dann ist es ein schlechter Film. Ich bin doch kein Politiker, ich bin Filmemacher!

Denken Sie, dass dieses ungesühnte Verbrechen auf die Türken nachwirkt?
FATIH AKIN Ich glaube, ja. Das ist ein Trauma. Das hält noch an. Und wenn man das nicht aufarbeitet, kann das auch noch einmal geschehen.

Ist dieses Trauma für Sie auch im türkischen Alltag zu spüren?
FATIH AKIN Natürlich. lch konnte in der Türkei das Wort "Völkermord" nicht frei benutzen, ohne gleich angeklagt und verurteilt zu werden. Was ist das denn für eine Gesellschaft? Ich sage: Erkennt die Tat meinetwegen nicht an, aber lasst mir das Recht, das zu tun! Das ist Meinungsfreiheit. Nichts anderes versucht der Film. Und das macht ihn politisch.

Interview: Frank Aures