Der neue Saarländer "Tatort" ist dem männlichen Hauptdarsteller auf den Leib geschrieben. Zwar hat der 39-Jährige eine Partnerin, gespielt von der Saarländerin Elisabeth Brück, aber im Mittelpunkt steht nur einer: überlebensgroß Devid Striesow. Und der genießt es offensichtlich, den irrlichternden, nicht greifbaren Kommissar Jens Stellbrink zu spielen.

TV SPIELFILM: Sie sind der erste Fernsehkommissar, der mich an eine Frau erinnert...

DEVID STRIESOW
Wieso das?

Weil Sie in Ihrer Rolle so feminin wirken, auf Intuition vertrauen und Yoga praktizieren. Wahrscheinlich ist Jens Stellbrink auch Vegetarier, oder?

DEVID STRIESOW
So weit haben wir die Figur gar nicht festgelegt. Aber wenn er Vegetarier sein sollte, dann isst er bestimmt mal zwischen- durch eine Currywurst.

"Lerne die Regeln gut, damit du sie richtig brechen kannst", sagt der Dalai Lama...

DEVID STRIESOW
Genau. Das Berechenbare ist Stellbrink ein Gräuel. Der Kommissar akzeptiert Regeln nur temporär. Er wartet auf die passende Gelegenheit, um sie außer Kraft zu setzten.

Mit Kommissar Stellbrink bricht im Saarland die Anarchie aus. Wann hat man schon mal einen Ermittler in kurzer Hose und mit Gummistiefeln durch einen Baumarkt stapfen sehen?

DEVID STRIESOW
Wir dachten ursprünglich an Julian Schnabel, den Maler und Regisseur. Man kann darin einen Look sehen. Man kann aber auch sagen: Der Herr Stellbrink kauft gut ein, hat aber keinen Geschmack. Er ist vor allem unkonventionell und spannt für den Zuschauer eine große Reflexionsfläche auf, die viele Deutungen zulässt. Man ist ja mittlerweile im Fernsehen an den Anblick skurriler Kommissare gewöhnt. Aber Jens Stell- brink stellt mit seinem Eigen- sinn alles in den Schatten... Wir haben von Anfang an ge- sagt, dass wir keinen Anspruch auf Realismus erheben. Die Realität der Verbrechensbekämpfung ist heftiger und bedrückender, als man es im Film darstellen kann. Und sie ist womöglich auch eintöniger, dann interessiert sie keinen.

Das einzig Realistische an dem "Tatort" scheint mir ihr abgerocktes Büro zu sein.

DEVID STRIESOW
Das sieht krass aus, oder? Ich hoffe, dass wir diesen Raum weiter nutzen können. Es ist übrigens wirklich ein Raum in dem Haus, das man von außen sieht. Im Saarland findet man noch solche Objekte, es ist noch nicht so "abgefilmt" wie andere Bundesländer. Auch die Gulliver-Welt, dieser Märchenspielpark, in dem sich Jens Stellbrink mit dem arabischen Mädchen versteckt, das er im Baumarkt aufliest, ist echt. Der Park wird jetzt abgebaut, nach fünfzig Jahren.

Mich hat die surreale Atmosphäre stellenweise an Victor Erices Filmklassiker "Der Geist des Bienenstocks" erinnert...

DEVID STRIESOW
Es ist eine Kulisse wie aus einem Märchen, und der Film hat ja auch stark fabelhafte Züge. Der Regisseur Hannu Salonen und ich hatten die Idee, dass wir in den einzelnen "Tatort"-Folgen jeweils typische Stilmerkmale eines bestimmten Genres einarbeiten. Bei "Melinda" ist es das Märchen, bei der zweiten Folge wird es der Western sein.

R.Unruh/M.Scholten