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Saarland-Tatort mit Devid Striesow

Wie realistisch ist der Rocker-Tatort?

Wird der neue Rocker-"Tatort" (SO, 7.4.) der Wirklichkeit gerecht? TV Spielfilm hat sich den Fernsehkrimi mit zwei Szenekennern angesehen. Ein Realitycheck

Kriminalität, die von Motorradclubs ausgeht, ist momentan ein großes Thema. Kein Tag vergeht, an dem nicht über offen und mit Schusswaffen ausgetragene Konflikte zwischen Clubs wie den Hells Angels und Bandidos berichtet wird oder neue Gruppen wie die holländischen Satudarah den etablierten den Krieg erklären. Insofern ist stimmig, dass sich auch der "Tatort" dieses gesellschaftsrelevanten Themas annimmt.
In überdreht-humoristischer Art und Weise setzt sich Devid Striesow als Saarland-Kommissar Stellbrink mit der fiktiven Rockergang Dark Dogs auseinander. Die sind rüde und brutal, hauen sich auch gern mal gegenseitig auf die Glocke und tun ansonsten, was man Rockern zuschreibt: einschüchtern und mit Drogen handeln. Problem: Sie sind dabei ungefähr so furchteinflößend wie eine Räuberbande aus der Augsburger Puppenkiste. Sind kriminelle Rocker wirklich solche Deppen?

Wir haben uns den Krimi mit zwei Szenekennern angesehen, die anonym bleiben wollen: einem Altrocker, der mit den Hells Angels befreundet ist, und einem Dorfrocker, der mit seinem Club einfach gern Motorrad fährt.

Sind die großen Clubs ähnlich brutal und kriminell wie die Dark Dogs im "Tatort"? "Alles Quatsch," sagt Altrocker. "Ich habe nie Probleme gehabt." Fast klingt er wie die Vertreter der Hells Angels, die zuletzt im März bei "Maischberger" auftraten: Es gibt keine verbrecherische Organisation, nur bedauerliche Einzelfälle, die aber sofort aus dem Club ausgeschlossen werden. Die Berichterstattung sei eine Hetzkampagne. Und warum werden bei Razzien praktisch jedes Mal Schuß- und Stichwaffen wie Pistolen oder Macheten gefunden? Auch Einzelfälle?

Dorfrocker dagegen sagt: "Die Polizei hat völlig recht, wenn sie von organisierter Kriminalität spricht. Es geht nur ums Geschäft, um möglichst große Gebiete für Drogenhandel und Prostitution. Und dafür gehen die großen Clubs über Leichen. Die kleinen Clubs werden nach und nach von ihnen geschluckt. Die setzen dich unter Druck. Entweder man macht für die als ‚Supporter‘ Handlangerdienste - oder der Club muss sich auflösen." Zahlen des BKA bestätigen das. Die Hells Angels etwa hatten demnach 1999 ganze 50 Mitglieder, 2011 waren es plötzlich mehr als 1200. Europol betrachtet die Rockergruppen mittlerweile als "Bedrohung der nationalen Sicherheit". Das traut man den dusseligen Dark Dogs aber nicht zu.

Bei seinen Ermittlungen schallt Kommissar Stellbrink zwar die eherne Regel aller Verbrecher entgegen: Mit den Bullen rede ich nicht! Weil das die Handlung vorantreibt, reden Informanten aus dem direkten Umfeld der Dark Dogs dann aber doch. Wer die Regel im wahren Leben bricht, muss mit Konsequenzen rechnen. Aussteiger Ulrich Detrois, Autor von "Höllenritt - Ein deutscher Hells Angel packt aus", kooperierte mit den Ermittlungsbehörden. Diese berichteten ihm, dass ein Mordauftrag gegen ihn und seine Schwester existierte.

Die Dark Dogs fahren im Konvoi durch das blühende Saarland. Bikerromantik - nach wie vor wichtiger Teil des Rockerlebens? Altrocker sagt: "Das ist nicht mehr wie früher. Bei den neuen Clubs reicht doch eine U-Bahn-Karte, um Rocker zu sein." Dorfrocker sagt: "Die meisten haben Motorräder, fahren aber keine weiten Strecken mehr damit. Dafür sind diese aufgemotzten Maschinen auch viel zu unbequem. Für große Treffen müssen Prospects (Anwärter auf eine Mitgliedschaft, die sich beweisen müssen) die Motorräder mit Lkws transportieren. Die Member (Mitglieder) fahren dann nur noch damit aufs Gelände - und ansonsten Auto."

Unser Fazit: Die Wikipedia-Rocker-Facts, die die Schauspieler aufsagen müssen, stimmen, ansonsten hat der Film wenig mit der Realität zu tun. Das ist nicht weiter schlimm, nur ein schlechter Fernsehkrimi. Und die verpasste Gelegenheit, ein wichtiges aktuelles Thema zu erklären.

Frank I. Aures
Tatort: Eine Handvoll Paradies
SO 7.4. Das Erste 20.15 Uhr
Rockerfrieden für die Medien

Im Mai 2010, nach mehreren Toten, erklärten die Chefs der verfeindeten Motorradclubs Hells Angels und Bandidos, Frank Hanebuth und Peter Maczollek, ihren jahrelangen Konflikt für beendet. Die Polizeigewerkschaft nannte das einen "Mummenschanz". Zu Recht: Im Mai und Juni 2011 kommt es in Duisburg zu Massenschlägereien der Gruppen, im Januar 2013 erneut in Mönchengladbach. Im Februar wird in Düsseldorf ein Satur­darah-Mitglied niedergestochen, vier Tage später in Oberhausen ein Hells Angel durch zwei Bauchschüsse schwer verletzt.