Am kommenden Sonntag, 7. März, ist nicht nur wieder Zeit für "Tatort", es ist auch Weltfrauentag einen Tag später. Das hat sich der NDR als Anlass genommen einen Krimi zum Thema Hass auf Frauen zu machen: "Borowski und die Angst der weißen Männer". Mit von der Partie ist natürlich Axel Milberg als Hauptkommissar Borowski aber auch seine Kollegin Mila Sahin, gespielt von Almila Bagriacik. Sahin ermittelt nicht nur in dem Mordfall an einer jungen Frau, die in Kiel scheinbar das Opfer der Subkultur der sogenannten "Incels" geworden ist. Die Kommissarin erlebt Sexismus auch hautnah selbst.
Tatort: Borowski und die Angst der weißen Männer
Als eine junge Frau während einer Party-Nacht ermordet wird, gerät schnell ein junger Mann namens Mario Lohse in Verdacht. Gleichzeitig tauchen überall Hinweise auf mysteriöse, ganz in weiß gekleidete Männer auf, die gleichzeitig auch an die Spurensicherung in Schutzanzügen erinnern. Schließlich fällt der Verdacht auf die Subkultur der "Incels". Kurz gesagt: Männer die Frauen hassen, weil sie glauben, Emanzipation würde ihnen das naturgegebene Recht auf Sex verwehren. Diese Online-Subkultur stand auch mit den Anschlägen in Hanau und Halle in Deutschland in Verbindung.
Der "Tatort" zeichnet ein sehr präzises Bild der Incels und ihrer Radikalisierungsstrategien. Vor allem Joseph Bundschuh als Lohse ist eine echte Wucht und von der Aktualität und Schärfe des Drehbuchs bis zur Regie ist "Borowski und die Angst der weißen Männer" ein sehr guter "Tatort", wie er besser nicht zum Weltfrauentag passen könnte.
Im Interview mit TVSPIELFILM.de verriet Schauspielerin Almila Bagriacik was Sahin und sie gemeinsam haben, wo sie den Feminismus in Deutschland sieht und welche Tücken auf ihre Figur in dem neuen Film warten.
TVSPIELFILM.de: Frau Bagriacik, der neue "Tatort" erscheint passenderweise um den Internationalen Frauentag. Was bedeutet Ihnen dieser Tag?
Almila Bagriacik: Der bedeutet mir sehr viel. Der Tag eignet sich perfekt, um darüber nachzudenken, wie viel man von der Gesellschaft schon bekommen hat und was vielleicht noch fehlt. Ich freue mich übrigens auch über den "Equal Pay Day", der uns noch bevorsteht. Ich nutze diesen Tag auch immer mehr, um zu feiern, was wir schon geschafft haben.
Im Film radikalisiert sich der junge Mann selbst und es wird schnell gefährlich. Wie real sehen Sie dieses Problem in Deutschland?
Es ist absolut real. Nach den Anschlägen in Halle und Hanau habe ich mich mit der Subkultur der Incels beschäftigt und als es hieß, dass wir dazu einen "Tatort" drehen, war ich begeistert. So können wir das Thema direkt ins Wohnzimmer tragen. Die "Tatort"-Kommissare positionieren sich da ganz klar. Als Mila Sahin im Film vom Staatsschutz mit "Liebste", angesprochen wird, nimmt Borowski sie nicht in Schutz. Daran können sich viele Männer auch ein Beispiel nehmen: Er lässt sie ihre souveräne Verteidigung selbst vortragen und steht ihr dann im Nachhinein als Unterstützung zur Seite.
"Ich persönlich empfinde Wut"
Sahin wird in zwei Momenten "handgreiflich" gegenüber den Männern, die selbst gewalttätig sind. Wie hat sich das für Sie angefühlt?
Das Schöne an Sahin ist, dass sie sich absolut unter Kontrolle hat. Die Figur hat auch eine Vorbildfunktion. In dem Moment, wo sie von Lohse als Fotze beleidigt wird, wird sie nicht körperlich, sondern versucht sich ganz stark zurückzunehmen. Sahin erklärt, dass es Frauen gibt, die ihn in Gewahrsam nehmen und dass sie dazugehört. Erst im Moment eines körperlichen Angriffs reagiert sie dementsprechend. Das finde ich stark.
Die Wut von Sahin kann man als Frau sicher gut nachvollziehen. Welche Parallelen gibt es zwischen Sahin und Ihnen?
Da versuche ich die Gefühlswelten komplett zu trennen. Ich persönlich empfinde die Wut aus einer Beobachterperspektive. Sahin muss dagegen immer wieder zum Fall zurückkommen und sehr souverän agieren.
Die Politikerin Birte Reimers sagt im Film, dass sie unter anderem glaubt, dass sie alles richtig gemacht hat, wenn sie auf einer der Listen landet, die Incels und Frauenhasser im Darknet veröffentlichen. Wie denken Sie über solche Aussagen?
Als Mensch kann ich das verstehen, aber ich glaube, dass sich die Politikerin eben so frei fühlt, weil sie keinen Partner und keine Kinder hat. Ab dem Moment, wo ihre Assistentin in Gefahr gerät, ändert sich die Situation. Sahin muss sie erst belehren, was die Bedrohung angeht und erklärt ihr, dass sie, zu Unrecht, die Bedenken einer jungen Kommissarin außer Acht lässt.
"Meine Gage bezieht sich auf meine Vita und meine Erfolge"
Haben Sie selbst schon strukturellen Sexismus als Schauspielerin erlebt?
Ich wurde mal mit einem männlichen Kollegen verglichen, als meine Gage verhandelt wurde. Man erklärte, dass dieser männliche Kollege aber weniger verdienen würde. Dann musste nochmal klargestellt werden, dass meine Gage sich auf meine Vita und meine Erfolge bezieht. Natürlich bin ich immer offen für Verhandlungen. Aber ab dem Moment, wo mit einem männlichen Kollegen argumentiert wird, bin ich raus.
Wie sehen Sie das Ende? Ich hätte nicht erwartet, dass es so offen bleibt. Und gibt es eine Fortsetzung?
Für Sahin ist am Schluss ein hohes Maß an Frustration da. Der Fall kann nicht aufgeklärt werden. Die Kripo ist ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr für diesen Fall zuständig, sondern der Staatschutz, der aber in der Zusammenarbeit dichtmacht. Das offene Ende zeigt auch die Verzweiflung, die bei solch einer Arbeit entstehen kann. Jetzt gerade ist kein zweiter Teil dazu geplant, es geht aber auch mehr darum zu zeigen, wie enttäuschend diese Arbeit sein kann.
Vielen Dank für das Interview!
"Borowski und die Angst der weißen Männer" läuft am Sonntag, 20.15 Uhr, im Ersten.