Vier Jahre sind vorbei, und dann steht sie da – goldfarben im Scheinwerferlicht, ein wenig wie eine gendergerechte Oscar*in: Helene Fischer. Das ZDF lässt sich nicht lumpen. Tänzer, Nebel, Glitzer, Hebebühne: Für die ersten Minuten dieses Comebacks in Düsseldorf wird alles aufgefahren. "Das ist so ein warmer Applaus", freut sich der vor 39 Jahren in Sibirien geborene Beweis, dass Migration gelingen kann.
Starke Emotionen in der "Helene Fischer Show"
Der erste Gast in der zehnten Ausgabe der "Helene Fischer-Show" ist Béatrice Egli, turmhohe Plateausohlen bringen die Schweizerin auf Augenhöhe mit Fischer. Stimmlich könnte Helene Fischer ein Paar hohe Schuhe gut gebrauchen, als sie zum Duett mit der Niederländerin Emma Kok antritt. Die 15-Jährige muss künstlich ernährt werden, weil ihr Magen nicht arbeitet. Ihr Preisgeld vom Gewinn zweier Castingshows hat sie in eine Stiftung investiert, um ihren Beitrag zu leisten, dass die unheilbare Krankheit eines Tages vielleicht doch therapiert werden kann. Die Kraft ihrer Stimme schafft Hoffnung.
Ab ins Barbie-Bett!
Dann geht's ins Barbie-Bett mit Helene, ein überdimensioniertes Herz ist hinter die Liegefläche montiert. Im kurzen Leibchen schält sie sich aus der Decke. Pinkfarben hat man ihr ein Haus gebaut. Sie steht auf, sie zieht sich an. Der Reißverschluss klemmt ein wenig. Doch dann kommt der Schauspieler Tom Beck, wechselt ganz in Blond von "Alarm für Cobra 11" ins Barbieland und gibt den Ryan Gosling für Arme, der sie ins Cabrio zieht. Und schon wird's politisch unkorrekt. "Auf der Autobahn mit 300 fahr'n", singt Helene Fischer, "das kann ich nur mit dir…" Gut, dass sich in dem Moment niemand von den Klima-Aktivisten auf dem Bühnenboden festklebt.
"Atemlos" im Duett mit Shirin David
Helene Fischer kann sehr viel. An ihre Grenzen kommt sie als Sängerin durchs Konzept ihrer Show. Fast überall singt sie mit. Neben Beth Dito und Gossip bestehen zu wollen, ist ambitioniert. An der Seite von Dave Stewart die Eurythmics-Hits vorzutragen – und das auch noch am Geburtstag des Originals Annie Lennox –, ist überambitioniert. Da stürzt Fischer nicht nur im Vergleich zur Oscar-Preisträgerin ab, auch gegenüber der Australierin Vanessa Amorosi, der neuen Partnerin an der Seite Dave Stewarts, fällt sie durch. Allzu sehr klingt Fischer einfach immer nach Fischer. Vielleicht deshalb ist zur Halbzeit der Show um 21.45 Uhr "Atemlos" fällig, in der aktuellen Fassung mit der Rapperin Shirin David. "Auch da hab‘ ich das Gefühl, dieser Song ist irgendwie zeitlos", hebt Helene Fischer ihren Hit auf eine Stufe mit "Sweet Dreams (Are Made Of This)". Naja.
Helene Fischer: "Das ist ja furchtbar, bin ich wirklich so?"
Sehr viel besser steht Helene Fischer ein Hauch Selbstironie. Die Stand-up-Comedienne Tahnee tritt mit langer blonder Perücke als KI-generierte Helene auf die Bühne. Und der Avatar hat die Posen des Originals sehr gut gelernt, verblüffend wirklichkeitsnah. "Unser Ehemann Thomas hat das eben auch nicht bemerkt", versichert Avatar Tahnee, "ein exzellenter Küsser!" Die Sätze kann sie übrigens auch. "Das nächste Lied bedeutet mir wirklich sehr, sehr viel", versichert Tahnee und fügt hinzu: "Ich könnte weinen. Seit ich Mutter bin, da spüre ich es noch einmal anders." So ähnlich hat der Zuschauer das kurz zuvor noch gehört von Helene Fischer nach dem Duett mit der elfjährigen Olivia Lynes. Da flossen tatsächlich Tränen, begleitet von dem Satz "Oh Gott, das muss an meinem Mama-Herz liegen…" Nach dem Blick auf die Parodie befindet das Original: "Das ist ja furchtbar, bin ich wirklich so?" Die Fans sehen das ganz anders. Für sie ist in dieser langen Nacht Nenas Hit "Liebe ist" Programm. Wie heißt es da im Text: "Liebe sucht nicht, Liebe fragt nicht". Da ist den Fischer-Fans das Glück ins Gesicht geschrieben: "Liebe wird nicht, Liebe ist." Auch wenn nach mehr als atemlosen Minuten die Luft raus ist.