Als dichte Rauchschwaden aus einem Haus in Höchst im Odenwald dringen, bietet sich den Feuerwehrleuten im Innern ein ebenso grausames wie rätselhaftes Bild: In der einen Hälfte, einer Arztpraxis, ist alles mit Papierrollen ausgelegt, diese sind auch noch in Benzin getränkt. Die Schubladen mit Patientenakten stehen offen, all das, so hat es den Anschein, sollte verbrennen. Der Täter hat jedoch einen Fehler gemacht und die Fenster verschlossen gelassen. Nur eines auf Kipp – und die Bude wäre in Nullkommanichts bis auf die Grundmauern abgebrannt. So aber, ohne die nötige Sauerstoffzufuhr, schwelt das Ganze nur, ohne sich vollends zu entzünden.
Dadurch entdecken die Beamten auch das Gewaltverbrechen in der Wohnung nebenan viel schneller als vom Täter wohl geplant: ein Mann liegt ermordet im Flur, es handelt sich um den Vermieter der Arztpraxis. Aus dem erfolgreichen Orthopäde Wolfgang Robens wird im Verlauf der Ermittlungen "Dr. Mord", der Fall hält 1984 Menschen und Medien in Atem. Bis man dem mörderischen Doc jedoch auf die Schliche kommt, dauert es eine ganze Weile. Und es bleibt nicht sein einziges Kapitalverbrechen.
"Auf den Spuren von Dr. Mord", so lautet der Titel der mittlerweilen neunten Staffel von ARD Crime Time. In vier Folgen rollt die Produktion des Hessischen Rundfunks diesen Fall auf. Schnell ist man in der Story, folgt den Erinnerungen der Beteiligten von einst, Staatsanwalt Manfred Maurer und Kommissar Kettler, Arzthelferin Eva-Maria, den Ausführungen der Experten Mark T. Hoffmann und Christoph Gebhardt.
Nicht alle "True Crime"-Formate können jedoch auf so vielfältiges Originalmaterial zurückgreifen wie etwa im Falle von Jimmy Saville oder Ghislaine Maxwell, und so unterliegt der Aufbau dieser Serie den ungeschriebenen Fomal-Gesetzen des True Crime: Stimmungsvolle Drohnen-Flüge, Kamerafahrten durch leere Büro-Gänge, Stadt-Impressionen in Kombi mit grobkörnigen Fotos, unscharfen Tatort-Aufnahmen und Zeitungsausrissen, im Schnittwechsel mit Zeitzeugen, die mal bodenständig berichten, dann wieder etwas zu tief in die Kiste mit den im Medien-Workshop erlernten Arm- und Hand-Gesten greifen.
Inhaltlich ein Konzept, das ebenso gut als Podcast funktionieren könnte, und dem man sich dennoch nur schwer entziehen kann. Kaum etwas im Segment Suspense ist heuer so populär wie ein solide zusammengestelltes Stück True Crime, sei es aus Tennessee oder dem Odenwald. "Auf den Spuren von Dr. Mord" macht da keine Ausnahme – kurzweilig, spannend und mit hohem Binge-Potential.