Na, das fängt ja gut an. "Ich arbeite beim Vermisstendezernat und kann meinen eigenen Vater nicht finden", stellt sich der Titelheld der neuen Krimireihe "Kommissar Süden" vor. Er war noch ein Kind, als sich der Vater aus dem Staub machte, den Verlust aber hat Tabor Süden bis heute nicht verwunden - und offensichtlich seinen Beruf verfehlt.

Ulrich Noethen, der den neuen ZDF-Kommissar aus München spielt, sieht das allerdings nicht so. Im Gegenteil: "Süden ist eben kein herkömmlicher Kommissar", so der Schauspieler. "Er hat eine Nische entdeckt, die es ihm erlaubt, den Beruf mit seiner persönlichen Obsession zu verbinden." Tatsächlich sucht man den Polizisten ohne Knacks im Krimi vergeblich.

Prügler und Psychopathen

Die Zeit, als die zu lösenden Fälle und ihr Personenkreis aus Verdächtigen, Zeugen und Tätern im Zentrum der Handlung standen, ist längst passé. Waren von früheren "Tatort"-Ermittlern, wie dem Zollfahnder Kressin, nicht einmal die Vornamen bekannt, bestimmt heute die persönliche Geschichte mit dem jeweiligen Spleen des Ermittlers das Krimigeschehen.

Die Vorlage für den neuen Kripotyp gab Schmuddelkommissar Schimanski zu Beginn der Achtzigerjahre. "Mit ihm wollten wir den Krimi aus dem Kleinbürgermilieu herausholen", sagt der "Tatort"-Erfinder und ehemalige WDR-Fernsehspielchef Gunther Witte. Das ist ihm gründlich gelungen: 2007 ging mit dem gemütlichen Bienzle der letzte korrekte Kriminalbeamte im "Tatort" in Pension.

Seitdem bevölkern Prügler, Neurotiker und andere Antihelden die TV-Wachen bundesweit - und bei den meisten besteht dringender Behandlungsbedarf, denn längst ist nicht mehr der Kriminelle der Psychopath, sondern der Kriminalist. Hochgradig traumatisiert wie Edgar Selgels einarmiger Tauber im "Polizeiruf 110", extrem gewaltbereit wie Armin Rohde als Erichsen in der ZDF-"Nachtschicht".

Therapie als Dienstanweisung

Erst kürzlich gab der undurchsichtige und manchmal aufbrausende Stuttgarter "Tatort"-Mann Thorsten Lannert Einblicke auf die tiefen Wunden seiner Seele. Der von Richy Müller gespielte Bienzle-Nachfolger im Ländle war zuvor Undercover-Ermittler in Hamburg, wo er durch
eine tragische Enttarnung Frau und Kind verlor. Ein geradezu klinischer Fall ist Axel Milberg als Klaus Borowski. Der Kommissar aus Kiel ("Ich höre!") ist verhaltensauffällig - ein stiller Brüter vor der Explosion?

Um Schlimmeres zu verhindern, muss er jedenfalls auf oberste Dienstanweisung an Therapiestunden teilnehmen. Dass seine Polizeipsychologin Frieda Jung ein anscheinend noch größeres Geheimnis in sich trägt, setzt dem Ermittlerirrsinn die Krone auf.
Hat sie der gewaltsame Tod ihrer Eltern aus der Bahn geworfen?

Charlotte Sänger vom "Tatort" in Frankfurt hat es so schwer erwischt, dass immer wieder Zweifel an ihrer Dienstfähigkeit aufkommen. Dann wird sie zur Fortbildung geschickt, zum Psychiater wäre wahrscheinlich angebrachter. Andrea Sawatzki spielt die dünnhäutige Polizistin, die immer noch in ihrem Elternhaus lebt, in dem ihr Kripokollege Dellwo ebenfalls eine Wohnung hat.