Alle Jahre wieder startet RTL im Januar mit einer neuen Staffel "Deutschland sucht den Superstar". Und alle Jahre wieder geht auch das Gemecker los: Bei den Castings ginge es nur darum, sich über schlechte Kandidaten lustig zu machen. Dieter Bohlen sei eh der einzige Juror, der irgendwas zu sagen hat. Und ein "Superstar" wird der Gewinner am Ende ohnehin nicht. Alles richtig. Tatsächlich würde wohl keiner der "DSDS"-Fans irgendwas daran bezweifeln. All das ist Teil des über die Jahre liebgewonnenen Konzepts.

Doch die Sendung vom Dienstag, dem 19. Januar 2021, hat ein neues Rekordquotentief erreicht, wie Meedia berichtet. Nur noch 1,13 Millonen der 14 bis 49-Jährigen schalteten die Glotze ein – trotz des großen Skandals um Michael Wendler. Und das liegt nicht an den altbekannten immer gleichen Kritikpunkten, sondern daran, dass "DSDS" mittlerweile den ultimativen Kardinalsfehler des Trash-TVs begeht: Es ist unerträglich langweilig.

DSDS = Dauerwerbesendung des Senders

Sich über Werbung im Privatfernsehen aufzuregen, ist vermutlich keine allzu neue Erkenntnis. Doch für alles gibt es das richtige Maß – und RTL hat dieses im Falle von "DSDS" vollkommen verloren. Nicht mehr als teilweise nur zwei (!) Kandidaten passen zwischen die Werbeunterbrechungen – so treten pro Sendung teils nur Kandidaten im einstelligen Bereich auf. Und dieser eigentliche Auftritt nimmt dann ein Minimum an Sendezeit ein. Dazwischen gibt es die bekannten ewig langen Vorstellrunden, denen aber mittlerweile jeder Unterhaltungswert fehlt: Berührende Schicksale, tragische Vergangenheiten etc. sucht der Zuschauer vergeblich.

Es stellt sich die Frage: Unterbrechen die Werbepausen noch "Deutschland sucht den Superstar" oder schaut der Zuschauer zwei Stunden lang Werbung, in der zwischendurch mal Dieter Bohlen zu sehen ist? "DSDS" hatte immer ein Problem mit vielen und langen Werbepausen, aber das aktuelle Verhältnis kann man keinem Zuschauer mehr zumuten.

Die Kandidaten: Keine Highlights, keine Tiefpunkte

Das andere große Problem der "DSDS"-Castingfolgen sind die Kandidaten selbst. In früheren Staffeln wechselten sich High- und Lowlights regelmäßig ab. Kult-Kandidaten wie Menderes sangen so schief wie es nur ging, andere Kandidaten waren so unsympathisch und schlecht, dass man sich in bester Manier über sie empören konnte. Trash-TV vom Feinsten eben. Dazwischen gab es dann die guten Sänger, die sehr guten Sänger und die potenziellen Gewinner. Es war eine ständige Mischung aus Fremdscham und guter Musiksendung.

Davon ist längst nichts mehr erkennbar. Wenn ein Kandidat bei "DSDS" mal wirklich viele Töne trifft, wird er als allerletztes in der Ausgabe gezeigt – weil er ein einsamer Höhepunkt ist. Der Rest, den Dieter Bohlen und Jury-Konsorten in den Recall winken, käme bei "The Voice of Germany" nicht mal in die Vorauswahl fürs Casting. Aber auch die Tiefpunkte sind keine mehr: Da so gut wie jeder Kandidat seine Töne versemmelt, bleiben die echten Aufreger aus. Als kürzlich ein Kandidat mit einer Sex-Puppe auftrat, wurde er von der Jury gelangweilt in die Wüste geschickt. Früher waren gerade diese Kandidaten die Attraktion der Show.

Schlimmer noch: Weil der Recall gefüllt werden muss, winkt Bohlen eine junge Frau nach der anderen durch. Gerne mit Sprüchen wie: "Du bist keine große Sängerin, aber siehst hammermäßig aus." Wenn das der mittlerweile fast 67-jährige "Pop-Titan" zu einer 19 Jahre jungen Studentin sagt, will man ihm zuflüstern: "Lass den Flirtversuch bleiben, Dieter. Die hat bestimmt schon einen Opa."

Die Jury: Weggepixelter Wendler noch am interessantesten

Mit der Jury im Allgemeinen lässt sich längst kein Blumentopf mehr gewinnen. Immerhin reagierte der Sender auf die Kritik der letzten Jahre, als mit Oana Nechiti jemand in der Jury saß, die nix vom Singen verstand und nur Performance und Style bewertete. Vier Musiker saßen dieses Mal in der Jury: Neben Dieter Bohlen die Sängerin Maite Kelly, der Jungstar Mike Singer und der nach untragbaren Äußerungen mittlerweile herausgeschnittene Michael Wendler.

Leider sind die Mittel, mit denen Michael Wendler aus der Sendung entfernt wurde (Verpixelungen, Sprechblasen etc.) noch das Witzigste an der Jury. Dieter Bohlen hat seinen Biss verloren, gibt nur noch routinierte Bemerkungen ab und hat auf die miesen Kandidaten keine Lust mehr. Maite Kelly sagt eigentlich meistens gar nichts und hat wenn nur Plattitüden wie "Du hast mich nicht berührt" auf Lager. Und Mike Singer wirkt regelmäßig, als suche er unter den jungen blonden Kandidatinnen nur eine Freundin, aber keinen Superstar.

Liebes RTL-Team: Trash-TV darf lächerlich sein und auch beim Zuschauen manchmal ein wenig weh tun. Eines darf es aber nicht: Langweilen. Mit dieser leider wirklich belanglosen Staffel ist "Deutschland sucht den Superstar" aber genau dort angekommen. Meine Prognose: Der 19. Januar wird nicht der letzte Quotentiefpunkt der Sendung in diesem Jahr gewesen sein.

"Deutschland sucht den Superstar" läuft dienstags und samstags um 20:15 Uhr bei RTL und ist bei TVNOW als Stream verfügbar.