Es gibt Schauspieler, die sind trotz langer und vielseitiger Karriere auf ewig mit einer Rolle verknüpft. Der nach schwerer Krankheit verstorbene Christian Quadflieg (1945-2023) war so ein Schauspieler, denn man kann ihn nicht sehen oder erwähnen, ohne an die ZDF-Serie "Der Landarzt" zu denken. Zu sehr ging er mit dieser Rolle ins kollektive Gedächtnis der Bundesrepublik ein. Als seine Figur damals 1992 den Fernsehtod starb, war das ein nationales Gesprächsthema.

Quadflieg hatte aber noch viele andere Erfolge, ob nun in der Serie "Das Mädchen aus dem Weltraum", im ZDF-Vierteiler "Des Christoffel von Grimmelshausen abenteuerlicher Simplizissimus" oder als Synchronsprecher (u.a. lieh er Dean Stockwell im gefeierten Klassiker "Paris, Texas" seine markante Stimme). Vor allem mit einer Rolle wird man ihn abseits vom "Landarzt" aber immer in Verbindung bringen: 1977 war er in "Tatort: Reifezeugnis" zu sehen, eine der legendärsten und meistwiederholten Folgen der ARD-Krimireihe aller Zeiten.

Skandal-"Tatort: Reifezeugnis" brachte viele Stars hervor

"Tatort: Reifezeugnis" wurde vor allem aufgrund seiner skandalösen Handlung bekannt: Im Mittelpunkt steht die siebzehnjährige Schülerin Sina Wolf (Nastassja Kinski), die eine geheime sexuelle Beziehung mit ihrem Gymnasiallehrer Helmut Fichte (Christian Quadflieg) hat. Ihr Mitschüler und offensiver Verehrer, Michael Harms (Markus Boysen), findet das heraus, und erpresst Sina erst, versucht später sogar, sie zu vergewaltigen. Dabei wehrt Sina sich mit aller Kraft und erschlägt Michael mit einem Stein. Als Kommissar Finke (Klaus Schwarzkopf) die Ermittlungen beginnt, stellt Sina die Tatsachen anders da: Michael habe sie vor einem Vergewaltiger beschützen wollen und sei von diesem erschlagen worden.

Der "Tatort" erregte wegen seines Themas und seiner – für sein Erscheinungsjahr – expliziten Nacktheit viel Aufsehen und ist bis heute eine der bekanntesten Ausgaben der Reihe. Kein Wunder also, dass mehrere der Mitwirkenden durch ihn sehr bekannt wurden. Christian Quadflieg war nach diesem Film jedem ein Begriff, noch berühmter wurde aber die zur Zeit der Dreharbeiten noch 15-jährige Nastassja Kinski, die später den Sprung nach Hollywood machte. Und auch der Regisseur des düsteren "Tatort"-Films wurde später in Hollywood groß: Wolfgang Petersen, er inszenierte im weiteren Verlauf seiner Karriere u.a. "Das Boot", "Die unendliche Geschichte", "In the Line of Fire", "Air Force One" und "Troja".

Noch heute wird "Tatort: Reifezeugnis" häufig im TV wiederholt, neben einigen Ausgaben mit Götz George als "Schimanski" ist es einer der wichtigsten Klassiker der Krimi-Instanz im Ersten. Dem Skandal um seine Thematik alleine verdankt er das nicht: Petersen gelang mit "Reifezeugnis" eine psychologisch raffinierte Milieustudie, deren Krimi-Aufhänger nur zweckdienlich ist. Stattdessen wurde kräftig am konservativen Werteverständnis der Nachkriegszeit gerüttelt – und insbesondere die schauspielerischen Top-Leistungen von Nastassja Kinski und Christian Quadflieg blieben immerhin fast fünfzig Jahre lang wohlverdient im Gedächtnis.