Immer wenn Thomas Kinne aus dem rot-schwarzen Korridor bei der ARD-Quizshow "Gefragt – Gejagt" tritt, fühlt man sich als Zuschauer in seine Schulzeit zurückversetzt. Mit den neckischen Hals- und Einstecktüchern, der schmalen rechteckigen Brille und dem dünn-geschnittenen Bart in Kombination mit den grau-weißen Haaren, deren Ansatz weit nach hinten gedrängt wurde, erinnert der Jäger sehr stark an einen Lehrer.
"Meine Schwester hat schon gesagt, dass ich in meiner Aufmachung aussehe wie ein Geschichtslehrer," verriet Kinne in einem Interview mit der Rhein-Zeitung. Doch diese Assoziation sei falsch, wie er weitererzählt: "Wir Jäger werden ja alle in ein Kostüm gesteckt – ein Halstuch würde ich privat nie tragen und den Bart habe ich auch nur, solange wir aufzeichnen."
Wie tickt Thomas Kinne also privat?
Thomas Kinne: Der "Klassenclown", der zum Sprachgenie wurde
Geboren wurde Thomas Kinne 1961 in Rheinland-Pfalz. Über seine Schulzeit erzählt Kinne in einem Interview auf dem YouTube-Kanal "Circle Quiz": "Ich war eher der Klassenclown als der Klassenbeste." Kaum zu glauben: Denn bereits mit vier Jahren konnte er lesen. Und da sich der junge Thomas Kinne in der Schule beim Deutschunterricht langweilte, lernte er währenddessen mit einem Buch, das ihm seine Lehrerin gab, in der letzten Reihe Englisch. So begann eine Leidenschaft, die sein ganzes Leben bestimmen wird.
Nach seinem Abitur in Neuwied und dem Wehrdienst, studierte er an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und an der San Francisco State University Amerikanistik, Anglistik, Hispanistik, Journalistik und Film. 1994 promovierte Kinne schließlich magna cum laude. In seiner Dissertation schrieb er auf über 600 Seiten über die Elemente jüdischer Tradition im Werk des US-amerikanischen Filmemachers Woody Allen.
Man merkt: Sprachen und das bewegte Bild sind Dr. Thomas Kinnes Ding – oder eher seine Berufung. Denn schlau wie der "Quizdoktor" ist, kombinierte er seine beiden Leidenschaften und baute sich daraus eine beeindruckende Karriere: Bereits während seines Studiums arbeitete Kinne als Übersetzer und Redakteur für diverse TV-Sender und -Produktionsfirmen. Er übersetzte die Drehbücher von US-Serien wie der beliebten Sitcom "Cheers" und der erfolgreichen Polizei-Serie "Polizeirevier Hill Street" ins Deutsche. Umgekehrt tat er dies auch für Exportversionen deutscher Serien ("Küstenwache", "Unser Charly"), Filme und Dokumentationsreihen ("Terra X"), die er mit seinen Übersetzungen für ein englischsprachiges Publikum zugängig machte.
Nach seinem Studium arbeitete Thomas Kinne zunächst beim Fremdenverkehrsamt der Seychellen und im Bereich des Tourismus-Marketings, bevor er sich ab Mitte der 1990er Jahre als Übersetzer fürs Fernsehen und für Sachbücher aus den Bereichen Film und Comic selbstständig machte. Nebenher schreibt und bearbeitet er auch Reiseführer über die Seychellen und Bildbände. Erst 2020 erschien sein Buch "Dr. Kinnes Sprechstunde: Gedanken über Sprache, Menschen und die Welt", in dem er von Allgemeinwissen bis über kurioses Fakten gesammelt hat.
Neben einem Emmy für den ZDF-Film "Das Drama von Dresden" 2006 als beste Dokumentation wurde auch seine Arbeit an dem Band "75 Years of DC Comics" wurde er auch 2011 mit dem renommierten Eisner Award ausgezeichnet.
Eine lange Quiz-Karriere: Vom Kandidaten zum Jäger
Thomas Kinnes Begeisterung fürs Quizzen hat er – wie soll es auch anders sein – dem Fernsehen zu verdanken: "Begonnen habe ich wie die meisten als Zuschauer. Schon zu Schwarz-Weiß-Zeiten gab es Quiz-Sendungen im Fernsehen. Auch wenn das alles noch etwas steifer ablief als heute. Und bereits als Kind hatte ich Interesse daran," wie er im Gespräch mit "Circle Quiz" erzählt. Während seiner Zeit an der Universität ging er dann den nächsten Schritt und folgte einem Casting-Aufruf am Schwarzen Brett für eine Quiz-Sendung im Fernsehen. Und so begann eine TV-Karriere, die seit über 25 Jahren anhält.
Nach seinem ersten Fernsehauftritt im Jahr 1991 in der Gameshow "Riskant!" (dem damals deutschen Äquivalent zum US-amerikanischen "Jeopardy!") ging es für Thomas Kinne steil bergauf. Noch im selben Jahr erkämpfte er bei "TicTacToe" die Höchstzahl an Siegen (drei Siege in drei Folgen) und schied ungeschlagen aus. 1995 schaffte Kinne es beim ersten "Champions Cup" ins Halbfinale, bevor er als erster Deutscher sein Land beim internationalen "Jeopardy!"-Turnier vertreten durfte und dort ebenfalls ins Halbfinale kam. Bei der Sat.1-Quizshow "Jeder gegen jeden" erreichte er ein paar Monate später mit zwei anderen das Finale.
Nach einer längeren Pause trat Kinne 2015 bei "Gefragt – Gejagt" gegen seinen späteren Jäger-Kollegen Sebastian Jacoby an und erspielte in der ersten Runde die Rekordsummer von 6.000 Euro. Im Finale siegten er und sein Team und gewannen 37.500 Euro.
2017 setzte er sich dann bei "Der Quiz-Champion" gegen die Experten Michael Herbig (Film und Fernsehen), Franziska von Almsick (Sport), Axel Milberg (Sprache und Literatur), Wigald Boning (Erdkunde) und Guido Knopp (Zeitgeschichte) im Duell durch und gewann 100.000 Euro. 2018 hat der ewige Kandidat Thomas Kinne schließlich die Seiten gewechselt und wurde als "Der Quizdoktor" einer der Jäger bei "Gefragt – Gejagt".
Thomas Kinne: "Selbst heute lerne ich noch jeden Tag dazu"
In die Gruppe der Jäger hat sich der Jäger hat er sich inzwischen gut integriert. Unter ihnen ist er fast sowas wie ein Paradiesvogel, da er als einziger nicht Mitglied im Deutschen Quiz-Verein ist und auch sonst an keinen nationalen oder internationalen Wettbewerben teilnimmt.
Sein großes Wissen hat er dabei vor allem seinem Beruf als Übersetzer zu verdanken, wie er gegenüber der Rhein-Zeitung verrät: "Ich bin bereits mit einer Neugier auf die Welt gekommen und habe alles Interessante aufgesogen und abgespeichert. Außerdem schnappe ich durch meine Arbeit als Übersetzer viel auf, da ich mich mit unterschiedlichsten Themen beschäftigen muss. Letztlich ist die Vorbereitung auf das Quiz das Leben."
In einer Interviewrunde bei "3nach9" geht Kinne tiefer darauf ein, wie er sich denn auf die ganzen Quizshows vorbereitet: "Schon Seneca hat gesagt: 'Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir.' Wir lernen fürs Leben, aber auch vom Leben, indem wir mit offenen Augen durch die Welt gehen." Doch selbst jemand wie Thomas Kinne hat eine Schwachstelle: Fußball. Dem Sport könne er einfach nichts abgewinnen, wie er schon in mehreren Interviews verraten hat.
Abseits der Kamera kann er ein weiteres nerdiges Hobby sein Eigen nennen: Er hat eine der weltweit umfangreichsten Sammlungen von Bänden der Asterix-Comicreihe. Er besitzt über 1.300 Exemplare in über 130 Sprachen und Dialekten.
Am Ende des Tages ist Thomas Kinne trotz seines Auftretens bei "Gefragt – Gejagt" also doch kein strenger Geschichtslehrer, sondern ein Quiz-Gigant, Sprachgenie und Familienvater. Dazu gibt es auch passend zu Kinnes Leidenschaft für Bücher einen Spruch: "Don't judge a book by its cover."