In den letzten Jahren sind große Serien-Phänomene über mehrere Staffeln immer seltener geworden. Netflix landet teilweise Überraschungshits mit Formaten wie "Squid Game" oder erst jüngst "The Night Agent", aber das eine Serie über Jahre hinweg Gesprächsthema ist, kommt selten vor. Seit dem Ende von "Game of Thrones" im Jahr 2019 gäbe es in dieser Größendimension eigentlich nur noch "Better Call Saul" und natürlich "Stranger Things" zu nennen.
Doch zumindest in den USA gibt es noch eine weitere Serie, die seit Jahren Bestenlisten dominiert, Erfolge bricht und regelmäßig bereits zu den besten Serien aller Zeiten gezählt wird: "Succession". In Deutschland mag der große Hype ausgeblieben sein, doch Serienfans hierzulande freuen sich dennoch, dass seit dem 11. April 2023 die vierte und letzte Staffel der Serie synchronisiert gestartet ist – zu streamen bei WOW und Sky. Aber warum ist "Succession" so ein Hit? Was zeichnet die Serie aus, die so vielfach ausgezeichnet wurde?
"Succession" zeigt Familiendrama in der Hochfinanz
Er gehört zu den reichsten Männern der Welt: Logan Roy (Brian Cox) ist der strenge Patriarch eines der erfolgreichsten Medien- und Unterhaltungskonglomerats der Welt. Doch er ist alt geworden und seine Gesundheit schwindet. Schnell bricht ein Machtstreit unter seinen vier Kindern um die Erbfolge aus. Der älteste Sohn Connor (Alan Ruck) ist von der Familie längst entfremdet, der machthungrige Kendall (Jeremy Strong) kämpft mit seiner Suchtvergangenheit und liegt ständig im Clinch mit seinem jüngeren Bruder Roman (Kieran Culkin), während Siobhan (Sarah Snook), die Jüngste im Bunde, durch ihre linkspolitische Arbeit oft direkt gegen die eigene Familie integriert hat. Dennoch will auch sie die drohende Zukunft ohne den superreichen Papa mitgestalten und verlässt sich auf die Mithilfe ihres Verlobten Tom (Matthew Macfadyen), der natürlich längst eigene Ambitionen verfolgt.
"Succession" heißt ins Deutsche übersetzt "Erbfolge" – und genau darum geht es in der Hit-Serie. Autor Jesse Armstrong hat sich für die fiktive Roy-Familie eindeutig bei Medienmogulen wie Rupert Murdoch und Robert Maxwell bedient, doch im Kern ist "Succession" die moderne Version alter Dramen von William Shakespeare, insbesondere von seinem "König Lear". Auch in diesem geht es um einen alten König und die Frage, welches seiner Kinder sein Erbe annehmen wird. "König Lear" inspirierte einige große Geschichten der Film- und Seriengeschichte, so etwa das Mafiafilm-Epos "Der Pate" oder das 90s-Drama "Tausend Morgen". "Succession" teilt mit all ihnen Gemeinsamkeiten, ersetzt aber den Königshof von Shakespeare durch die Welt der Hochfinanz und Börsenspekulanten. Und dadurch ist "Succession" nicht bloß ein packendes Familiendrama, sondern auch bissige Gesellschaftskritik.
"Succession" ist eine Serie, die ihr Publikum beherrscht
Dieser Mischung wegen dürfte "Succession" zu den Serien gehören, die die meisten Preise überhaupt gewinnen konnten, sie längst als eine der besten Serien aller Zeiten gilt. Jesse Armstrong hält mit diesem Format einer ganzen Zuschauergruppe den Spiegel vor. Einerseits ist es nämlich sehr unterhaltsam, mitanzusehen, wie diese Superreichen für noch mehr Geld und Macht sich gegenseitig an den Kragen gehen und gegeneinander integrieren. Andererseits erwischt man sich dank der emotionalen Geschichten und der schlicht sensationellen Schauspieler (allen voran die mehrfach prämierten Brian Cox und Matthew Macfadyen) regelmäßig dabei, mit diesen Figuren mitzufiebern und zu fühlen – obwohl ihre Taten eigentlich jedes Mitgefühl ausschließen sollten. "Succession" entführt in eine Welt, in der Empathie zur Ware geworden ist und manipuliert selbst die eigenen Zuschauer, für eigentliche Umsympathen Sympathien zu entwickeln.
Dadurch ist "Succession" eine höchst ambivalente Seherfahrung, bei der man als Zuschauer ständig mit den eigenen Emotionen kämpft. Dank hervorragender Situationskomik gibt es oft schallendes Gelächter, an anderen Stellen schießen plötzlich die Tränen hervor. Sympathien und Zuneigungen springen von Szene zu Szene zwischen den Figuren hin und her. Offenbar trifft Armstrong damit einen Nerv, denn auch andere US-Serien feiern mit ähnlichen Ansätzen Erfolge. Das Format "Yellowstone" spielt statt in der Hochfinanz zwar auf einer Farm in den Mittelstaaten, ist ansonsten aber sehr ähnlich aufgebaut. Und auch die HBO-Produktion "The White Lotus" brillierte durch den Ansatz, Zuschauer durch klug arrangierte Dramen mit Figuren fühlen zu lassen, die eigentlich keine Empathie verdienen.
Für einige Stimmen der US-Serienkritik ist "Succession" die vielleicht letzte große Serie des sogenannten goldenen TV-Zeitalters. Jetzt muss die Serie nur noch die Landung schaffen. Staffel 4 ist in den USA bereits mit etwas Vorsprung gestartet, seit dem 11. April erscheinen bei WOW / Sky auch in Deutschland die letzten Folgen im Wochenrhythmus.