Sie bringen uns zum Lachen und Weinen, wir gucken sie mit Freunden oder alleine: Gute Serien bewegen uns. Manchmal wachsen diese aber auch über sich hinaus und schaffen es Menschen das Leben zu retten: Zum Beispiel indem sie Zuschauern die Augen für ein Problem öffnen, einem Arzt durch Zufall bei einer schwierigen Diagnose helfen oder einem depressiven Mann zu wichtigen Freunden verhelfen. Hier sind fünf Beispiele für Serien, die Menschen das Leben gerettet haben.
Gilmore Girls
Lauren Antonoff schreibt in ihrem sehr persönlichen Bericht für den US-Radiosender 91.5 KRCC in South Colorado darüber, wie die Serie "Gilmore Girls" ihr das Leben gerettet hat. Die Serie dreht sich um die alleinerziehende Lorelai Gilmore, ihre Tochter Rory und wie diese erst in einer amerikanischen Kleinstadt aufwächst, erwachsen wird und später aufs College geht.
Antonoff beschreibt in welchem Zustand sie war, als sie die Wohlfühlserie entdeckte: Ihr Sohn war vor Kurzem gestorben und sie zog daraufhin zu ihrer Mutter und ihren Schwestern, weil sie in der Stadt, die sie so stark mit dem Kindstod assoziierte, nicht mehr leben wollte. Allerdings hatte auch eine ihrer Schwestern ein Jahr zuvor ein Kind verloren und die andere litt an Demenz. Ihrer Therapeutin gegenüber beschrieb sie, wie leer und emotionslos sie sich gefühlt hat, als diese ihr rät sich etwas zu suchen, das sie wieder zum Weinen und Lachen bringt. "Gilmore Girls" entdeckte Antonoff durch Zufall. Sie begeisterte sich schnell dafür, was die Stärken der Serie sind: die kleinen emotionalen Momente, in denen die Figuren mehr sind als nur Lieferanten für den nächsten Gag, von denen die Serie zum Glück auch einige zu bieten hat. Die Streitereien zwischen Mutter und Tochter berührten sie genauso wie der Tod der Nachbarskatze. Erlebt als ihre eigene Geschichte und gleichzeitig ist die Serie so universal, dass niemand in tiefer Trauer sein muss, um "Gilmore Girls" zu verstehen. Stück für Stück erlangte sie ihren Zugang zu ihren Gefühlen wieder. Und so, schreibt Antonoff, hat "Gilmore Girls" ihr das Leben gerettet.
Die Serie "Gilmore Girls" ist aktuell auf sixx zu sehen.
Star Trek
Ryan Riddle hatte viel von dem, was glücklich macht: einen guten Job und ein Zuhause in San Francisco. Vor allem die Stadt mit ihrer hochliberalen Einstellung sollte für den homosexuellen Riddle ein Traumort sein. Allerdings verlor er den Job aufgrund einer Depression, die eine Mischung aus Kindheitstrauma und nicht zu bewältigenden Ansprüchen an sich selbst ausgelöst habe. Dabei habe er ein tolles Verhältnis zu seinen Eltern gehabt, wie er schreibt, aber mit dem Verlust des Jobs verlor er auch die Kontrolle über sich selbst, hinzu kam noch eine schwere Krankheit seiner Mutter. Gefangen im Strudel der Depression fing er an Crystal Meth zu nehmen, erst ab und zu wegen der aufheiternden Wirkung, später wurde daraus eine brutale Abhängigkeit, aus der er dank einer ganz bestimmten Serie schließlich wieder herausfand: die Sci-fi-Serie "Star Trek".
Schon als seine Mutter mit ihm schwanger war, das erzählte sie Riddle zumindest, hat sie schon "Star Trek" geschaut, bereits als kleiner Junge war er auf Conventions verkleidet. Und immer dabei: ein Stoffabzeichen der Sternenflotte, das ihn an den Mann erinnern sollte, der er ursprünglich einmal hatte werden wollen. Nach etlichen Versuchen aufzuhören und seine Depression zu überwinden, beschloss Riddle aufzugeben."Ich hatte einen Punkt in meinem Leben erreicht, an dem ich nicht mehr weitermachen wollte." Eine Überdosis brachte ihn ins Krankenhaus. Dass er sich damit umbringen wollte, verschwieg er den Ärzten, die ihn retteten. Nach seinem Klinik-Aufenthalt entdeckte ihn einer seiner engsten Freunde auf der Straße, den er durch ein "Star Trek"-Forum kennengelernt hatte. Zusammen mit einem dritten "Trekkie" waren sie ein fast unzertrennliches Team.
Diese beiden halfen Riddle wieder auf die Füße und schickten ihn in seine Heimatstadt San Diego zum Entzug. Aber es waren nicht nur die Freunde, auch die Botschaften von "Star Trek" dienten Riddle als roter Faden zurück ins Leben. In seinem Blogeintrag auf startrek.com schreibt er: "Es war nicht immer einfach. Ich habe Fehler gemacht und werde weiterhin welche machen, so wie wir alle. Aber am Ende, wie Captain Kirk einmal sagte, sind wir alle nur Menschen." Er braucht seine "Star Trek"-Familie wie Riddle es nennt, weil es keiner alleine schafft.
Dr. House
Eine absolute Horror-Vorstellung: Unsägliche Schmerzen, fast blind und taub, aber kein Arzt kann dir helfen. So erging es, laut dem Fachmagazin The Lancet, einem deutschen Patienten 2012, der einfach nicht wusste, was ihm fehlt. Schließlich ließ er sich in das Zentrum für unerkannte Krankheiten in Marburg einliefern. Sein behandelnder Arzt Professor Jürgen Schäfer arbeitet mit seinem Team an einer Diagnose, aber kann nichts finden, bis sie auf eine Operation stoßen, bei der dem Patienten zwei neue Hüftgelenke eingesetzt worden waren. Schäfer erinnert sich direkt an eine Folge "Dr. House", in der eine Frau eine Kobaltvergiftung durch ihre künstliche Hüfte bekam – mit ähnlichen Symptomen wie der deutsche Patient.
Schäfer sollte recht behalten: Eine frühere Keramikhüfte war bei dem Patienten kaputtgegangen und trotz gewissenhafter Operation waren beim Einsetzen eines neuen Hüftgelenks offenbar nicht alle Reste des alten Implantats entfernt worden. Nach der Operation ging es dem Mann Schritt für Schritt besser und das alles dank des mürrischen Dr. House (Hugh Laurie), der in der Serie für seine abenteuerlichen Diagnosen bekannt ist.
Wer sich das nicht entgehen lassen will: "Dr. House" ist momentan bei Nitro und auf TVNOW zu sehen.
Grey's Anatomy
Eigentlich rettet die Ärztin Meredith Grey nur in der fiktionalen Serie Menschen das Leben, im Fall der jungen Frau Olivia Vessillo wurde aus "Grey's Anatomy" aber quasi Realität. Die junge Frau litt schon seit Jahren an extremen Magenschmerzen. Dadurch, dass sie so fast nichts essen konnte, nahm sie stark ab und hatte irgendwann lebensgefährliches Untergewicht. Die Ärzte konnten keine Krankheit feststellen und diagnostizierten schließlich ein psychisches Problem.
Eines Tages sah Vessillo eine Folge von "Grey's Anatomy": "Es war Staffel 15, Folge fünf. Ich hatte noch nie von MALS gehört, bis ich diese Episode gesehen hatte", erzählte sie dem britischen Magazin Metro. Die Krankheit, zu deutsch Truncus-coeliacus-Kompressionssyndrom, ist eine verklemmte Aterie, die die Blutzufuhr behindert. Sie wurde operiert und konnte wieder normal essen, was ihr das Leben rettete.
Wer den Ärzten von "Grey's Anatomy" ebenfalls beim Heilen von Krankheiten zuschauen will, kann das derzeit auf ProSieben und dem Streamingdienst Joyn tun.
Neon Genesis Evangelion
Eine Anime-Serie, in der Jugendliche riesige Kampfroboter steuern, um gegen Monster namens "Engel" zu kämpfen als Lebensretter? Klingt erstmal weniger einleuchtend als vielleicht Medizinserien wie "Dr. House" oder Fan-Giganten wie "Star Trek", aber genauso ist es passiert. In einem Artikel der Washington Post von 2019 beschreibt Autor Gene Park wie ihm der gefeierte, japanische Serienklassiker dabei half zu erkennen, dass er krank war.
1997 kam Park das erste Mal mit der Serie in Berührung, damals gab es noch keinen gesellschaftlichen Konsens über Depression als Krankheit, vor allem nicht, so schreibt er, unter asiatischen US-Amerikanern. In der Hauptfigur von "Neon Genesis Evangelion" erkannte sich Park aber plötzlich wieder: Der Held Shinji Ikari rettet die Welt und wird dafür gefeiert, aber spürt trotzdem eine innere Leere, die ihm zusetzte, sobald er für sich allein ist. "Sie feiern mich, aber ich bin nicht glücklich", sagt Shinji und Park versteht sofort, was er meint. Obwohl er sich verstanden fühlt, reicht es nicht, um sich helfen zu lassen, was damals noch viel schwieriger war, als es heute ist. 1999 versucht er das erste Mal sich umzubringen, er kommt in eine psychiatrische Anstalt, wird dort kurzzeitig behandelt und wieder entlassen, ohne dass sich an seiner Traurigkeit etwas ändern würde. 19 Jahre lebt er mit Alkoholismus und anderen Abhängigkeiten bis er sich schließlich 2017 in Therapie begibt. Dass er in dieser Zeit nicht gestorben ist, grenzt an ein Wunder. Er versteht sich selbst jetzt besser, schreibt Park in dem Bericht, genau wie Hideaki Anno, Schöpfer der Serie, als dieser auf seine Jugend zurückblickt, während der auch er mit Depressionen zu kämpfen hatte: das Thema der Serie. "Jeder hat das Recht zu existieren", schreibt Park. Schön, dass er noch die Chance hatte, sich dafür zu entscheiden.