Der folgende Text gibt die persönliche Meinung eines einzelnen Autors wieder und steht deshalb nicht repräsentativ für TV SPIELFILM.
Die Serie "The Handmaid's Tale" ist 2017 erstmals an den Start gegangen und hat in den USA sofort für Furore gesorgt. Die Kritiker waren begeistert und die erste Staffel wurde mit Preisen nur so überhäuft. Auch die zweite Staffel kam sehr gut an und mittlerweile steht nun auch die dritte Runde für die deutsche Auswertung in den Startlöchern. Diese wird wie gehabt zunächst einmal exklusiv bei MagentaTV der Telekom ab dem heutigen 5. September 2019 über die Bühne gehen. Fans und alle, die es werden wollen, können sich schon mal auf ein echtes Serien-Highlight freuen: Die neue Staffel "The Handmaid's Tale" hält das aus den vorherigen Runden gewohnte hohe Niveau und bietet spannende Unterhaltung.
The Handmaid's Tale: Darum geht's
Handwerkliche Glanzleistung
Die ersten beiden Staffeln von "The Handmaid's Tale" sind formal eine absolute Augenweide und die inszenatorische Brillanz setzt sich auch in der neuen Runde nahtlos fort: Die Farbpalette der edlen Bilder wird konsequent beibehalten und auch die stimmig durch Fenster einfallenden Sonnenstrahlen haben sich als visuelles Markenzeichen etabliert und dürfen nicht fehlen. Erneut verwöhnen zudem interessante Positionierungen der Figuren im Bildrahmen und kreative Winkel die Augen aller Liebhaber visuellen Einfallsreichtums. Freunde des filmischen Handwerks sollten schon längst die Serie auf dem Schirm haben und falls nicht, dann ist es jetzt an der Zeit.
Neue Einblicke
Erzählerisch werden der Welt von Gilead und den Auswirkungen des Lebens darin erneut einige neue Aspekte abgewonnen: In der ersten Staffelhälfte ist vor allem Emilys Wiedereingliederung in eine friedliche Gesellschaft spannend zu verfolgen. Zwar konnte man schon in der ersten Staffel Luke (O.T. Fagbenle) und Moira (Samira Wiley) dabei zusehen, doch die Beleuchtung der Wiedervereinigung einer ehemaligen Handmaid mit ihrer Lebensgefährtin nach mehreren Jahren gab es, besonders in dieser emotionalen Dimension, noch nicht. Dabei darf erneut Alexis Bledel ihr Können voll unter Beweis stellen, ihre Szenen mit ihrem leiblichen Sohn, den sie nach langer Zeit wiedersieht, sind dank ihrer Darbietung wirklich rührend.
Auch über Aunt Lydia (Ann Dowd) erfährt man eine ganze Menge Neues über ihr altes Leben vor Gilead. In einer Episode werden ihr in Rückblenden, wie sie schon zu anderen Figuren zuvor gezeigt wurden, neue Facetten abgewonnen. Darüber hinaus werden Motivation und Handeln in der erzählerischen Gegenwart stärker herausgearbeitet. Besonders an ihr zeigt sich dabei die Existenz verschiedener, moralischer Wertesysteme: Aunt Lydia agiert innerhalb des Systems Gilead mitunter grausam und brutal. Zugleich aber wirkt ihre Sorge gegenüber den Mädchen zutiefst aufrichtig. So darf sie erschreckende wie mitfühlende Momente erleben, die es schwer machen, sie zu mögen als auch zu verteufeln. Richtig oder falsch hängt immer noch vom Betrachtungswinkel ab und Ann Dowds Leistung bringt diesen komplizierten Sachverhalt für den Zuschauer perfekt auf den Punkt.
Neue Informationen erhält man auch über den geheim organisierten Widerstand Mayday. Insbesondere das Vorgehen und die Kommunikation der Marthas kommen durch die Geschichte oft sehr zur Geltung. Commander Lawrence (Bradley Whitford) und seine Frau Eleanor (Julie Dretzin) spielen ebenfalls wichtige Rollen.
Die Welt wird größer und kleiner zugleich
Doch wo erzählerisch etwas hinzukommt, muss an anderer Stelle auch wieder etwas weichen. Zwar wird im Verlauf der Staffel mit Washington ein neuer Handlungsschauplatz eingeführt, dafür muss man auf einen erneuten Ausflug zu den Kolonien verzichten. Wie schon in der ersten Staffel wird lediglich über sie gesprochen.
Zudem rücken einige zuvor sehr wichtige Figuren stärker in den Hintergrund: Janine (Madeline Brewer) bekommt bei weitem nicht mehr so viel Screentime wie noch vorher spendiert, obwohl sie nach wie vor ein enges Verhältnis zu June pflegt. Auch der stoische Nick (Max Minghella) ist nur noch selten zu sehen. Zwar erfährt man über Junes Liebhaber in Gilead ein erschreckend neues Detail, doch wird nicht näher darauf eingegangen. Es ist davon auszugehen, dass das in der bereits bestätigten vierten Staffel noch eine Rolle spielen wird. Falls nicht, wäre es eine erzählerische Verschwendung. Fans dieser Figuren könnten jedenfalls enttäuscht sein, dass es nun weniger von einigen ihrer Lieblinge zu sehen gibt.
Moss & Strahovski: Schauspielerische Meisterklasse
Wieder einmal sind sowohl June selbst als auch ihre sich stets im Wandel befindliche Beziehung zu Serena einige der ganz zentralen Elemente, so auch in der dritten Staffel "The Handmaid's Tale". Beide Frauen machen sowohl unabhängig voneinander als auch gemeinsam weitere interessante Entwicklungen durch und auch wenn es sich mittlerweile etwas repetitiv anfühlen mag – sie verstehen sich, feinden sich wieder an -, so machen sich doch langfristige Veränderungen innerhalb dieser einzigartigen Dynamik bemerkbar.
Dabei scheinen sie auf insgesamt zwei entgegensetzten Pfaden zu wandeln: Während Serena Joy insgesamt immer gemäßigter wird, auch im Umgang mit June, wachsen in der wiederum immer mehr der Zorn und der Drang, aktiv etwas gegen Gilead zu unternehmen. Wieder einmal gehen Moss und Strahovski phänomenal in ihren Rollen auf, diese Beziehung zwischen Respekt, Beinahe-Freundschaft und blankem Hass kann nur durch sie wirklich gut zur Geltung kommen.
Es muss sich etwas ändern!
Erzählerisch müssen die Macher von "The Handmaid's Tale" aber nun aufpassen, dass sie sich nicht verzetteln. Im Grunde genommen endet die dritte Staffel ähnlich wie die zweite, nur in einem etwas anderen Maßstab. Und zugegeben, der Cliffhanger ist schon gemein. Doch frischer Wind täte der Serie insgesamt ganz gut. Über die 13 Episoden verteilt machen sich aber einige Längen bemerkbar, die ich so noch nicht bei den vorherigen Runden gespürt habe.
Die neunte Folge "Heroic" fühlt sich sogar erstmals ein wenig wie Füllmaterial an: Zwar ist es durchaus interessant, dass die Folge zu großen Teilen nur aus Großaufnahmen von Moss‘ Gesicht besteht, aber trotz des inhaltlichen Ertrags, der am Ende dabei herauskommt, fühlt sich der Weg dorthin leider doch zu zäh an. Ein überraschendes Ereignis gegen Ende der Folge bleibt ohne Konsequenzen und wird lediglich später kurz erwähnt, was dramaturgisch wie eine vertane Chance anmutet.
Das tut der Staffel insgesamt keinen großen Abbruch. Dennoch: Die Handlungsoptionen scheinen am Ende für viele Figuren sehr begrenzt und die Gefahr der Wiederholung muss unbedingt vermieden werden. "The Handmaid's Tale" ist immer noch eine exzellente Serie, doch die dritte Season entlässt den Zuschauer mit der latenten Sorge, dass sich das bald ändern könnte.
Fazit: Die dritte Staffel "The Handmaid's Tale" bietet Fernsehen allerhöchster Güteklasse, allerdings mit einem ersten Anflug von kleinen Ermüdungserscheinungen.