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Netflix-Serie "The Politician": So gut ist die Satire vom "Glee"-Macher

The Politician auf Netflix
Die Satire "The Politician" bringt den Murphy-Effekt zu Netflix: serielle Exzentrik gepaart mit Akkuratesse Netflix/PR/Montage

Die erste Netflix-Serie von Ryan Murphy unterstreicht nach Erfolgen wie "Glee", "American Horror Story" oder "Pose" einmal mehr seine Besonderheit. Hauptrollen für Gwyneth Paltrow und Jessica Lange in "The Politician" wären dafür gar nicht nötig gewesen.

Netflix lässt sich die Dienste des Serien-Masterminds Ryan Murphy eine Menge Kleingeld kosten: Für 300 Millionen Dollar produziert er mit seinem langjährigen Co-Showrunner Brad Falchuk potentielle Hits für den Streamingdienst. Nun ist seine erste Serie fertig und, wie soll es auch anders sein, sie ist ein echter Murphy.

Der Highschool-Look aus "Glee", die schillernde High-Society in prunkvollen Palästen wie bei "American Crime Story: Der Mord an Gianni Versace". Nachdem Murphy mit "Pose" einen offensichtlichen Seitenhieb auf Donald Trump landete, führt er nun seine ganz eigene Art der politischen Bewältigungstherapie fort. "The Politician" ist an der Oberfläche eine Highschoolserie, doch darunter legt Murphy die Abgründe des US-Wahlkampfes offen.

 

Alle Facetten politischer Klüngelei

Für diese Parabel braucht es einen Vollblutpolitiker. Payton Hobart (Ben Platt), ein Schüler aus der reicheren Ecke Kaliforniens, will unter allen Umständen Schulsprecher werden. Mit dieser Ausgangslage schreit die Netflix-Serie dem Zuschauer entgegen: Lasset die Machtspielchen beginnen! Denn: Payton denkt wie ein echter Politiker, redet wie ein echter Politiker und hat ein Wahlkampfteam wie ein echter Politiker. Er wägt jeden seiner Schritte auf dem Weg zur Highschool-Präsidentschaft besonnen ab, formuliert seine Wahlkampfreden auf dem Campus intelligent und pointiert. Daneben werden die intriganten Züge sichtbar: Wenn Payton mit seiner Freundin vortäuscht, sie sei ihm fremdgegangen, passiert dies nur zum Zwecke einer Mitleidstour. Für den Sieg braucht es Stimmen, koste es, was es wolle.

Korruption im großen Stil sehen wir in "The Politician" nicht und auch sonst ist die Serie kein verstecktes "House of Cards" mit Campus statt Weißem Haus - selbst wenn die Konkurrentin Astrid (Lucy Boynton) am Ende ebenfalls weiblich und blond ist. Doch wenn Payton mit seiner Ambition aufgenommen zu werden, auf das Komitee der weltberühmten Havard-University zugeht, spielt Geld eine wichtige Rolle. Auch eine weiß-dominierte Führungselite wird von Murphy subtil kritisiert, als es im Laufe des Wahlkampfes um die Kandidatur der Vize-Präsidentschaft geht.

"The Politician" ist immer dann am stärksten, wenn es seinen politischen Kern nach außen kehrt und institutionelle Machtkämpfe überspitzt. Wie in Folge fünf der Serie, die trotz der mit 28 Minuten geringsten Laufzeit die größte Wirkung erzielt. Die Episode "Der Wähler" zeigt beispielhaft einen Typus im Wahlkampf, der vor Wahlen stets zur entscheidenden Stimme hochstilisiert wird: der Unentschlossene. Wie die Macher einen Jungen, der eigentlich den ganzen Tag lang nur in Ruhe mastubieren will, durch den Wahltag begleiten, ist vorzügliche Satire. Und wie es gute Satire nun mal machen sollte, offenbart sich in "Der Wähler" auch ein tieferer Sinngehalt.

Die Schwäche(re)n: Gwyneth Paltrow und Jessica Lange

Verleih

Zum Beispiel, dass Opportunismus in der Politik eine treibende Kraft ist. Payton bittet den Jungen am Ende bei seinem verzweifelten Ringen nach Wahlstimmen darum, dass er sagen soll, was er sich wünscht und er würde es umsetzen. Als es um verschließbare Toilettentüren geht, zündet der Gag, doch vor allem zeigt die Zusicherung von Payton sehr effektiv die moralische Flexibilität von Politikern. Dass Richtung Ende der Serie zwei Wählerstimmen das Zünglein an der Waage sind, unterstreicht zugleich, wie abgerundet die Drehbücher von Ian Brennan (4 Episoden) und Brad Falchuck (4 Episoden) sind.

Nur zwei Kleinigkeiten sind in der Netflix-Serie nahezu überflüssig und das hätte wohl bei der Durchsicht der Castingliste niemand erwartet. Ausgerechnet die beiden größten Schauspielernamen im Ensemble liefern die blassesten Figuren - und das aus völlig unterschiedlichen Gründen. Während Gwyneth Paltrow in ihrer angestrengt esoterisch-verständnisvollen Art einfach nur zum Einschlafen langweilig ist, überdreht Jessica Lange komplett. Die Dialogzeilen, die die Ryan-Murphy-Muse ("American Horror Story") von sich geben muss, sind nicht nur laut, sondern plump und doof.

Zwar findet die Serie mit ihrem Ende eine nicht unplausible Antwort darauf, warum sich ihre Figur Dusty Jackson als Großmutter der krebskranken Infinity (Zoey Deutch) so benimmt, aber das wäre auch mit einem reduzierteren Spiel von Lange möglich gewesen. Paltrow als Paytons Mutter Georgina Hobart hingegen bringt diese leicht elitäre Exzentrik in "The Politician", ohne die die Serie vielleicht doch nicht ein so typischer Murphy geworden wäre. So oder so: In den 300 Millionen Dollar, die Netflix dem Serienmacher zur Verfügung stellt, ist auch eine zweite Staffel "The Politician" enthalten. Auf in den nächsten Wahlkampf - wir freuen uns drauf.