Der talentierte, aus gutem Elternhaus stammende Jinn (Edin Hasanovic) hat einen Traum: Er möchte als Musikproduzent im Rap-Business durchstarten. Vom gewöhnlichen Hotelrezeptionisten zum gefragtesten Beatbastler in ganz Frankfurt werden! Was erst wie der Plot eines modernen Aufstiegsdramas à la "8 Mile" klingt, entpuppt sich hier schließlich als ausgeklügeltes, zeitgemäßes Crime-Drama, das Fans von "4 Blocks" oder "Beat" gefallen dürfte.
Kaum wird Jinn vom angesagten Rap-Label Skyline Records entdeckt, kommt nicht nur seine Karriere ins Rollen. In der Plattenfirma taucht plötzlich der Bruder von Labelchef und Ex-Rapstar Kalifa (Murathan Muslu) auf: Ardan (Erdal Yildiz), der früher in der Hooligan-Szene aktiv war, unterstützte seinen Bruder beim Aufbau der Plattenfirma mit Drogendeals und besorgte ihm die harten Straßengeschichten für die Rapkarriere. Doch mit Drogen, Gewalt oder Geldwäsche will Kalifa inzwischen nichts mehr zu tun haben. Aus Offenbach ist er mit Teilhaber Semir (Sahin Eryilmaz) in die City gezogen, um ein rein legales und erfolgreiches Geschäft zu führen. Ardan kümmert das allerdings wenig. Kalifa soll loyal sein und ihm und seinen Leuten für ein eigenes Business ein Büro zur Verfügung stellen.
Fast zeitgleich erscheint Sara (Peri Baumeister). Die Polizistin ermittelt in der Immobilienbranche. Ein Bereich, in dem Jinns Vater (Richy Müller) und Schwester (Anna Herrmann) tätig sind. Per Zufall wird Sara auf einen klein-kriminellen Hooligan (Slavko Popadic) aufmerksam – die Route führt wieder zu Skyline Records...
Einem TV-Sender des ÖR wurde "Skylines" zu groß
Die Serie stammt aus Kopf und Feder des Berliner Drehbuchautors Dennis Schanz. Die Idee lag für den 38-Jährigen quasi auf Berlins Straßen: "Ich war schon immer von der Verstrickung von Straßenrap und organisierter Kriminalität fasziniert", erzählt der Hip-Hop-Fan im Gespräch. Vor allem die Clankriminalität um den Berliner Rapper Bushido hätte es ihm angetan, "ein guter Serienstoff", wie er 2015 feststellt. Doch Schanz gräbt tiefer und länger in der Materie; sucht nach dem großen Ganzen und stellt sich die Frage, was passiert, "wenn das Business persönlich wird und Persönliches zum Geschäft". Was man dann aufgeben würde, um etwas zu erreichen. Welche Konflikte sich ergäben. "Das wurde für mich irgendwann zentraler als das ganze Hip-Hop-Milieu", sagt er.
So sucht Schanz nach einer Stadt, in der Business großgeschrieben wird. Eine Metropole mit internationalem Reiz, wo sich Arme wie Reiche treffen – wo Rap und Drogen Bestand haben. "Irgendwann sagte dann ein Freund: Frankfurt! Und ich dachte, ja, das ist es!"
Aus seiner Studienzeit in Mainz kannte der Drehbuchautor die Stadt gut, für einen besseren Einblick wurden dann mit zwei ehemaligen Hooligans und Türstehern die dunklen Ecken um das Bahnhofsviertel erkundet. Zu seiner Firma StickUp kamen noch die Kollegen von Komplizen Film (u. a. Maren "Toni Erdmann" Ade) dazu. Schließlich wurde die Serie von einem öffentlich-rechtlichen Sender in die Entwicklung genommen – Netflix sollte nur als Co-Produzent dienen. Doch dann sprang der Sender ab: "Das wurde ihnen wohl irgendwann zu groß", sagt Schanz.
Original Netflix: Echter Rap, reale Stars
Und nicht nur das: Samson Wieland, bekannt als zweite Hälfte des Rap-Duos SAM, starb unerwartet im vergangenen Winter und konnte so seine Rolle als Momo nicht antreten. Der Rapper Booz sprang daraufhin ein – einer von vielen Künstlern, die in der Serie letztlich mitmachen. Für die Musik ist unter anderem Benjamin Bazzazian verantwortlich, der Produzent der deutschen Rapstars Haftbefehl, Azad und Samy Deluxe. Die Szeneverstärkung war Schanz besonders wichtig. Er wollte die Serie so authentisch wie möglich machen.
Dazu zählt auch der Ex-Rapper Aqil. Heute ist er den meisten als Schauspieler unter seinem bürgerlichen Namen bekannt: Murathan Muslu. Schanz kam auf ihn direkt zu, und Muslu war von der Rolle eines Musikstars in Deutschland angetan, sagt er. Um mit den Frankfurter Allstars mitzuhalten, musste der gebürtige Wiener aber seine Rapskills auffrischen. "Meine Musikkarriere liegt dafür schon zu lange zurück."
Dennoch transportiert er, wie auch der Rest des Casts, eine authentische, vielschichtige Geschichte, bei der sich manch Zuschauer wohl wundern wird, dass es in "Bankfurt" so ablaufen kann. Verbrechen, Loyalität und persönliche Dramen spielten auch schon bei den Genre-Vorbildern "4 Blocks" oder "Beat" eine große Rolle. So begeht "Skylines" bei all seinen Vorzügen - die pumpenden Beats sind klasse, die Rap-Story interessant, die jungen Darsteller toll - leider den gleichen Fehler wie "Beat" und verwässert die eigentlich spannende Rapgeschichte über einen aufstrebenden Beat-Produzenten mit konservativer Krimi-Ästhetik und einem langweiligen Ermittlungsplot. Leider ist "Skylines" in diesen Momenten mehr "Beat" als "4 Blocks". Immer wenn die Handlung in den engen, schalldichten Studios von Skyline Records spielt, lässt die erste Netflix-Produktion von Dennis Schanz die Muskeln spielen und demonstriert die große eigene Stärke. Wenn Jinn an den Reglern dreht, macht "Skylines" Lust auf mehr.
Bei nur sechs Episoden und einem Ende, das Spielraum für weitere Geschichten aus Rapfurt liefert, wäre eine zweite Staffel "Skylines" auf Netflix jedenfalls keine Überraschung mehr.