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Schluss nach Staffel 2: Absetzung von "Raised by Wolves" ist eine Schande

Meinung | Nicht jeder Serie ist ein richtiges Ende vergönnt. Manchmal wird eine Produktion abgesetzt, obwohl noch mehr geplant war. Sowas kann Fans besonders wehtun. Im Fall von "Raised by Wolves" findet unser Redakteur Michael Hille sogar: Es ist ein Verlust für jeden Serienfan.

Serienfans, die sich häufig auf laufende Projekte einlassen, kennen das: Eine Geschichte voller Figuren, die einem ans Herz gewachsen sind, mit denen man von Folge zu Folge mitgefiebert hat, geht auf einmal zu Ende. Der jeweilige Sender beschließt die Absetzung. Ab hier ist Schluss. Und im schlimmsten Falle endet die Geschichte offen, ohne richtigen Abschluss. Man bleibt zurück mit vielen Fragen und muss sich damit vertrösten, sich selbst den Rest der Handlung im Kopf zusammen zu spinnen.

Solche Enden tun weh und sie schaden der Serienwelt. Sie verletzen das Vertrauen von uns Zuschauern in fortlaufende Geschichten. Egal, wie gut oder schlecht eine Serie läuft: Jeder Fan hat ein Ende, ein Finale, einen Abschluss verdient. Doch es hilft nix. Wer sich bei Sky letztes Jahr in das Sci-Fi-Epos "Raised by Wolves" verliebt hat, muss jetzt stark sein, denn nach der in Deutschland noch ausstehenden zweiten Staffel wird es nicht weitergehen.

Sci-Fi & Religionsepos: "Raised by Wolves" war einmalig

Foto: Warner Bros. Entertainment / HBO Max, Montage: TVSPIELFILM.de, "Raised by Wolves" ist eine der komplexesten Serien der letzten Jahre. Vielleicht zu komplex für einen Massenerfolg?

Die Serienwelt ist ohne "Raised by Wolves" definitiv ärmer, denn die Themen, die hier angesprochen wurden, sucht man anderswo vergebens. Die mythologische Sci-Fi-Produktion handelt von den zwei Androiden Father (Abubakar Salim) und Mother (Amanda Collin), die auf einem fernen Planeten eine Gruppe von Kindern aufziehen. Sie sollen eine neue, verbesserte Menschheit bilden, da die Menschen auf der Erde sich im 22. Jahrhundert in religiösen Kriegen fast gänzlich ausgerottet haben. Aus dem Grund werden die Kinder von den Androiden auch streng atheistisch, also nicht-gläubig erzogen.

Die entstehende Gesellschaft wird jäh in ihem Frieden gestört, als der spirituelle Fundamentalist Marcus (Travis Fimmel) und seine Jünger auf dem Planeten landen. Sie sind Überlebende der Glaubenskriege und schnell folgen auch einige der Kinder von Father und Mother den religiösen Ideologien der "alten Menschheit". Steht ein neuer Krieg bevor?

Ein Verlust für die Serienlandschaft

Religiöse Differenzen, die zum Krieg führen. Eine neue, unbefleckte Menschheit, die auf ihre kaputten Vorfahren trifft. Ein junger Planet, dessen Gefahren kaum erforscht sind. Und zwei Androiden, die nur binär, also in schwarz und weiß, Gut und Böse denken können, und somit kaum Verständnis fürs Spirituelle aufbringen. Es sind große Themen, die sich Regie-Legende Ridley Scott mit seiner Serien-Produktion "Raised by Wolves" vorgenommen hat. Wie in einigen seiner Kinofilme, darunter "Blade Runner" "Prometheus – Dunkle Zeichen" oder "Königreich der Himmel", versteht er es genial, moralisch komplexe Fragen in spannenden Handlungen aufzuwerfen. Und das dazu in brillanter, bahnbrechender Optik, die einen vom Hocker haut.

Eine Staffel mit zehn Folgen war bei Sky bereits zu sehen, eine zweite Staffel mit acht Folgen wird noch in Deutschland folgen. Danach ist Schluss, so will es HBO Max, der Anbieter, bei dem "Raised by Wolves" in den USA beheimatet ist. Das ist tragisch, vielleicht sogar skandalös. Dermaßen anspruchsvolles und nachdenkliches Erzählen ist im Serien-Bereich rar gesät. Und die Absetzung dieser Produktion wird nur dafür sorgen, dass umso weniger Serien dieser Art gemacht werden. Schlimmer noch: Da Staffel 2 mit vielen Cliffhangern endet, werden auch Zuschauer noch weniger Lust in Zukunft haben, sich auf komplexes Fernsehen einzulassen, welches einen herausfordert und zum Denken bringt.

Vielleicht wird noch ein anderer Streaminganbieter die Serie retten und uns Antworten auf die offenen Fragen liefern. Ob nun Netflix, Prime oder vielleicht Apple TV+, die mit "For All Mankind" und "Foundation" zwei ähnlich starke und mutige Sci-Fi-Produktionen im Portfolio haben. Man kann nur darauf hoffen – für "Raised by Wolves"-Fans, aber auch für die gesamte Serienlandschaft.