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"Top of the Lake": So gut wird Staffel 2

Top of the Lake 2, Nicole Kidman
imago

Beide Australierinnen, beide weltberühmt: Jane Campion und Nicole Kidman drehen gemeinsam "Top of the Lake - China Girl". Was hat sie aneinander fasziniert?

Am Ende war der Kriminalfall geklärt, nicht aber die Zukunft von Robin: Welchen Weg würde die australische Ermittlerin einschlagen, die in Neuseeland in einem Fall von Kindesmissbrauch ermittelt hatte? Jane Campion ließ in der ersten Staffel von "Top of the Lake" vieles in der Schwebe. Lange war nicht klar, ob es eine Fortsetzung geben würde.

"Ich war eigentlich dagegen", sagt Campion. Doch ihre Hauptdarstellerin Elisabeth Moss ließ nicht locker. Als sich dann auch noch ­Nicole Kidman bei der Autorin und Regisseurin meldete, schmolz deren Widerstand dahin. "Ich habe ihr gesagt, dass ich alles mit ihr drehen würde", sagt Australiens bekannteste Schauspielerin. "Ich liebe Jane."
Beide sind seit Langem befreundet. Die Regisseurin lernte Kidman kennen, als sie noch an der Filmhochschule und die Darstellerin an einer Schauspielschule war. Cam­pion suchte für ihren Abschlussfilm einen Teenager. Ihre Wahl fiel auf die damals 14-Jährige, aber der behagte die Rolle nicht, weil, wie sie heute lachend erzählt, "ich in dem Film ein Mädchen hätte küssen müssen". Die Regisseurin zeigte ­Verständnis. Man blieb in Kontakt - und drehte schließlich 1996 gemeinsam "Portrait of a Lady". Seitdem stehen sich die beiden auch privat nahe. Kidman ist im wirklichen ­Leben die Patentante von Campions Tochter Alice Englert und spielt in "Top of the Lake 2" deren Adoptiv­mutter. Ungeschminkt, mit grauen Haaren und falschen Zähnen, aber einer Kraft und Intensität, die alle in dem hochkarätigen Ensemble überstrahlt.

"Ich habe die erste Staffel von ,Top of the Lake‘ in einem Rutsch gesehen", sagt Kidman. "Ich konnte gar nicht abschalten, so sehr hat es mich gepackt. Ich hatte so etwas noch nie zuvor im TV gesehen, es hatte die gleiche visuelle Qualität wie Campions große Kinofilme."
Neue Herausforderung
Foto: imago, Regisseurin Jane Campion
Tatsächlich zeichnete sich die erste Staffel durch atemberaubende Bilder der rauen Landschaft im Süden Neuseelands aus. Besonders in Episode zwei, in der die Polizistin Robin vom Hubschrauber aus nach dem verschwundenen Mädchen sucht, schwelgt die Kamera in Bildern von schneebedeckten Bergen, endlosen Wäldern und kühlblauen Seen. "Ich weiß, dass viele Zuschauer diese Wildnis geliebt haben und dass sie zum Erfolg der Serie beigetragen hat", räumt Campion ein, die für Kino und Fernsehen die gleiche technische Ausrüstung benutzt. "Aber dort einfach weiterzudrehen wäre mir zu langweilig gewesen. Ich brauchte eine neue Herausforderung."
Zurück in Sydney
In der zweiten Staffel ist Robin zurück in Sydney. Die Stadt landete im März unter den Top Ten der Citys mit der weltweit höchsten Lebensqualität. Davon ist in der Serie fast nichts zu spüren. Die erste Folge ­beginnt mit einer Szene in einem heruntergekommenen Haus. Alles ist eng, schäbig und dunkel, das genaue Gegenteil der Weite der Natur in Staffel 1. Ein Mann und eine Frau entsorgen nachts einen Koffer. Rasch wird klar, dass es sich bei dem Drecksloch um ein Bordell mit asiatischen Prostituierten handelt. Eine von ihnen ist verschwunden. Als der Koffer mit ihrer Leiche am Bondi Beach angespült wird, hat Robin einen neuen Fall.
Undercover im Bordell
Foto: imago
Jane Campion hat sich schon länger über die Ausbeutung asiatischer Frauen in der australischen Sex­industrie geärgert. Für die Serie recherchierte sie undercover in einem Bordell in Sydney, um sich ein ei­genes Bild zu machen. Da Frauen nicht allein in solche Etablissements dürfen, machte sie sich gemeinsam mit ihrem wesentlich jüngeren Co-Autor und -Regisseur Ariel Kleiman auf den Weg. "Ich gab vor, ­Ariels Tante zu sein und mir Sorgen um seine sexuelle Orientierung zu machen, da er mit 32 noch Jungfrau sei." Eine ziemlich unglaubwürdige Story, wie Campion zugibt, aber sie funktionierte als Türöffner. Kaum war das Duo mit einer der Frauen allein in einem Raum, konnte es all die Fragen stellen, die für eine realistische Darstellung im Film wichtig waren: Was für Klienten kommen zu ihr, welche Regeln gibt es, auf welchen Wegen landen die Frauen in der Prostitution? "Sie war sehr offen", erinnert sich Campion. "Sie hat erzählt, warum sie von Thailand nach Sydney gereist ist und wie ­anstrengend ihre Arbeit ist. Gleichzeitig lief der Betrieb im Bordell weiter, und die Atmosphäre war ­angespannt."

Tatsächlich ist die Legalisierung der Prostitution 1988 in Australiens Bundesstaat New South Wales bis heute umstritten. Jede volljährige Person hat das Recht, sich zu prostituieren und in einem Bordell zu arbeiten, das von lokalen Autori­täten überwacht wird. Die Zahl der illegalen "Massagesalons" soll die der legalen allerdings um den Faktor vier übertreffen. Laut einer Studie von 2016 sind 43 Prozent der Sexarbeiter in australischen Puffs von außerhalb mit einem Studentenvisum eingereist.

Campions Serie greift ein reales gesellschaftliches Problem auf. Gleichwohl handelte sie sich mit ­ihrer Guerilla-Recherche im Rotlichtmilieu ausgerechnet bei den Betroffenen einigen Ärger ein. Die Scarlet Alliance, Interessenvertretung der austra­lischen Sexarbeiter, warf der Regisseurin vor, mit ihrer Story einer toten Pros­tituierten verbreitete Klischees zu bedienen und die Erlebnisse der Huren ohne deren Einwilligung für ihre fik­tive Story zu missbrauchen. Starker Tobak, zumal für eine de­zidierte Feministin wie Campion. Die Regisseurin konterte, dass es sich erstens um ­einen Krimi han­dele, deshalb die Leiche, und dass zweitens die Per­spektive der Aus­gebeuteten in der Serie berücksichtigt würde. Eins zumindest kann man Jane Campion nicht zur Last legen: Sie wirft weder einen romantisch verklärten Blick auf die Prostitution wie "Pretty Woman" noch einen ­zumindest partiell voyeuristischen wie die ­Serie "Maison Close".
Keine klassischen Heldinnen
Foto: imago, Gruppenbild der Damen: Nicole Kidman, Elisabeth Moss, Jane Campion und Gwendoline Christie (v.L.) in Cannes
Die Frauen um Jane Campion stehen jedenfalls fest hinter der Regisseurin. Am Set habe eine entspannte Atmosphäre geherrscht, sagt Cam­pions Tochter Alice. Auch die prak­tizierende Scientologin Moss und ­Nicole Kidman, Exfrau des berühmten Scientologen Tom Cruise, seien gut miteinander ausgekommen. Am schwersten hatte es noch Gwendoline Christie, bekannt als Kriegerin Brienne of Tarth aus "Game of Thrones", die unbedingt bei "Top of the Lake" dabei sein wollte und die Robins linkische Kollegin spielt. Der 1,91 Meter großen Britin mit der hellen Haut setzten Sonne und Hitze am Bondi Beach besonders zu. "Mir brannten die Augen, und ich konnte nichts mehr sehen. Elisabeth fragte, ob ich einen Hitzschlag bekommen hätte, und ich erwiderte: Egal, solange ich dich spüren kann, drehen wir weiter."

Keine der Figuren in Staffel 2 ist ­eine klassische Heldin. Campion hat sich nicht an post­feministischen Ikonen wie "Wonder Woman" orientiert, die wie Männer kämpfen und wie Models aussehen. In "Top of the Lake" sind die Charaktere zerbrechlich. Und sie haben Humor. "Darling, willst du mir sagen, was du gesehen hast?", fragt Robin alias Moss die Wasser­leiche. So macht man keine Karriere bei der Polizei. So wird man Serien­star.

Top of the Lake 2: Ab dem 7.12. um 20.15 bei Arte