Stanley Kubricks Film "Shining" von 1980 ist ein Horrorfilm-Klassiker. Jack Nicholson, der als Hausmeister Jack Torrance im Overlook-Hotel durchdreht und seine Familie ermorden will, war Inspiration für unzählige andere Filme und gilt bis heute als einer der besten seines Genres. Wie zum Beispiel auch Pulp Fiction bietet er dazu jede Menge Stoff für Interpretationen. Eine Menge Geschehnisse lässt der Film dabei im Unklaren. Während einige Rätsel im Film selbst mit den übernatürlichen Ereignissen im Hotel zu erklären sind, brauchen andere etwas mehr Analyse.

Shining: Was bedeutet der Mann im Bärenkostüm?

In einer der vielen bedrückenden Szenen im Film, dessen Blu-ray ihr bei amazon.de schon ab 8,22 Euro bestellen könnt, rennt Wendy Torrance (Shelley Duvall) mit einem Messer in der Hand durch die Gänge des Hotels auf der Suche nach Schutz vor ihrem Mann. Die Zimmer des Hotels bergen eine Menge Geheimnisse und Geister, aber eine Szene bleibt vor allem relativ offen. Sie entdeckt einen Mann in einem Bärenkostüm, der mit einem Gast des Hotels Oralsex hat. Die Szene gibt es auch in der Buchvorlage von Stephen King, allerdings ist es da kein Bären-, sondern ein Hundekostüm. Da stellt sich schnell die Frage, warum Kubrick für den Film ausgerechnet das geändert hat.

Tatsächlich ist dies nicht der einzige Bär im Film. Über dem Bett von Danny hängt ein Bild von zwei Bären, der eine sitzt, der andere steht und auch beim Psychiater liegt Danny deutlich sichtbar auf einem Kissen in Form eines Teddybären. Warum ist alles voller Bären? Das hat sich der Filmanalytiker Rob Ager auch gefragt und eine sehr ausführliche Analyse des Bären-Themas erstellt.

Jack hat seinen Sohn missbraucht

Einen entscheidenden Hinweis gibt vor allem das "Playgirl"-Magazin, das Jack im Hotel liest. In der Original-Ausgabe gibt es einen prominenten Artikel über inzestuöse Familien. Sein Sohn Danny ist ein Kind voller Angst und brutaler Visionen, dem offenbar etwas zu schaffen macht, wie sich bereits im Film nach wenigen Minuten erkennen lässt. Legt Regisseur Kubrick uns mit dem Inzest-Hinweis also nahe, dass Dannys offensichtliches Trauma, das er in sich trägt und über das er mit der Psychiaterin nur bedingt sprechen kann von einem Missbrauch durch seinen Vater Jack stammt? Das zumindest glaubt Ager. Eines seiner Argumente ist, dass Danny, als er zu Beginn des Films im Bad steht und eine furchterregende Vision hat in exakt derselben Position ist wie der Mann, der im Bärenkostüm Oralsex hat. Wer die beiden Szenen nebeneinander sieht, erkennt wie gleich das Bild aussieht.

Auch der Therapeutin, die ihn übrigens untersucht, während er keine Hose anhat, erzählt er, dass sein Freund "Tony", den nur er sehen kann, in seinem Mund lebt und sich in seinem Magen versteckt. Auch hier verstärkt sich der Eindruck, dass Sexualität und womöglich sogar Oralsex in dem Leben des kleinen Jungen eine größere Rolle spielt, als sie sollte.

Auch das berüchtigte Hotelzimmer 237 spielt bei dieser Frage eine Rolle. Dort entdeckt Wendy ihren Sohn Danny nachdem dieser geschrien hat. Er erzählt ihr, dass eine gruselige Frau versuchte habe, ihn zu erwürgen und tatsächlich hat er Hämatome am Hals. Das wirft Wendy im Laufe des Films auch Jack vor. Dieser sieht selbst in dem Zimmer die lebende Leiche einer alten Frau, die ihm zuerst als hübsche junge Dame erscheint, die er küsst. Dass sie sich als Geist herausstellt, ahnt Jack zunächst nicht, bis er genauer hinsieht und feststellt, was er "getant" hat.

Laut Ager findet in Zimmer 237 ein sexueller Missbrauch statt. Jacks Fantasie stellt sich als Alptraum oder auch Vision mit einem Geist heraus, Danny erlebt ebenfalls Grausames in dem Zimmer. Es scheint daher gut möglich, dass beide sich psychologisch von dem Missbrauch ablösen und eine Alptraum-Version davon in ihrem Kopf neu zusammensetzen. Das repräsentiert auch der Mann in dem Bärenkostüm, den Wendy im Hotel entdeckt und der kleine und der große Bär in dem Bild über Dannys Bett. Deshalb ist sie erschrocken und rennt weg, sie sieht in Wahrheit womöglich nicht einen Mann in einem Kostüm, sondern erkennt, dass ihr Mann ihren gemeinsamen Sohn missbraucht.

Auch wenn die Hinweise alle symbolischer Natur sind, passt das durchaus zur Arbeitsweise vom Regisseur Kubrick, der schon mit Filmen wie "2001: Odyssee im Weltraum" diverse kryptische Symbole und Metaphern benutzt hatte. Für "Shining" scheinen alle diese Hinweise auf jeden Fall zu der Missbrauchstheorie zu passen, was den Film noch unheimlicher machen würde, als er ohnehin schon ist. Agers vollständige Interpretation lässt sich hier nachlesen.