Schon lange vor dem Marvel-Hype hat Sylvester Stallone eine Comicfigur auf der großen Leinwand zum Leben erweckt: 1995 spielte der den Titelhelden im legendären Action-Flop "Judge Dredd". Später war er sowohl bei Marvel (im Sci-Fi-Unsinn "Guardians of the Galaxy Vol. 2") als auch bei der Konkurrenz von DC (als animierter Hai in "The Suicide Squad") mit dabei. Jetzt versucht er sich erneut als Superheld und sichert sich damit unerwartet einen neuen und späten Karrierehöhepunkt.

Denn "Samaritan", eine Comicadaption, die erst ins Kino kommen sollte, jetzt aber im Programm von Amazon Prime Video erschienen ist, gibt Stallone die Möglichkeit, all seine Stärken auszuspielen – und ist zudem eine willkommene Abwechslung zum restlichen Superheldenangebot.

Streamingtipp: Worum geht es in "Samaritan"?

Vor vielen Jahren wurde die Großstadt Granite City von einem maskierten Superhelden namens Samaritan beschützt, der übernatürlich stark und heldenhaft war. Mittlerweile gilt der Rächer jedoch als verstorben und existiert nur noch in den Erinnerungen der Leute. Der 13-jährige Sam (Javon Walton) ist besessen von der Idee, dass Samaritan noch am Leben sein könnte. Und er hat auch jemanden im Verdacht: Sein kauziger, stets mies gelaunter Nachbar Joe Smith (Sylvester Stallone), der sein Geld als Müllmann verdient, scheint ungewöhnlich kräftig zu sein.

Den Beweis hat Sam, als er selbst von Halbstarken attackiert wird, und Joe Smith ihm zur Hilfe eilt: Der Senior wirbelt die Angreifer kinderleicht herum und verbeult ein großes Messer mit bloßen Händen. Sams Neugierde ist geweckt: Er will wissen, warum der große Held von einst sich jetzt in einer schäbigen Mietwohnung versteckt. Zumal Granite City einen Superhelden gut gebrauchen könnte, denn der Anarchist Cyrus (Pilou Asbæk) ruft auf den Straßen zur Gewalt auf.

Superheld aus Kinderaugen: "Samaritan" lässt staunen

Die Idee, eine Superheldengeschichte aus Sicht eines Jungen zu erzählen, ist der große Trumpf von "Samaritan". Obwohl in diesem Actionfilm keine Szene je den Bombast und Spektakelwert der Marvel-Konkurrenz auch nur ansatzweise erreicht, lädt Stallones Heldenausflug mehr zum Staunen ein als die jüngeren "Avengers"-Eskapaden. Die kindliche Perspektive lässt jeden Faustkampf und jedes kleine Anzeichen für Superkräfte umso erstaunlicher wirken. Regisseur Julius Avery lässt sein Publikum gekonnt mit den Augen eines Teenagers zuschauen – und erzählt dabei auch von Heldentum.

Wie zuletzt der Kino-Hit "The Batman" stellt "Samaritan" die Frage, ob Superhelden nicht letztlich echten gesellschaftlichen Fortschritt verhindern, da sie mit Gewalt den Status Quo aufrechterhalten. Ein spannender Ansatz, welcher der ansonsten konventionellen Geschichte um einen Mentoren und sein Schützling im Kampf gegen das Böse einen spannenden Twist gibt. Gerade deshalb hätte der gelungenen Adaption auch ein Kinostart gut gestanden.

Stallone als Superheld? Eine glaubhafte Besetzung

Natürlich ist aber Sylvester Stallone die Hauptattraktion dieses Films und abseits der "Creed"-Filme sah man ihn sehr lange nicht mehr auf diesem Niveau. Er ist nicht nur körperlich immer noch glaubwürdig als überstarker Kämpfer, sondern spielt den verbitterten Einzelgänger, der durch einen kleinen Jungen langsam wieder zu sich selbst findet mit besonderer Intensität. Dass er in den Kampfszenen immer noch größtenteils selbst die Schläge verteilt, hilft für die Authentizität natürlich ungemein.

Auch seine Co-Stars machen einen guten Job, obwohl "Game of Thrones"-Star Pilou Asbæk seine Schurkenfigur vielleicht etwas zu arg überdreht. Der Plot leidet zudem darunter, dass vor allem die größeren Wendungen sehr schnell absehbar sind. Wirklich schaden tut es jedoch nicht: "Samaritan" ist ein gelungener Mix aus Old-School-Action, Comic-Mythos und Charakterdrama, der auf dem heimischen Sofa mehrere Generationen vereinen dürfte. Wer seine Kinder also mal zaghaft an den Actionhelden der eigenen Jugend heranführen möchte, ist hier gut bedient.

"Samaritan" ist am 26. August bei Amazon Prime Video erschienen.