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Popkulturelle Phänomene kommen und gehen mit mal mehr, mal weniger Hype und das mit schöner Regelmäßigkeit. Manche aber sind eines Tages gekommen, um zu bleiben - und was japanische Exportgüter in diesem Zusammenhang angeht, führt einfach kein Weg an den "Pokémon" vorbei. Die "Taschenmonster" erblickten Mitte der 90er erstmals das Licht der Videospielewelt und damit begann eine weltweite Erfolgsgeschichte, die neben vielen weiteren Spielen auch zahlreiche Serien, Comics und Filme nach sich zog und die bis heute anhält. Mit "Pokémon Meisterdetektiv Pikachu" erscheint nun ein neuer Film über die Wesen in den Kinos.

Darin geht es um den jungen Tim Goodman (Justice Smith), der eines Tages die traurige Nachricht erhält, dass sein Vater ums Leben gekommen sei und deshalb nach Ryme City fährt, einem Ort, wo Menschen und Pokémon friedlich zusammenleben. Doch als er in dessen Wohnung einige Dinge zusammenräumen will, trifft er plötzlich auf das Pokémon Pikachu - und zu ihrer gemeinsamen Überraschung kann Tim mit dem Monsterchen sprechen! Gemeinsam kommen sie rasch zu der Annahme, dass Tims Vater vielleicht doch nicht tot ist und so fangen sie an, Nachforschungen anzustellen. Dabei erhalten sie tatkräftige Unterstützung der Reporter-Praktikantin Lucy (Kathryn Newton) und kommen langsam einem ganz großen, teuflischen Plan auf die Spur.

Überall Monster

Zugegeben, die meisten der in der Regel sprachlich limitierten Knuddelmonster waren dank ihrer Comicoptik schon immer ein süßer, liebenswürdiger Anblick und ob nun aktuelle Fans oder Nostalgiker - wenn spätestens mit Ankunft in Ryme City die Leinwand vor Pokémon geradezu überquillt, geht einem das Herz auf. Mit Freuden stellt man dann fest, dass die Figuren mit ihren Originaldesigns wunderbar und nahtlos in die Realfilmumgebung eingebettet und so zum Leben erweckt wurden.

Besonders das titelgebende Pikachu überzeugt: Das Fell des niedlichen Nagers mit Fähigkeit zur elektrischen Hochspannung sieht so fotorealistisch aus, wie es für eine Fabelfigur nur geht und in punkto Minenspiel haben die Effektkünstler ganze Arbeit geleistet: Man möchte die ganze Zeit am liebsten die Leinwand drücken, aber tatsächlich entpuppt sich der Titelheld zusätzlich als sehr ausdrucksstark - mehr als seine menschlichen Kollegen, so viel sei verraten.

Nimmt man noch diverse bekannte Elemente dazu wie die Pokémon-Kämpfe, die spezifischen Fähigkeiten der einzelnen Monster und sogar das Titellied der Zeichentrickserie, dann kann man eigentlich von einem gelungenen Fan-Fest sprechen. Wer aber bislang nichts mit den Kreaturen anfangen konnte, wird durch "Meisterdetektiv Pikachu" auch nicht bekehrt.

"Deadpool" lässt grüßen

Dass Pikachu sprechen kann, dürfte für viele eine Überraschung darstellen, wenngleich Rob Lettermans Film explizit auf dem gleichnamigen Nintendo-3DS-Spiel basiert, das 2016 erstmals in Japan erschien und in dem das gelbe Kerlchen auch mit menschlicher Sprache kommunizieren kann. Im englischen Original der Adaption lieh Superstar Ryan Reynolds Pikachu seine Stimme, in der deutschen Version erklingt Sprecher Dennis Schmidt-Foß. Der macht in der Vertonung seines Hollywood-Gegenstücks wie immer eine tolle Arbeit, aber das Drehbuch hat offenbar ganz besonders auf eine typische Buddy-Dynamik gezielt: Wie schon in Filmen wie der "Lethal Weapon"-Reihe, kommen mit Pikachu und Tim zwei gegensätzliche Figuren zusammen, die sich zunächst nicht grün sind und wie auch bei anderen Beispielen gibt es einen, der ein klein wenig mehr Mitteilungsbedarf hat, als der andere.

Logisch, das Pokémon mit der prominenten Stimme darf sich den Mund fusselig reden und dabei jede Menge lustige Kommentare vom Stapel lassen, wobei die Trefferquote bei der Fülle längst nicht bei 100 Prozent liegt. Ein wenig befremdlich wirkt die Kombination aus Reynolds (Schmidt-Foß) und einem permanent ironischen Ton in "Meisterdetektiv Pikachu" allerdings schon - denn durch die beiden "Deadpool"-Filme hat der Star sich und seine augenzwinkernde Intonation quasi zu einem eigenen kleinen Markenprodukt mit Wiedererkennungswert gemacht, weshalb man mitunter den Eindruck gewinnen könnte, dass Pikachu eigentlich von einer familiengerechten Version des für gewöhnlich vulgären Marvel-Superhelden besessen ist. Das ist sicher gut fürs Marketing - durchaus möglich aber, dass man dadurch einer seit Dekaden beliebten Figur eine fremde Identität übergestülpt hat, auch wenn dieses Problem ultimativ wieder gelöst wird.

Erzählerische Schwächen

Erzählerisch wird die Aufklärung des Falls um Tims Vater flott, mit viel Action und einigen Wendungen vorangetrieben. Die Geschichte entwickelt sich dabei ein wenig emotionaler, als erwartet, aber leider leisten sich Drehbuch und Inszenierung einige Schnitzer, die den Gesamteindruck trüben. Viel konkreter soll es an dieser Stelle nicht werden, aber in einigen Aspekten widerspricht sich der Film ganz gewaltig und sorgt so für Logikfehler und auch die geografische Verortung von Figuren und anderen Elementen während einer großen Actionsequenz wirkt irritierend und unglaubwürdig. Das sorgt dafür, dass man den Kinosaal mit Kopfkratzen wieder verlässt.

Fazit: "Pokémon Meisterdetektiv Pikachu" liefert eine einzige Parade der drolligen Monster aus Fernost und damit dürften viele Fans schon voll auf ihre Kosten kommen. Erzählerische Schwächen sorgen aber letztendlich für eher gemischte Gefühle nach dem Abspann.