In den 90er Jahren wäre ein Film, in dem Martial-Arts-Maestro Jackie Chan und der gefeierte James-Bond-Darsteller Pierce Brosnan die Hauptrollen spielen, wohl ohne Frage zum Kino-Blockbuster geworden. Doch 2017 sah es anders aus, als die beiden in "The Foreigner" aufeinandertrafen: Hierzulande erschien der harte Rachetthriller gar nur auf DVD und Blu-ray. Jetzt aber läuft er am 23. Mai 2022 endlich erstmals im Free-TV – um 22:15 Uhr beim ZDF. Und danach ist er für jeden in der ZDF-Mediathek frei verfügbar.

Fans der beiden gealterten Actionstars müssen da einen Blick drauf werfen, aber der Film ist auch eine generelle Empfehlung wert. Denn neben harter Action und grimmigen Typen weiß die Verfilmung des Romans "Der Chinese" auch durch einen klugen politischen Plot zu überzeugen, der an einen in Deutschland beinahe vergessenen Konflikt erinnert.

The Foreigner: Brutaler Feldzug gegen die IRA

Ein Bombenanschlag in London tötet mehrere Menschen, darunter die Teenagerin Fan Quan (Katie Leung). Ihr Vater, der ehemalige Vietnamkriegs-Soldat Ngoc Minh Quan (Jackie Chan), ist nun ganz allein auf der Welt. Als sich eine Untergruppierung der IRA zu dem Anschlag bekennt, sinnt er auf Rache. Im Fernsehen sieht Quan ein paar Tage nach dem Anschlag eine Rede des nordirischen Ministers Liam Hennessy (Pierce Brosnan), in der er seine eigene IRA-Vergangenheit thematisiert.

Blind vor Wut reist Quan nach Belfast, um Druck auf die Behörden bei der Aufklärung des Anschlags auszuüben. Er verdächtigt Hennessy, der Strippenzieher zu sein – und initiiert eigene Anschläge auf Hennessys Leben. Der Politiker setzt daraufhin Männer auf Quan an und versucht parallel mit Hilfe seines Neffen Sean Morrison (Rory Fleck-Byrne), die Wahrheit aufzudecken. Die IRA-Terroristen planen derweil einen weiteren Anschlag …

Jackie Chan und Pierce Brosnan waren selten so gut

Der Nordirlandkonflikt hielt länger nicht für größere Actionfilme her. Regisseur Martin Campbell, der die zwei James-Bond-Filme "GoldenEye" und "Casino Royale" inszenierte, findet eine gelungene Mixtur aus politischem Verschwörungskrimi und grimmigem Rachetrip. Das Drehbuch hat mehrere überraschende Pointen und ist dabei stets glaubwürdig. Die Action ist hart, kompromisslos und knackig. Große Kampfsport-Einlagen kann man von Chan, der hier längst über 60 Jahre alt ist, nicht mehr erwarten, dennoch langt er ordentlich zu und zeigt sich noch deutlich agiler als manch zeitgeistigerer Actiondarsteller.

Der große Trumpf von "The Foreigner" sind aber seine Stars: Jackie Chan und Pierce Brosnan liefern Karrierehighlights ab und sind beide toll gegen ihr Image besetzt. Chan spielt den verzweifelten Vater, der bei seinem Rachetrip auch den Tod unschuldiger Zivilisten in Kauf nimmt, herzergreifend und zeigt sich so engagiert wie seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr. Pierce Brosnan ist als snobistischer und ekelhaft-schleimiger Politiker zudem eine Wucht und darf wieder einmal zeigen, dass er als Charakterdarsteller mit den Jahren nur noch besser geworden ist. Dass beide Hauptfiguren keine reinen Sympathieträger sind, lässt "The Foreigner" zusätzlich zu einer spannenden Frischzellenkur fürs Actiongenre werden.

Wobei: Kann man von Frischzellenkur sprechen, wenn zwei Ü-60er die Hauptrollen spielen? Man muss! Gegen Hochgeschwindigkeits-Ballerfilme à la "John Wick" oder Computereffektorgien aus dem Hause Marvel wirkt "The Foreigner" eigenständig, aufregend und – ja – frisch. Wer die TV-Ausstrahlung also verpasst, sollte dringend die ZDF-Mediathek aufsuchen.