Als Dennis Gansel sieben Jahre alt war, ging er nachmittags gern zu seinem Freund Tim hinüber. Der besaß die Hörbücher zur abenteuerlichen Reise von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer. "Ich habe diese Geschichten geliebt. Sie waren mein erstes Fantasy-Erlebnis. Meine Mutter musste mich regelrecht nach Hause zerren, während ich unbedingt wissen wollte, wie es weitergeht."

Knapp 40 Jahre später ist Gansel ein international erfolgreicher Regisseur ("Napola", "Die Welle") und als solcher jetzt dafür verantwortlich, dass aus der Lieblingsgeschichte seiner Kindheit ein dem Werk angemessener Kinofilm wird. Zwar gab es zuvor schon die legendäre TV-Reihe der Augsburger Puppenkiste und eine 52-teilige Zeichentrickserie, aber Gansel drehte die erste Realverfilmung des Werks.

Mit 63 Drehtagen und einem Budget von 25 Millionen Euro ist er einer der teuersten deutschen Filme aller Zeiten. "Ich hätte das nicht klein-klein erzählen können", sagt Gansel, der in Ratpack-Gründer Christian Becker ("Win­netou"-Trilogie) einen Produzenten und Bruder im Geiste fand.

Als sich Becker 2005 erstmals um die Filmrechte bemühte, war Autor Michael Ende (30 Millionen verkaufte Bücher) schon seit zehn Jahren tot. Beim Testaments- vollstrecker und dem Erbenvertreter und langjährigen Ende-Lektor und -Freund Roman Hocke stieß Becker auf offene Ohren.

Ein Team um Drehbuchautor Dirk Ahner adaptierte den Stoff, der eben keine nette Abenteuergeschichte fürs Kinderzimmer erzählt, sondern eine komplexe und überbordend fantasievolle Heldenreise mit Anklängen an die griechische Mythologie.

Jahre der Planung zogen ins Land. Ein internationales Co-Produktions-Konzept scheiterte. Trotzdem flog Dennis Gansel 2012 nach Australien, wo er Shirley MacLaine die Drachendame Frau Mahlzahn sprechen und - als Vorbild für die spätere Anima­tion - auch spielen ließ. "Vierzehn Jahre hat es von der Idee bis zum fertigen Film gedauert", fasst Produzent Becker zusammen. "Dreimal musste die Option auf die Rechte verlängert, dann gezogen und bezahlt und noch einmal verlängert werden. Die Erben sind überzeugt von der Sache, sonst wäre es nicht gegangen."

Gedreht wurde im Studio Babelsberg, in den Bavaria Filmstudios und in Südafrika. Wer eines der Sets besuchte, war beeindruckt von der schieren Größe des Projekts. In der 5400 Quadratmeter großen Marlene-Dietrich-Halle in Babelsberg entstand der kaiserliche Palast von Mandala. Sieben mit Helium gefüllte Leuchtkissen hüllten die Halle täglich in das warme Licht eines fröhlichen Sommertags. "Sich eins zu leihen ist schon sauteuer, sieben kosten ein Vermögen", sagt Christian Becker.

Am Kopfende des Studios erhob sich der blaue Eingang zum kaiserlichen Palast. Links und rechts neben der großen Treppe waren Ministufen gebaut, damit auch der winzig kleine Ping Pong, das zweiunddreißigste Kindeskind des kaiserlichen Oberhofkochs Herrn Schu Fu Lu Pi Plu, hinaufklettern konnte.

Für eine Massenszene tummelten sich auf dem Vorplatz des ­Palasts 150 Komparsen: Männer, Frauen und viele Kinder, alle aus China, Kambodscha oder Vietnam und gekleidet in prächtige Kostüme. Die Frauen trugen komplizierte Steck- und Hochfrisuren. Christian Becker lachend: "Wir hoffen, dass wir die Perücken auswaschen und für ‚Winnetou II‘ wiederverwenden können." Und Emma? Die 7,5 Tonnen schwere Dame lief auf Gummi­rädern. In ihrem Inneren zwei ­Kameras, damit Lukas nach vorn und hinten navigieren konnte.

Zumindest ein Teil der aufwendigen Kulissen bleibt stehen. Ab Ostern werden der kleine Vulkan des Halbdrachen Nepomuk und eine Emma-Version in der Bavaria-Filmstadt in München zu besichtigen sein. Im Filmpark Babelsberg haben die Filmemacher die Kulisse von Lummerland schon ein Jahr vor dem Kinostart freigegeben. Als kleinen Appetithappen für die Fans. Mehrere Hunderttausend sollen sie schon besucht haben - die legendäre ­Insel mit zwei Bergen und dem tiefen blauen Meer, mit viel Tunnels und Geleisen und dem Eisenbahnverkehr.

Lummerland

"Das Land, in dem Lukas der Lokomotivführer lebte, war nur sehr klein", schrieb Michael Ende. Im Filmpark Babelsberg ist es 50 mal 60 Meter groß. Auf 3000 Quadratmetern bauten die Ausstatter den Laden von Frau Waas, die Häuser von Lukas und Herrn Ärmel, den Lokschuppen und den Bahnhof. Das Schloss von König Alfons dem Viertel-vor-Zwölften, der obere Teil der Berge und das offene Meer wurden später digital ergänzt.

In die Wüste geschickt

Südafrika bot den Filmemachern die perfekte Kulisse. Der Strand von Mossel Bay wurde zur Küste Mandalas, die ­Zedernberge dienen als reale Vorlage für das am ­Com­puter entstandene Gebirge. Die Krone der Welt und die weitläufigen Atlantis Dunes bei Kapstadt wurden zur Wüste. Damit sich Emma dort nicht im heißen Sand festfuhr, mussten versteckte Schienen und Platten verlegt werden. Während das Team unter der Hitze litt, empfand Henning Baum die Temperaturen als hilfreich: "Wir mussten keine Wüstenhitze spielen, die Hitze spielte uns."

Grüner wird's nicht

Die Greenscreen war bei diesem Dreh unverzichtbar. Ob in Lummerland, in der Marlene-Dietrich-Halle im Studio Babelsberg oder hier beim Außendreh in Südafrika - die grünen Wände waren immer ­dabei, um darauf hinterher am Rechner die gewünschten Kulissen einspielen zu können. Für diese aufwendigen CGI-Effekte waren ­parallel fünf Spezialfirmen mit bis zu 500 Digital Artists im Einsatz.

Dream-Team

Ursprünglich sollte "Jim Knopf" eine internationale Produk­tion werden. Dann entschied sich Produzent Christian Becker für eine deutsche Besetzung. Nur Jim-Darsteller Solomon Gordon (11) kommt aus England. Er verstand sich blendend mit Henning Baum (Lukas) und Regisseur Dennis Gansel.
Sie übernachteten sogar zu dritt in Südafrikas Wildnis - im Schlafsack unterm Sternenzelt.

Leading Lady

Lokomotive Emma spielt die weib­liche Hauptrolle. Im Film kommen mehrere Versionen zum Einsatz. Die erste wurde als Holzmodell gebaut, um zu prüfen, ob die Größenverhältnisse zwischen Lukas, Jim und Emma stimmen. Emma zwo ist aus Stahl gefertigt, wiegt 7,5 Tonnen, hat einen Motor und kann auf Schienen fahren. Szenenbildner Matthias Müsse erzählt: "Die Schlosser sagen, das sei ihr schönster Auftrag seit Jahren gewesen." Damit Emma bei der Reise übers Meer nicht untergeht, kam Version drei zum Einsatz: Nur das Oberteil ist aus Stahl, Räder und Motor fehlen. So kann sich die Lok auf Schwimmkörpern über Wasser halten.