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"Ip Man 4: The Finale": Kulturkrieg mit Kung-Fu

Donnie Yen in Ip Man 4: The Finale
Donnie Yen in "Ip Man 4: The Finale" Montage TV SPIELFILM: Verleih

Donnie Yen lässt in "Ip Man 4: The Finale" zum letzten Mal als Titelheld die Fäuste fliegen. Ob das sehenswert ist, sage ich dir in meiner persönlichen Kritik.

Der nachfolgende Text gibt die persönliche Meinung eines Autors wieder und steht deshalb nicht repräsentativ für TV SPIELFILM.

Filme sind schon etwas Tolles: Sie erzählen vielfältige Geschichten, entführen uns in fremde Welten und bringen uns spannenden Figuren näher, während wir immer wieder aufs Neue Platz nehmen für eine Achterbahnfahrt der Gefühle, Gedanken, Töne und Bilder. Allerdings sind sie nicht nur Unterhaltung oder Kunst oder gar beides. Parteien haben begriffen, dass sich das Medium wunderbar für die eigenen politischen Zwecke instrumentalisieren lässt und bis heute ist die Filmgeschichte voll mit Werken, die mal mehr mal weniger subtil mitunter zweifelhafte Botschaften und Ideologien transportieren.

Dabei ist das westlich geprägte Weltbild Hollywoods nicht das einzige, das existiert und in Fernost weiß man sehr wohl, wie man durchs Kino zurückschlagen kann - wenn's sein muss, werden Amerikaner eben direkt vermöbelt. Vorhang auf für "Ip Man 4"! Ob als Ausdruck aktueller politischer Spannungen oder als racheähnliche Umkehrung der rassistischen Vorurteile aus den Staaten, über die exakten Gründe ließe sich sicher ausgiebig spekulieren. Aber eines ist sicher: "Ip Man 4: The Finale" strotzt nur so vor Patriotismus. 

"Ip Man 4": Darum geht es

Zum vierten und letzten Mal schlüpft Donnie Yen ("Rogue One: A Star Wars Story") in die Rolle des legendären Kampfkunstmeisters, der dieses Mal auf Einladung seines nicht minder berühmten Schülers Bruce Lee (Danny Chan) zum ersten Mal amerikanischen Boden betritt. Eigentlich wollte er ja nicht, aber die Vermarktung der US-Kultur und das damit verbundene Erfolgsversprechen in Übersee sind auch an Ip Man nicht spurlos vorbeigegangen. So sucht er nach einer Schule für seinen rebellischen Sohn, auf dass dieser im Ausland lernt, erfolgreich im Leben zu sein. Doch schnell wird ihm klar, dass "die Weißen" ihn nicht gerade mit offenen Armen empfangen und schon gar nicht seine Kung-Fu-Künste ...

Ip Man: Zum Nationalhelden verklärt

Yen ist eine lebende Eastern-Koryphäe, die über ein natürliches Star-Charisma verfügt wie nur ganz wenige andere im Filmgeschäft. Als Ip Man ist er von daher grundsätzlich die perfekte Besetzung: Nicht nur verfügt er über alle notwendigen physischen Fähigkeiten, sondern spielt überzeugend die ruhigen wie dramatischen Parts mit einer für sich einnehmenden Mischung aus Stolz, Würde und Gelassenheit. Er allein ist schon sehenswert, doch seine Figur muss für mehr als nur einen Actionfilm herhalten.

Denn erneut muss sich Ip Man gegen ausländische Widersacher durchsetzen. Unverhohlen und zum wiederholten Mal wird dieser Mann, der real existierte, zum Nationalhelden verklärt, der im Alleingang für die chinesische Kultur und Mentalität kämpft und seine Landsleute dazu inspiriert, es ihm gleichzutun. Die moralische Überlegenheit ist dabei nicht nur erzählerisch auf chinesischer Seite - auf irgendeiner Seite muss sie ja schließlich sein in dieser Gut-gegen-Böse-Geschichte. Oft kommt diese explizit in den Dialogen zum Ausdruck: Mehr als nur einmal wird gefordert, dass Chinesen zusammenhalten müssten, es wird erwähnt, dass sie und ihre Vorfahren die USA mit aufgebaut haben und "die Weißen" sich ja nicht dankbar dafür zeigen würden und dass die US-Kultur ohnehin nur so vor Rassismus und Bigotterie strotzt. Letzterer Vorwurf macht ein beim amerikanischen Militär stationierter Chinese seinem fiesen Vorgesetzten mit einem Maximum an Pathos und Melodramatik, dass man schon beim Gucken des Films insgeheim die Staatsbürgerschaft wechseln möchte. Politischer Subtext sieht anders aus.

Das Kino erreicht viele Menschen auf der ganzen Welt und scheint ein legitimer Schauplatz für die Verbreitung und Festigung verschiedenster Ansichten zu sein. Das hat Hollywood nie anders gemacht: Zum Beispiel gilt "Top Gun" von 1986 mit Tom Cruise in der Hauptrolle als vom US-Militär gesponsertes Rekrutierungsvehikel, das in der Hinsicht durchaus erfolgreich war und dem Rest der Menschheit die Attraktivität der US-Boys und die Überlegenheit der eigenen Streitkräfte vor Augen führte. In der jüngeren Vergangenheit waren zudem vermehrt Artikel und Video-Essays zu vernehmen, in denen zum Beispiel die jahrzehntelange Stereotypisierung von Personen asiatischer Herkunft in amerikanischen Filmen analysiert werden und ihr Einfluss auf das heute gefestigte Klischeebild von Asiaten.

Foto: Verleih, Donnie Yen und Chris Collins in "Ip Man 4: The Finale"

Blöde Amerikaner

Passend zum Nationalhelden Ip Man werden die "bösen Amis" auf der anderen Seite dargestellt: Die Frauen sind hysterische und verlogene Ziegen, die Kerle entweder elitäre Snobs, die sich in ihrer Gönnerhaftigkeit suhlen oder machtmissbrauchende Gewaltfanatiker. Ganz vorne dabei ist Scott Adkins als Offizier und Ausbilder Barton Geddes. Adkins tritt körperlich imposant auf und ist nicht aus Zufall zu einem der derzeit gefragtesten und bekanntesten Kampfsportler im Filmgeschäft geworden - der Mann kann wirklich was und bekommt zur Genüge Gelegenheiten, sein immenses Talent vorzuzeigen.

Abseits der Kämpfe spielt er seinen Geddes mit voller Inbrunst als kolossales A*loch am Rande zur Karikatur, was unter anderen Vorzeichen eigentlich schwer unterhaltsam wäre, in "Ip Man 4" aber wegen bereits genannter Gründe einen sehr faden Beigeschmack bekommt. Geddes schwört übrigens auf Karate, das ja bekanntlich aus Japan kommt, und will verhindern, dass chinesische Disziplinen ins Militärtraining aufgenommen werden. Dadurch kriegen also nicht nur die USA auf die Mütze, sondern indirekt auch die Japaner, deren Kampfkunst sich als, so viel sei verraten, unterlegen herausstellt. Aber das passt ja wunderbar, schließlich haben sich China und Japan oft genug gezankt - siehe zum Beispiel auch der erste "Ip Man"-Teil.

Aber ist das am Ende auch alles unterhaltsam? Wer sich jedenfalls gedanklich ausreichend verbiegt, um an den offenkundigen ideologischen Tendenzen des Films vorbeizuschauen, kann einen Blick auf einen allenfalls soliden Martial-Arts-Streifen werfen mit einem charismatischen Hauptdarsteller, einigen ansehnlichen, wenngleich wenig überraschenden Kampfszenen und einer unfokussierten Handlung. Fans der Vorgänger werden schon auf ihre Kosten kommen, wenn Donnie Yen erneut die Fäuste im Eiltempo auf seine Gegner niederprasseln lässt. Inszenatorisch tut sich aber nichts sonderlich hervor - "Ip Man 4" sieht aus wie Direct-to-DVD-Stangenware.

Fazit: "Ip Man 4: The Finale" ist ein mittelmäßiger Actionfilm mit gutem Hauptdarsteller und fragwürdiger Intention.