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Guy Ritchie im Interview: "Warum heißt Ihr Gangsterfilm 'The Gentlemen'"?

The Gentlemen Szenenbild
In "The Gentlemen" wird geflucht, gefoltert und gemordet – aber mit ganz viel Stil. Verleih

Als "The Gentlemen" hat Guy Ritchie seine neuste Gangster-Komödie betitelt. Und das obwohl es im ganzen Film um brutale Drogenschmuggler und ihre Schläger geht. Wie das zusammenpasst, hat er uns im Interview verraten.

Einige Jahre hat Guy Ritchie, der sich mit britischen Underground-Gangsterfilmen wie "bube, dame, könig, grAS" und "Snatch" einen Namen machte, in Hollywood aufgehalten. Für "The Gentlemen" ist er jetzt zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. In dem Streifen wirken Matthew McConuaghey, Charlie Hunnam, Colin Farrell, Michelle Dockery und Hugh Grant mit, den wir in unserer Kritik als "postmodernes Meisterwerk" bezeichnen. Doch wie passt ein Film über ruchlose Verbrecher im Drogen-Milieu zu einem so stilvollen Titel wie "The Gentlemen"? Um uns das zu erläutern, hat sich Guy Ritchie einige Minuten für TVSPIELFILM.de Zeit genommen.

TV Spielfilm

Ein Gentleman stellt sich seiner Angst

Foto: Verleih, Ist selbst Marihuana-Großverkäufer Mickey Pearson ein Gentleman? Gerade der, findet Guy Ritchie.

TVSPIELFILM.de: Herr Ritchie, Ihr Gangsterfilm hat den Titel "The Gentlemen", also "Die Kavaliere". Was definiert einen Gentleman, was zeichnet Ihn aus?

Guy Ritchie: Ich finde es ist das, wonach ein Mann strebt zu sein. In einer Kultur, die ihn vor Herausforderungen stellt. Wir sprachen [vor Beginn des Interviews, Anm. d. Autor] von Nervosität. Es ist gut nervös zu sein, denn man ist dann nervös, wenn man sich in eine Situation verfrachtet, die schwierig ist, in der man mit sich selbst verhandelt. Ich würde also argumentieren, dass Sie ein Gentleman sind, weil sie sich jetzt gerade durch das Interview in eine Umgebung begeben, die ungewöhnlich ist, und dabei kommunizieren Sie auch mit sich selbst. Sie lassen sich von Ihrer Furcht nicht darin bestimmen, es trotzdem zu versuchen. Sprich: So elegant wie möglich wagen Sie sich durch unbekanntes Terrain. Das macht einen Gentleman aus: Es ist die Fähigkeit, sich seiner Unsicherheit zu stellen.

Bedeutet das, dass für Sie Mickey Pearson [die Hauptfigur, ein Marihuana-Mogul aus London, gespielt von Matthew McConaughey] ein Gentleman ist?

Ja, ich denke schon. Auf jeden Fall.

Er scheint zumindest einen Grund zu haben, Cannabis zu verkaufen und kein Heroin, wie es stattdessen seine Konkurrenten tun.

Naja, ich denke, dass alles im Leben ein Kompromiss ist, richtig? Du musst deinen Weg in einer düsteren Welt finden, in der sich jeder mit dem anderen vergleicht. Und dafür musst du Entscheidungen fällen. Mit diesen Entscheidungen versuchst du dir einen Teil deiner Integrität und Würde aufrecht zu erhalten. Und du versuchst dabei in der Regel, nicht selbstgerecht zu werden oder gar ein Heiliger zu sein. Mir kommt es so vor, dass du, sobald du zu sehr den Heiligen gibst, du den Bezug zum Dreck, zum Leben verlierst.

Würden Sie deshalb sagen, er ist eine andere Art von Verbrecher als die restlichen Figuren im Film?

Ja, würde ich. Für Mickey Pearson geht es um genau diesen Kompromiss: Wenn du dich entscheidest, Drogen zu verkaufen, musst du dich entscheiden: Verkaufe ich Cannabis oder verkaufe ich hartes Zeug, verkaufe ich Heroin. Natürlich: Beides sind verfluchte Drogen, richtig? Trotzdem ist da ein Unterschied.

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Wir alle suchen unseren Weg

Foto: Verleih, Gibt sich verdammt viel Mühe für seinen Boss Pearson: Raymond.

Ich würde behaupten, Matthew McConaughey spielt einen Süchtigen in diesem Film. Er ist süchtig danach, Drogen zu verkaufen, statt sie selbst zu nehmen. Würden Sie sagen, jeder Charakter in "The Gentlemen" – oder möglicherweise jeder Mensch generell – ist bis zu einem gewissen Grad abhängig oder süchtig in seinem Leben?

Ja, das würde ich absolut.

Ist das etwas, dass Sie ganz direkt mit diesem Film versucht haben, auszusagen bzw. mitzuteilen?

Klar, dieser Aspekt lässt sich auch einfach nicht vermeiden, wenn man genau diese Geschichte erzählt. Die Frage ist immer, wie sehr man sich dem Kern seiner eigenen Geschichte bewusst ist. Wie ich vorhin sagte: Wir alle haben die Aufgabe, unseren Weg zu finden. Und dieser Weg ist oft sehr vertrackt. Aber man muss doch denen applaudieren, die es wirklich versuchen. Und man sollte all die, die es versuchen, deshalb auch nicht zu sehr verurteilen. Es gibt Menschen da draußen, die sich verdammt viel Mühe geben – und es kann sehr hart sein, sich Mühe zu geben. Und deswegen – um unser Gespräch gewissermaßen zusammenzufassen – ist ein Gentleman immer jemand, der sich sehr viel Mühe gibt, der alles versucht und dabei auch auf die Schnauze fliegt, sich vielleicht sogar abhängig macht. Aber immerhin versucht er es.

Ist das das verbindende Element aller Charaktere in "The Gentlemen"? Dass sie sich Mühe geben, dass sie es versuchen?

Sehen Sie: Die positive Seite des Ehrgeizes, den alle diese Figuren haben, ist, dass man durch ihn nach etwas Größerem strebt. Die negative Seite des Ehrgeizes ist, dass man durch ihn ein ziemlich Mistkerl werden kann. (lacht) Wonach wir wirklich ehrgeizig sind, ist, etwas zu suchen, dass die Suche wert war. Oft jagen wir einem Hasen hinterher, der gar nicht existiert. Aber manchmal jagen wir dem Hasen nach, der existiert. Und deshalb: Ja, ein Hoch auf all die, die es noch versuchen.

Vielen Dank.

"The Gentlemen" läuft seit dem 27. Februar in den deutschen Kinos.