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Gab es in letzter Zeit beeindruckendere Trailer als die zu "Dune"? Fantastische Bilder, mitreißende Musik und eine wahre Parade an Superstars gab es darin zu bestaunen, der Plot wurde dafür kaum angerissen. Das Marketing versuchte vollständig, "Dune" als Überwältigungskino zu verkaufen, als großen Mega-Blockbuster, den man einfach im Kino gesehen haben muss. Die Message war: Wer hier auf Blu-ray oder Streaming wartet, dem entgeht etwas.

Und nach dem Kinobesuch des Sci-Fi-Epos lässt sich sagen: Dieser Eindruck ist absolut richtig! "Dune" gehört auf die größtmögliche Leinwand, in das Kino mit den lautesten Lautsprechern. Nur hier kann man als Zuschauer gebührend würdigen, was Regisseur Denis Villeneuve, der zuletzt den ähnlich monströs-überwältigenden "Blade Runner 2049" verantwortete, geschaffen hat. Allerdings könnte man auch böse sein und sagen: Wer "Dune" im Kino verpasst, der braucht ihn später eigentlich gar nicht mehr nachzuholen.

Als hätte Shakespeare einst "Star Wars" geschrieben

Es gab vor einiger Zeit ein paar lustige Buch-Veröffentlichungen, bei denen die alten "Star Wars"-Drehbücher neu verfasst wurden – im Stil alter Werke von William Shakespeare. Ein bisschen so muss man sich "Dune" vorstellen. Grob zusammengefasst geht es um den jungen Paul (Timothée Chalamet), der als Sohn von Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac) mit großer Verantwortung geboren wurde. Als das Geschlecht seines Vaters vom intergalaktischen Imperator auf den Wüstenplaneten Arrakis versetzt wird, um dort eine lebensverlängernde Droge (genannt: Spice) zu ernten, beginnen bei Paul seltsame Träume.

In ihnen sieht er eine schöne Unbekannte (Zendaya) auf Arrakis, die ihm scheinbar etwas mitteilen möchte. Als er und seine Familie, darunter seine übernatürlich begabte Mutter Lady Jessica (Rebecca Ferguson) und sein Beschützer Duncan Idaho (Jason Momoa), auf Arrakis ankommen und in eine Falle gelockt werden, muss Paul in die unendlichen Wüsten des Planeten fliehen. Doch Vorsicht ist geboten: Unter den ewigen Sandmassen schlummert der Shai-Hulud, ein riesiges, tödliches, wurmartiges Monster.

Dune: Ein Fest für die Sinne

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Für Regisseur Denis Villeneuve kam es bei "Dune" darauf an, echte Bildgewalt zu entfesseln.

So lässt sich die Handlung, die deutlich komplizierter klingt als sie ist, grob zusammenfassen. Wer sich in der Filmgeschichte gut auskennt, wird die Handlung vielleicht eh bereits kennen: Schon 1984 wurde die Romanvorlage von Frank Herbert, auf der "Dune" basiert, verfilmt, damals von David Lynch. Die damalige Verfilmung "Der Wüstenplanet" war der Versuch, an den Erfolg der "Star Wars"-Filme anzuknüpfen, scheiterte aber kläglich und wurde von Kritikern zerrissen – auch wenn der schräge Kostümfilm mittlerweile zum Kult avancierte. Lynchs Adaption war auch der Grund, weshalb Villeneuve unbedingt seinen "Dune"-Film machen wolle. Er bewundert Lynch, sah dessen Version aber als gescheitert an.

Und zumindest in einer Hinsicht übertrifft er Lynchs Film schon nach wenigen Sekunden. Sahen damals die Spezialeffekte schon für ihre Entstehungszeit angestaubt aus, ist sein "Dune" ein audiovisuelles Meisterwerk. Die größtenteils am Computer entstandenen Raumschiffe, Erntemaschinen und Sandwürmer sind optisch vollkommen brillant – und drücken das Publikum in Kombination mit dem durchgehend wuchtigen Sound für volle 155 Minuten in den Sitz. Der erste große Auftritt des Shai-Hulud ist einer der bombastischsten Momente, die das Blockbuster-Kino je hervorbrachte.

Villeneuve meint es mit der Epik hier sehr ernst: Seine gewaltigen, atemberaubenden Aufnahmen der Wüstenlandschaft von Arrakis erinnern an große filmische Meilensteine wie "Lawrence von Arabien" oder gar "Ben Hur". Und noch jemand trägt zu der unglaublichen Erfahrung bei, die ein Kinobesuch von "Dune" bietet: Hans Zimmer. Der legendäre deutsche Komponist liefert den lautesten und wummerndsten Soundtrack seiner Karriere ab, der für eine phänomenale Atmosphäre sorgt – und in einigen Kinos die Lautsprecher zum Übersteuern bringen könnte.

Aber… ist das alles nur viel Lärm um Nichts?

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Toll aussehen tut "Dune", doch viel passieren tut in ihm erstmal nichts.

Die Frage mag merkwürdig klingen, doch: Bietet "Dune" noch mehr als nur ein berauschendes Kinoerlebnis? Und hier lautet die Antwort: leider nicht so wirklich. Den Roman von Frank Herbert zu adaptieren ist immens schwierig. Auf mehr als 700 Seiten kommt das Buch, und ist vollgestopft mit Erklärungen. Was sind die Fremen? Wer ist der Kwisatz Haderach? Was genau will der finstere Baron Harkonnen? Wie funktioniert das "Spice", hinter dem das gesamte Imperium her ist? Ganz am Ende des Romans steht in den meisten Auflagen nochmal ein Glossar, in dem alle abgespacten Sci-Fi-Begriffe erklärt sind.

Und so muss auch Denis Villeneuve für seinen Film eine immense Zeitspanne aufbringen, in der er vor allem dem Publikum die Welt von "Dune" näherbringt. Das lässt den Film zu einer recht zähen Veranstaltung werden. "Star Wars" gelang es einst, flink und präzise in den Kosmos einzutauchen und die Animationsfilme der Pixar Studios zeigen regelmäßig auf, wie brillant Exposition, Handlungsaufbau und Spannung und Spaß sich verknüpfen lassen, als Musterbeispiel sei hier "Alles steht Kopf" genannt. Bei "Dune" jedoch dürfen Zuschauer in den ersten 60 bis 90 Minuten hauptsächlich Begriffe lernen und sich Wissen über die Regeln des Universums aneignen.

In dieser Zeit passiert auch wenig für den Plot relevantes. Die eigentliche Geschichte startet erst nach anderthalb Stunden. So viel Vorarbeit muss Denis Villeneuve leisten – und selbst danach werden Szenen immer wieder unterbrochen, um doch nochmal eine Erklärung nachzuschieben, die vorab nicht in den Film passte. So episch "Dune" auch aussieht, so geschwätzig ist er leider auch.

Nur ein halber Film: Fortsetzung folgt … ?

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Es rummst gewaltig in "Dune".

Wenn es dann endlich zur Sache geht und sich eine Intrige gegen das Haus Atreides entlädt, die zu phänomenalen Actionszenen führt (absolutes Highlight ist eine Art "Pearl Harbor im Weltraum" – so episch war seit "Der Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs" keine Kino-Szene!), mag es interessanter werden, doch auch hier ist das Problem: All die vielen Figuren, allesamt von großartigen Schauspielern gespielt, sind kaum interessant genug, um mit ihnen zu fühlen.

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Gewaltige Action: Gurney Halleck (Josh Brolin) rettet Paul (Timothée Chalamet) vor einem Sandwurm.

Timothée Chalamet muss als Paul meist nur grübelnd in die Ferne starren, große Schauspieler wie Josh Brolin oder Oscarpreisträger Javier Bardem bekommen kaum etwas zu tun. Richtig gut hat es eigentlich nur Jason Momoa erwischt, der seinen ganzen "Aquaman"-Charme sprühen lassen kann, und Oscar Isaac, der lange nicht mehr so engagiert und charismatisch wirkte. Einen interessanten Gastauftritt hat auch der Schwede Stellan Skarsgård als finsterer, ekliger Baron Harkonnen, der wohl nicht zufällig in seiner Art zu sprechen an den Imperator aus "Star Wars" erinnert.

Wirklich frustrierend ist dann der Schluss, denn: Es gibt keinen! Schon zu Beginn blendet Villeneuve den wahren Titel seines Films ein: "Dune: Part One". Teil 1 also. Tatsächlich: "Dune" endet auf der Hälfte des ersten Buchs. Ein zweiter Teil ist geplant, sollte "Dune" Erfolg haben. Wenn nicht, könnte diese Geschichte für immer unerzählt bleiben, bzw. wären Zuschauer dann gezwungen, das Buch zu lesen oder den alten David-Lynch-Film zu sehen, der zwar gehetzt vorging, aber immerhin die Story auch abschloß. So, wie Villeneuve aber jetzt verbleibt, ist "Dune" unglaublich kräftezehrend. Man stelle sich vor, "Star Wars" hätte damals aufgehört, als Luke mit Han Solo und Obi-Wan Kenobi im Millennium Falken Tattooine verlässt.

Damit Teil 2 kommt, hilft nur: Ins Kino gehen!

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Zendaya kommt in "Dune" nur kurz vor. Sollte es zur Fortsetzung kommen, wird sie jedoch zur Hauptrolle aufsteigen.

So bleibt ein fader Beigeschmack. "Dune" ist ein Epos, ein monumentales Werk, eine einzigartige Kino-Erfahrung, deren Plot aber so simpel ist, dass er die Zuschauer wohl mehr beeindrucken als unterhalten wird. Eine Kritik im Hollywood Reporter nannte den Film "die langweiligen Hausaufgaben, bevor es richtig losgeht". Und da ist durchaus was dran. Zusätzlich kommt der Frust, nicht sicher sein zu können, OB es jemals richtig losgehen wird. In Corona-Zeiten ist ein Flop von "Dune" jedenfalls nicht auszuschließen.

Wer also Lust auf "Dune" hat, muss diesen Film im Kino sehen. Nur hier kann er seine Stärken wirklich ausspielen. Und wer das Geld für die Kinokarte zahlt, finanziert damit auch die Hoffnung, dass dieser offene Schluss nicht das Ende sein wird.

"Dune" ist seit dem 16. September 2021 in den deutschen Kinos zu sehen.