Ein Film von Heath Ledger und seinen Freunden", steht auf der Leinwand, und schon das ist ein Zeichen, dass dies kein gewöhnlicher Film ist. "Das Kabinett des Doktor Parnassus", die elfte Regiearbeit von Terry Gilliam, stellte den Regisseur vor besondere Herausforderungen.

Nicht dass Gilliam keine Erfahrung mit schwierigen Drehbedingungen hätte. Seine Kämpfe mit Studios und Produzenten sind legendär und füllen ganze Bücher. Mal drohte er, das Negativ zu verbrennen, mal forderte er das Studio in Zeitungsanzeigen auf, doch endlich seinen Film zu zeigen. Der Dreh seines Don-Quijote-Films musste nach zwei Tagen abgebrochen werden, da der Hauptdarsteller erkrankte, die Finanzierung kollabierte und das Film-Set von einem Sturzregen hinweggespült wurde.

Aber nichts konnte Monty-Python-Mitglied Terry Gilliam darauf vorbereiten, was am 22. Januar 2008 geschah: Da starb in New York der australische Schauspieler Heath Ledger an einem Tablettenmix. Er war 29 Jahre alt. Eigentlich hätte er sich in jener Woche mit Steven Spielberg wegen eines neuen Projekts treffen und dann später nach Vancouver fliegen sollen, um seine Arbeit an "Doktor Parnassus" zu vollenden. Der Realteil seiner Rolle war schon abgedreht, jetzt waren Effektsequenzen im Studio dran. Doch Ledger kam nicht mehr dazu - Terry Gilliam erlebte den Super-GAU: den Tod seines Hauptdarstellers.

Voller Fantasie und Ideen: "Das Kabinett des Doktor Parnassus"

Zuerst wollte Gilliam das ganze Projekt beerdigen. Doch viele bestärkten ihn, den Film in Ledgers Sinn zu beenden. Die Lösung fand er schließlich in einem Drehbuchkniff und in Gestalt von gleich drei Filmstars - alles Freunde des Toten -, die selbstlos einsprangen: Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell. Ihre (Minimal-)Gage spendeten sie Ledgers kleiner Tochter Matilda.

Gilliam und Ledger hatten sich bei den Dreharbeiten zu "Brothers Grimm" kennengelernt und gleich so gut verstanden, dass Insider von einer ähnlich intensiven Regisseur-Schauspieler-Beziehung sprachen wie bei Tim Burton und Johnny Depp. Gemeinsam wollte man noch viele Filme drehen. Weshalb Gilliam auch die Gerüchte, Ledger sei an der Düsternis seiner Rollen in "The Dark Knight" und "Parnassus" zerbrochen, als absoluten Blödsinn bezeichnet. Aber makaber bleibt es doch, wenn Heath Ledger in seiner ersten Szene in Gilliams Werk erhängt von einer Brücke baumelt.

Valentina (Lily Cole), die Tochter des Doktor Parnassus, kümmert sich um Tony (Heath Ledger)

Dabei erweist sich der von ihm gespielte Tony (benannt übrigens nach dem englischen Ex-Premier Tony Blair...), ein charmanter Scharlatan, als wahrer Überlebenskünstler. Er stößt zum verlotterten Magier Doktor Parnassus (Christopher Plummer), der mit dem teuflischen Mr. Nick (Tom Waits) eine jahrhundertelange Wette laufen hat. Parnassus zieht mit Tochter Valentina (Lily Cole) auf seinem Varietékarren umher und besitzt einen magischen Spiegel, durch den die Menschen eine Fantasiewelt betreten, in der sie jeweils andere Gestalt annehmen können. Und das ist auch der Kunstgriff, der Tony plötzlich wie Depp, Law und Farrell aussehen lässt.

"Parnassus" ist ein typisches Gilliam-Geschöpf, voll grandioser Bilder und überbordender Fantasie, die wie so oft mit ihrem Schöpfer durchgeht und manchmal zerfasert, keine rechte Linie findet. Man fühlt sich erinnert an den Irrsinn von "Time Bandits", den Größenwahn von "Baron Münchhausen", die Tragik von "König der Fischer", wobei die Beschränkungen des eher niedrigen Budgets (28 Mio. Dollar) deutlich zu sehen sind. Aber die Story vom toten Star und seinen Freunden, die halfen, ist es, die uns berührt, tief im Herzen. 

Volker Bleeck