Am liebsten sahen seine Fans ihn als Actionhelden, in großen Hollywoodkrachern wie "Stirb langsam" oder dem Buddy-Cop-Reißer "Last Boy Scout – Das Ziel ist Überleben". Doch abseits dieser Blockbuster war Bruce Willis auch immer bemüht, sein schauspielerisches Talent zu zeigen – es gelang ihm in famos subtilen Leistungen für Dramen wie "12 Monkeys", "The Sixth Sense" oder "Unbreakable – Unzerbrechlich".

Nur um eine Art Rolle machte er beinahe immer einen großen Bogen: Bösewichte hat Bruce Willis so gut wie gar nicht gespielt. Nicht jede seiner Rollen war von Beginn an sympathisch, so spielte er grade im Zeitreisefilm "Looper" oder im Gangsterepos "Lucky Number Slevin" zwielichtige Figuren. Als richtiger Unsympath war er aber fast nie zu sehen. Dabei ist es jedoch nicht so, dass er es nie versucht hätte. Zu seiner Karriere-Hochzeit trat er zumindest einmal als klarer Bösewicht in Erscheinung – im Film "Ausnahmezustand", der sozusagen auch eine Ausnahme in seinem Lebenswerk ist.

"Ausnahmezustand" zeigte Bruce Willis als Unsympathen

20th Century Fox

Ein "Ausnahmezustand" war dieser Film für die Karriere von Bruce Willis – denn ausnahmsweise spielte er mal keinen Sympathieträger.

Für einen Actionfilm aus dem Jahr 1998 ist "Ausnahmezustand" enorm politisch aufgeladen. Der Film handelt davon, dass in New York City durch systematische Selbstmordanschläge arabischer Terroristen viele Menschen getötet werden, weshalb in der Stadt der titelgebende Ausnahmezustand verhängt wird. Das Militär patrouilliert in den Straßen und nimmt arabisch aussehende Menschen gefangen und sperrt diese in ein Lager. Dort hat der Generalmajor William Devereaux (Bruce Willis) das Sagen – und er missbraucht seine Macht schamlos, um Verdächtige mit brutalsten Methoden seelisch und körperlich zu foltern.

Parallel ist das FBI darum bemüht, mehr über die Hintergründe der Terroristen zu erfahren. Agent Anthony Hubbard (Denzel Washington) und sein aus dem Libanon stammender Kollege Frank Haddad (Tony Shalhoub) finden Spuren zur gemeinsamen Vergangenheit der Attentäter, die sie sich nicht erklären können. Mehrfach stoßen sie bei ihren Ermittlungen auf die mysteriöse Elise Kraft (Annette Bening), die sich anfangs als Politikerin ausgibt, sich aber bald als eine Person von ganz anderem Kaliber entpuppt. Während die Folterungen und Internierungen von Devereaux immer weiter zunehmen, kommt Hubbard zur Einsicht, dass das fehlgeleitete Militär längst zur viel größeren Bedrohung für New York geworden ist als der Terrorismus.

Mit Bruce Willis: "Ausnahmezustand" war seiner Zeit voraus

20th Century Fox

Das FBI ermittelt in "Ausnahmezustand" erst gegen arabische Terroristen, dann gegen Feinde aus den eigenen Reihen.

Regisseur Edward Zwick hatte sich mit "Ausnahmezustand" einen wirklich harten Stoff gewählt: Menschenrechtsverletzungen des Militärs, Terrorismus, Machtmissbrauch und Folter sind keine typischen Themen für US-Actionfilme. Dementsprechend ging der Film an den Kinokassen baden und wurde ein großer Flop. Viele Zuschauer kritisierten den Film für sein unglaubwürdiges und sensationsheischendes Szenario. Dass man zudem mit Bruce Willis einen Actionhelden der 90er als ruchlosen Folterer zeigte, der unschuldige Bürger aus rassistischen Motiven in Lager sperrte, störte ebenfalls viele. Dem Kinostar wurde 1999 für seine Arbeit in u. a. "Ausnahmezustand" der Negativpreis Goldene Himbeere in der Kategorie 'Schlechtester Schauspieler des Jahres' verliehen – wohl mit ein Grund, warum es die einzige große Bösewichtsrolle seiner Karriere blieb.

Nur wenige Jahre später bekam "Ausnahmezustand" aber neue Aufmerksamkeit. Knapp drei Jahre nach Kinostart kam es in New York zu den Terroranschlägen vom 11. September. Schlagartig bewies der verkannte Film von Zwick eine prophetische Kraft: Nicht nur hatte er die Gefahren des Terrorismus und ihre verstörende Wirkung für die westliche Welt vorausgeahnt. Die Foltermethoden und die unmenschlichen Bedingungen für die zusammengepferchten arabischen Bürger nahmen vorweg, was später in den Abu-Ghureib-Gefängnissen im Irak und auf der kubanischen Militärbasis Guantanamo geschah, als direkte Folge auf die Anschläge vom 11. September. Jahre später urteilte der Journalist Jakob Augstein etwa, der Film habe das Amerika unter George W. Bush bereits treffend gezeigt, obwohl bei der Veröffentlichung des Films noch Bill Clinton im Weißen Haus regierte.

Bei "Ausnahmezustand" handelt es sich gewiss um einen Film, der von der Zeit erst eingeholt werden musste. Heute wirkt er als packende politische Parabel auf den Krieg gegen den Terror – und lebt gerade von Bruce Willis und seiner unerbittlichen Darstellung eines korrupten Generals. Fans der Leinwandlegende sollten "Ausnahmezustand" eine zweite Chance einräumen. Und wenn nur als Erinnerung daran, dass "Brusli" – wie ihn seine Fans gerne nannten – auch ganz anders konnte.

"Ausnahmezustand" ist auf DVD und Blu-ray erschienen und kann jederzeit bei Disney+ gestreamt werden.