"Harry hätte stolz sein können"

Für die Coen-Brüder, Martin Scorsese und David Fincher stand Schauspieler John Carroll Lynch in seiner mehr als zwanzig Jahre dauernden Karriere schon vor der Kamera. Irgendwann war der Wunsch da, Regie zu führen, und dann die Gelegenheit: Seine lakonische Eigenbrötlerkomödie "Lucky" ist eine Hommage an Hauptdarsteller Harry Dean Stanton, der Mitte September 2017 im Alter von 91 Jahren starb.

Das Interview

Wie kam es zu Ihrem Regiedebüt im fortgeschrittenen Alter von 53 Jahren?
John Carroll Lynch: 2015 schickte man mir das Drehbuch und fragte, ob ich eine Rolle übernehmen wolle. Harry hatte da schon zugesagt. Ein paar Monate später meinte Co-Drehbuchautor Drago Sumonja, der den Film inszenieren sollte, ob ich nicht Regie führen wolle.

Welche Rolle wär's gewesen?
Die des Dinerwirts Joe, jetzt gespielt von dem großartigen Barry Shabaka Henley.

Fühlten Sie sich bereit?
So bereit wie jeder andere. (lacht) Es kommt eine Tonne von Fragen auf einen zu - einige, auf die ich vorbereitet war, und andere, von denen ich im Leben nicht gedacht hätte, dass man sie mir stellen würde. Mich hat das ein wenig an die Zeit erinnert, als ich mit meiner Frau un­sere Hochzeit vorbereitet habe und wir entscheiden mussten, welche Blumen wir haben wollten. Vorher dachte ich, ich ­hätte gar keine Meinung zu Blumen, aber kaum waren wir da, hatte ich eine!
Merkte man Harry Dean Stanton beim Dreh an, dass es ihm nicht so gut ging?
Nein. Er war müde, aber vor allem deshalb, weil es viel ­Arbeit war. Man muss bedenken, er war damals 89 Jahre alt - eine Woche nachdem wir fertig waren, wurde er 90.

Wann erfuhren Sie von Harrys Tod?
Ich hörte, dass seine Familie ihn in die Obhut eines Hos­pizes gegeben hatte. Zwanzig Minuten später stieg ich aus dem Flugzeug und erfuhr, dass er gestorben war, im Grunde als ich landete. (lange Pause) Er hat den Film nie ­gesehen. Ich wünschte mir, Harry hätte ihn noch sehen können, er hätte stolz darauf sein können.

Für welche Rollen werden Sie am häufigsten erkannt?
Kommt drauf an: Jüngere, meist weibliche Fans kennen mich aus "American Horror Story", Afroamerikaner aus "Gothika" mit Halle Berry. Sehr oft werde ich für Sachen erkannt, die ich gar nicht ­gemacht habe. (lacht) Am meisten jedoch für "Zodiac" und ­natürlich "Fargo".

Da hatten Sie ja nicht eben so wahnsinnig viel zu tun.
Sagen Sie das nicht, ich habe gegessen, geschlafen, alles Mögliche! (lacht) Es war eine so wunderbare Erfahrung. Vor allem mit Fran (Frances McDormand) zu arbeiten war einfach fantastisch.