"Saving Mr. Banks" ist erst der dritte Kinofilm, der in Disneyland gedreht werden durfte. Der erste war die Tony-Curtis-Komödie "Ein Rucksack voller Ärger" im Jahr 1962, der letzte bislang die Musik­komödie "That Thing You Do", 1996, das Regiedebüt von Tom Hanks, der hier als Walt Disney den Sparringspartner für Emma Thompsons P. L. Travers gibt:

TV SPIELFILM: Was fällt Ihnen als Erstes zu Walt Disney ein?

EMMA THOMPSON
Oh, Erinnerungen an eine Zeit, als ich noch klein war. Sie müssen bedenken, ich bin 1959 geboren, vierzehn Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs, da war London noch ein ziemlich düsterer Ort. Überall war Rauch von Kohleöfen, ein bisschen wie bei Charles Dickens. Dann kam "Mary Poppins" ins Kino, und ich dachte, so kann London also im Sommer aussehen. Disneys Filme haben meine Heimatstadt für mich verändert.
TOM HANKS In meiner Kindheit war Walt Disney so allgegenwärtig wie Elvis Presley und Smokey Bear (Plakatfigur, die seit 1944 vor Waldbränden warnt). Jeden Sonntag um sieben saßen wir vor dem Fernseher und sahen "Walt Disney's Wonderful World of Color", am besten, wenn man jemandem mit einem Farbfernseher kannte.

Manchmal führte Walt einen hinter die Kulissen von Disneyland - das war, als wäre man gestorben und gleich in den Himmel gekommen. Wissen Sie, dass Steve Martin um die Ecke von Disneyland aufwuchs? Das wollten wir alle! Ihn müssen Sie mal fragen, der kennt Geschichten!

Erinnern Sie sich an Ihren ersten Besuch dort?

TOM HANKS
Da war ich 12 oder 13, das muss im Sommer 1967 oder 68 gewesen sein. Ich weiß noch genau, dass Freunde, die schon dort gewesen waren, ihre Eintrittskarten, Lagepläne aus dem Souvenirshop vor uns ausbreiteten wie Reliquien.

Wir haben alles genau studiert und wussten natürlich schon, wie die großen Attraktionen aussahen, Jungle Ride und Pirates of the Caribbean. Aber als wir dann auf der Karte sahen, wie nah sie beieinanderlagen, war das so, als hätte man uns ein Papyrus vom antiken Mesopotamien gezeigt. (lacht)
Emma, hatten Sie vorher schon von der
"Mary Poppins"-Autorin P. L. Travers gehört?

EMMA THOMPSON
Nein, überhaupt nicht. Dabei war sie eine so bemerkenswerte Frau, gerade für die Zeit, in der sie lebte. Sie hatte keine eigenen Kinder, sie hat welche adoptiert. In gewisser Weise war sie bahnbrechend - und natürlich sehr schwierig, schrecklich pedantisch, bestimmend, ziemlich gestört.

Was wohl auch aus den Originalbandauf-
nahmen von Travers' Besuch bei Disney
hervorgeht, die Sie zur Vorbereitung hören konnten und die über dem Abspann laufen.

EMMA THOMPSON
Sechs Stunden Tonmaterial habe ich mir angehört und gedacht, oh Mann, wie haben die das damals ausgehalten? Das war ziemlich hart. Und das noch vor den eigentlichen Dreharbeiten!

Sie mochte auch den fertigen Film nicht?

EMMA THOMPSON
Überhaupt nicht. Noch bei der Premiere hat sie nach der Vorführung Walt Disney beiseitegenommen und gesagt: "Die Zeichentricksachen müssen raus!" Da meinte er nur: "Pamela, dieses Schiff hat den Hafen verlassen, der Film ist da."
TOM HANKS Ich habe "Mary Poppins" erst in einer der Wiederaufführungen gesehen, wahrscheinlich wurde ich gezwungen... Nein, er hat mir schon gefallen, besonders der Schornsteinfegertanz.

Wie sah Ihre Recherche zu Walt aus?

TOM HANKS
Walts Tochter Diane Disney Miller gab mir kompletten Zugang zum Familienmuseum. Zweimal war ich da, beim zweiten Mal bestimmt sechs Stunden lang, und hab mir alles angesehen, Videos, Artefakte, persönliche Aufzeichnungen. Richard Sherman (Filmkomponist) war ein Quell von Anekdoten: was für eine Gewitterziege P. L. Travers war, wie sehr sie und die Shermans sich hassten und wie bestürzt Walt darüber war, dass ihm, sicher zum ersten Mal in 20 Jahren, jemand vorwarf, Walt Disney zu sein.
Emma, Sie schrieben die Bücher und spielten 2005 und 2010 die Hauptrolle in zwei "Nanny McPhee"-Kinofilmen. Sind Sie jetzt auf Nannys abonniert?

EMMA THOMPSON
Ja, mein Mann meinte schon, das lässt echt tief blicken. Was mich wiederum überlegen ließ, ob hinter jeder magischen Nanny eine übellaunige, streitsüchtige Alte stecken muss. (lacht) Während meiner Recherche entdeckte ich, dass P. L. Travers ihre Mary Poppins als eine Art "zen master" ansah - genauso hatte ich Nanny McPhee einst beschrieben! Für mich sind sowieso alle Nanny-Geschichten im Grunde nichts anderes als Western.

Das müssen Sie genauer erklären.

EMMA THOMPSON
Im Western kommt ein Fremder von außen in eine Konfliktsituation, löst sie mit unorthodoxen Mitteln und verschwindet wieder. Ein bisschen wie Jesus - womit ich nicht sagen will, dass die Bibel ein Western ist!

Wir haben Sie eigentlich länger nicht mehr
im Kino gesehen. Warum?

EMMA THOMPSON
Zum einen habe ich die "Nanny"-Bücher geschrieben. Ich nenne das tatsächlich meine Nanny-Jahre. Aber irgendwann musste ich wieder Geld verdienen, das bezahlt sich ja nicht von alleine. Also bat ich meinen Agenten, den Markt zu sondieren.

Und?

EMMA THOMPSON
Er kam mit drei Vorschlägen: eine alte Frau im Rollstuhl, die Mutter von Bradley Cooper und Mutter Theresa. Da dachte ich, vielleicht muss ich doch mal etwas für mein Image tun.

Interview: Scott Orlin