TV SPIELFILM Ihr Film porträtiert einen liebenswerten Verlierer, der im New York der 60er Jahre vergeblich versucht, in der Folkmusikszene Fuß zu fassen. Welche Aktualität besitzt ihr Filmheld für das heutige Publikum?

ETHAN COEN
Wir wollten einen modernen tragischen Helden schaffen und beleuchten: Warum scheitert dieser Mensch so gnadenlos mit allem, was er macht? Er kann nicht gut mit Menschen umgehen, er hat Pech im Leben und in der Liebe und versucht, als Musiker in einem Genre Erfolg zu haben, das nicht gerade kommerziell ertragreich ist. Zwar ist der Hintergrund der Geschichte sehr ausgefallen, die Attribute unseres Helden sind aber zeitlos.

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Bruderkino: Joel (r.) und Ethan Coen führen Regie, hier bei "Burn After Reading"

JOEL COEN Jeder von uns kennt seinen "Llewyn Davis", der unglaublich talentiert ist und es trotzdem durch eine verzwickte Verknüpfung unglücklicher Umstände einfach nicht schafft, vom Fleck zu kommen.

Ihre Filme strotzen vor tragisch-verschrobenen Figuren. Doch diesmal gönnen Sie Ihrem Protagonisten selbst am Ende kein Happy End.

ETHAN COEN
Das stimmt. Am Ende des Films ist er genau da, wo er begonnen hat. Aber das ist nicht automatisch tragisch.

JOEL COEN Unser Film erzählt viel über Kunst und das Business, in dem Kunst heute stattfindet. Wir sehen in den Medien natürlich immer nur die Künstler, die es geschafft haben. Die vielen ungehörten und ungelesenen Stimmen nehmen wir gar nicht wahr. Llewyn Davis scheitert ja nicht, weil er ein untalentierter Künstler ist.

Warum spielt der Film in der Folkszene?

JOEL COEN
Es ist ein sehr spezielles Gebiet und ich glaube, dass Folkmusik heute eine Renaissance erlebt. Bands wie Bon Iver oder Mumford & Sons zeigen, dass das Genre Folk wieder angesagt ist. Deshalb ist das Setting des Film gar nicht so historisch angelegt, wie es auf den ersten Blick scheint.

Woher kommt diese Renaissance?

JOEL COEN
Popmusik im weitesten Sinne kam und ging schon immer in Wellen. Vielleicht haben die Menschen heute dumpfe Beats erst einmal satt und besinnen sich auf Musik, die es schon einmal gab.

Alle Songs in "Inside Lllewyn Davis" werden von den Schauspielern in Gänze gesungen. Ist das Ihre Hommage an die Musik?

ETHAN COEN
Ja, es geht zum einen um unsere Wertschätzung der Musik, zum anderen um die Filmfiguren, die diese Musik präsentieren.

JOEL COEN Außerdem haben wir eine Filmfigur geschaffen, die sich in der Musikszene versucht. Um ihn glaubhaft zu gestalten, mussten wir natürlich der Musik einen großen Platz einräumen. Jeder Song trägt darüber hinaus zu der Gestaltung des Films als Ganzes bei.
Viele Regisseure sagen, gute Schauspieler könnten nicht singen, gute Sänger nicht schauspielen. Was meinen Sie dazu?

ETHAN COEN
Das war ein echtes Problem. Weil Musik eine sowichtige Rolle in dem Film einnimmt, haben wir uns zuerst um gute Musiker gekümmert. Das war teilweise desillusionierend, weil das Schauspieltalent bei vielen recht mickrig war. Dann kam Oscar Isaac zum Casting und da fanden wir genau den, den wir gesucht hatten.

"Inside Llewyn Davis" geht auch mit dem Kulturbetrieb hart ins Gericht. Welche Form von Kritik wollten sie beide damit zum Ausdruck bringen?

ETHAN COEN
Mit Kultur sein Geld zu verdienen war und ist "motherfucking" taff. Unser Protagonist wird wie ein Paradiesvogel auf Dinnerparties reicher Pseudokulturfans rumgereicht. Zum Glück ist Joel und mir das früher nicht passiert, weil wir uns von solchen Parties immer ferngehalten haben. Das einzig Gute ist: Du kannst anziehen, was du willst, dir wird alles vergeben, weil du Künstler bist.

Viele würden sich lieber einer Wurzelbehandlung beim Zahnarzt unterziehen als jeden Tag mit dem Bruder zu tun zu haben. Wenn es berufliche Meinungsverschiedenheiten bei Ihnen gibt, streiten Sie als Brüder oder als professionelle Regisseure?

ETHAN COEN
Wir verstehen uns einfach super, die Chemie passt. Am Set arbeiten wir mit sehr vielen Filmprofis zusammen und streiten während der Dreharbeiten eigentlich nie, weder untereinander noch mit anderen.

Interview: Henrik Hohl