TV SPIELFILM: Um Ihren Hauptdarsteller zu überzeugen, haben Sie Colin Firth, wie er sagt, einen höchst eloquenten Brief geschrieben, statt einfach seinen Agenten einzuschalten. Warum?

TOM FORD Einen Film zu machen, ist harte Arbeit, auch wenn man so privilegiert ist, wie ich es bin. Colin war von Anfang an meine erste Wahl. Wir haben denselben Agenten, und als es an die Besetzung des Films ging, hab ich ihn wegen Colin befragt. Er hat mir gesagt, das könne ich vergessen, Colin sei schon ausgebucht. Also habe ich erst einen anderen Schauspieler verpflichtet. Dann stand ich auf der "Mamma Mia"-Premiere in London mit Colin zusammen und hab mich mit ihm unterhalten. Dabei hab ich mir andauernd in den Hintern gebissen, weil ich wusste, dass er immer noch genau der Richtige für die Rolle war. Als dann der andere Schauspieler ausstieg, habe ich über einen Freund Colins E-Mailadresse bekommen und ihm einfach mal ins Blaue eine Nachricht geschickt. Das Drehbuch bekam er per Kurier - und keine 24 Stunden später bekam ich eine Mail von ihm, dass er es großártig findet. Ich sprang ins Flugzeug und wir haben noch ein paar grundlegende Sachen besprochen. Nach dem Essen haben wir uns die Hand darauf gegeben und hatten einen Deal. Drei Wochen später ging's los mit unserer Arbeit.

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Colin Firth als George

Gab es nicht noch ein anderes Besetzungsproblem?

TOM FORD Ich hatte einen recht bekannten Schauspieler für die Rolle des Kenny besetzt, aber der tauchte am ersten Drehtag einfach nicht auf! Ich werde seinen Namen nicht verraten, aber da erinnerte ich mich an die Probeaufnahmen von Nicholas Hoult. Er war genau der Richtige, und als der andere Schauspieler nicht auftauchte, sprang ich ins Flugzeug und engagierte ihn. Er musste noch nach Kanada, um ein paar Formalitäten zu klären, und vier Tage später war er am Set.

Sie haben heterosexuelle Schauspieler für die Hauptrollen besetzt. Könnte man sich vorstellen, dass eines Tages auch offen homosexuelle Schauspieler diese Rollen spielen?

TOM FORD Ich glaube gar nicht, dass es so viel offen bekennende schwule Schauspieler gibt. Es gibt da immer noch so eine Art Stigma. Das Wunderbare an dieser Geschichte ist ja, dass Christopher Isherwood seiner Zeit so sehr voraus war (der Autor veröffentlichte seinen Roman 1964). Er beschreibt einen schwulen Charakter wie einen menschlichen Charakter. Es ist eine sehr menschliche Geschichte, die wir genausogut hätten erzählen können, wenn George verheiratet gewesen und seine Frau gestorben wäre. Es ist eher Zufall, das die Hauptfigur schwul ist. Es fällt besonders auf, wegen der Epoche, in der er lebt.

Wann haben Sie Christopher Isherwoods Roman zum ersten Mal gelesen?

TOM FORD Ich habe das Buch in den frühen 80ern gelesen. Da war ich in meinen Zwanzigern, und es hat mich wirklich sehr berührt. Die Figur des George war so menschlich. Ich habe seinen Schmerz gefühlt und seinen Charme geliebt. Danach habe ich Christopher kennengelernt und wurde regelrecht bessessen. Ich habe alles gelesen, was er geschrieben hat. Ich hatte sogar mit einem anderen Film angefangen, aber irgendwie sagte mir der nicht zu, und dann packte mich Georges Geschichte doch wieder. Ich hatte 30 Jahre lang über ihn nachgedacht, also wusste ich in diesem Moment genau, was ich zu tun hatte.

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"A Single Man"

Stimmt es, dass Sie Elemente aus Ihrem eigenen Leben haben einfließen lassen, als Sie das Drehbuch schrieben?

TOM FORD Das Buch ist größtenteils ein innerer Monolog, und ich brauchte äußere Dinge, die verdeutlichen konnten, welchen Geist George im Buch ausströmt. Zum Beipsiel gab es in meiner Familie einen erfolgreichen Selbstmord. Davon sind Elemente, kleine Dinge im Film zu finden, die Teil meines Lebens sind. Es heißt ja immer, man solle über das schreiben, was man kennt, das habe ich beherzigt.

Wie sind Sie darauf gekommen, Ihre Karriere als Modedesigner durch eine als Filmemacher zu ersetzen?

TOM FORD Ich hoffe, dass es parallele Karrieren werden. Ich wollte das schon so lange machen. Die Mode war für mich nicht nur ein Sprungbrett, aber vor etwa 15 Jahren habe ich bereits festgestellt, dass Mode nicht ausreicht, um das zu transportieren, was ich zu sagen habe. Mode ist wunderbar, aber sie ist so vergänglich. Sie bleibt nicht, überhaupt nicht. Film ist für immer, aber es sind auch unterschiedliche Formen des Ausdrucks. Als sich der Wunsch in mir manifestiert hatte, Filme zu drehen, habe ich Filme mit ganz anderen Augen gesehen. Von Fritz Lang zu Wong Kar-wai - mein Leben wurde eine Studienreihe. Und bald ist mir klar geworden, dass die Uhr läuft, und ich besser loslegen sollte, also hab ich mich entschlossen, meinen ersten Film zu drehen.

Obwohl Sie einen klangvollen Namen haben, hatten Sie einige Probleme, die Finanzierung zu stemmen?

TOM FORD Ja, das war schwierig, obwohl ich jeden Vorteil hatte, den man sich vorstellen kann. Letztendlich habe ich also beschlossen, den Film komplett alleine zu finanzieren. Etliche Leute haben mir davon abgeraten, aber irgendwie passt alles so wunderbar zusammen, dass ich mich davon nicht stoppen lassen konnte. Ein sehr guter Freund von mir sagte, das wäre eben ein Investment in mich selbst statt in irgendein Finanzmodell.

War es sehr überwältigend für Sie, als Sie das erste Mal am Set waren.

TOM FORD Nein, überhaupt nicht. Wenn man hart an etwas arbeitet, ist man so begeistert und kann sich problemlos mit jedem noch so kleinen Detail beschäftigen. Die Schauspieler und die Crew haben rund um die Uhr gearbeitet, weil sie das Projekt so liebten. Teil meines Jobs war es, sie zu inspirieren.

Scott Orlin




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