In "Amelia" geht es um die Schwierigkeiten einer Frau, in einer Männerwelt ernst genommen zu werden. Haben Sie solche Probleme auch als Schauspielerin in Hollywood?

HILARY SWANK Ich glaube nicht, dass mein Problem ist, ernst genommen zu werden. Ganz im Gegenteil, ich glaube, man hält mich oft für viel zu ernst. Viele Menschen erwarten, dass ich ganz dramatisch und anstrengend bin, weil eben viele meiner Film so wirken. Bei Filmen wird oftmals zunächst die männliche Rolle besetzt. Wenn der Schauspieler dann viel Geld verlangt, sucht man das restliche Team nicht nur nach Talent aus, sondern auch danach, wer gewillt ist, für das Geld zu arbeiten, das noch übrig ist. Aber es wird langsam besser.

Warum wollten Sie Amelia Earhart spielen?

HILARY SWANK Sie war eine außergewöhnliche Frau und ihrer Zeit weit voraus. Auch heute wäre sie das noch. Sie entschuldigte sich nicht für ihre starke Persönlichkeit oder dafür, dass sie ihr Leben lebte, wie es ihr gefiel. Sie folgte ihren Träumen, setzte sich für andere Menschen ein, vor allem für Frauen und konnte sehr gut schreiben. Sie war ein einzigartiger Mensch, wie man ihn nur selten trifft.

Glauben Sie, dass Amelia Earhart mehr für Frauenrechte getan hat als die feministische Bewegung?

HILARY SWANK Nein, soweit würde ich nicht gehen. Ich spielte Alice Paul im Film "Iron Jawed Angels" (2003) und habe durch diese Rolle sehr viel über die Suffragetten und deren Kampf für das Frauenwahlrecht gelernt. Amelia Earhart erreichte nicht mehr als diese Frauen, aber sie war auf jeden Fall ein Teil der Bewegung. Sie setzte sich im Weißen Haus für Frauenbelange ein und fand Gehör bei Eleanor Roosevelt, zu der sie ein sehr gutes Verhältnis hatte. Amelia Earhart unterstützte Frauen auf eine Art, wie man sie heute vielleicht nicht mehr findet. Frauen helfen sich gegenseitig nicht so wie sie es vielleicht könnten, besonders erfolgreiche Frauen. Sie helfen wohl unterprivilegierten Frauen, aber wenn es um sehr erfolgreiche Damen geht, entwickelt sich oft eine böse Seite. Amelia war der Beweis, dass Frauen, die es auch heutzutage noch schwer genug haben, zusammenhalten und sich nicht von ihresgleichen bedroht, sondern angespornt fühlen sollten.

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"Amelia": Hilary Swank und Richard Gere

Sie spielen oft Frauen, die sich in einer Männerwelt behaupten müssen. Warum sprechen Sie diese Rollen besonders an?

HILARY SWANK Ich finde, Menschen sollten sich keinen Grenzen unterwerfen. Unser Leben ist nur kurz. Wenn man seine Leidenschaft nicht eher verfolgt, worin liegt dann der Sinn? Ich glaube, dass Menschen sich nicht von sich selbst, der Gesellschaft oder durch das andere Geschlecht einschränken lassen sollten. Es ist doch unser Recht, in dieser Welt das Leben so zu gestalten, wie es uns gefällt. Aber ich suche nicht per se nach solchen Charaktertypen. Wenn ein Drehbuch auf meinem Tisch landet, entfacht es ein Feuer in meinem Bauch oder eben nicht.

Hatten Sie jemals Bedenken, Amelia Earhart zu spielen?

HILARY SWANK Nein, im Gegenteil, ich konnte es kaum abwarten, Amelia zu spielen. Rollen müssen mich fordern, manchmal weiß ich natürlich nicht, ob ich die Person auch gut genug spiele oder ihr eher schade.

Eine Person zu verkörpern, die wirklich gelebt hat, macht sicherlich eine weitere Besonderheit aus?

HILARY SWANK Genau, denn jeder hat seine eigene Vorstellung von dieser Person, vor allem von jemandem wie Amelia, die eine Stil-Ikone war.

Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

HILARY SWANK Eines der wichtigsten Dinge war natürlich fliegen zu lernen. Man spielt wohl kaum Amelia Earhart, ohne zu wissen, wie man fliegt. Also habe ich Unterricht genommen. Und um ihre Aussprache zu lernen, ohne zu vornehm zu klingen, habe ich vier Wochen gebraucht.

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Hilary Swank als Amelia Earhart mit Ewan McGregor als Gene Vidal

Haben Sie Ihren Pilotenschein bestanden?

HILARY SWANK Ich durfte aus Versicherungsgründen nicht alleine fliegen. Stellen Sie sich das mal vor, ich versuche meinen Schein zu machen, um Amelia Earhart zu spielen, und mein Flugzeug stürzt ab.

Hatten Sie Angst davor, ein Flugzeug zu steuern?

HILARY SWANK Nein, ich fand es toll. Ewan McGregor übrigens auch. Ich hatte ihm den Film vorgeschlagen, er war sofort Feuer und Flamme. Damals hatte er zufällig auch gerade mit Flugunterricht angefangen. Wir wollen jetzt beide unseren Pilotenschein machen und uns ein Flugzeug teilen.

Sie gewannen 2005 ihren zweiten Oscar. Wie hat sich ihr Leben seither verändert? Stehen Sie unter größerem Druck?

HILARY SWANK Ich glaube, den größten Druck macht man sich selbst. Als ich meinen ersten Oscar für "Boys Don't Cry" gewann, war ich noch sehr jung. Man fragt sich dann schon: Wie geht's jetzt weiter? Man steht soweit oben, bekommt viel Anerkennung für seine Arbeit und setzt sich dann selbst diesem enormen Druck aus, noch besser zu werden und bloß nichts falsch zu machen. Natürlich macht man auch manchmal Fehler, das lässt sich nicht vermeiden. Ich schaue mir "Boys Don't Cry" und "Million Dollar Baby" an und sehe meine Patzer in den Filmen. Ich kann immer noch viel lernen und erreichen. Ich will mich nicht auf meinen Lorbeeren ausruhen und es mir leicht machen.

Was steht als nächstes an bei Ihnen?

HILARY SWANK Direkt nach "Amelia" habe ich einen Film über Betty Ann Waters gedreht, ebenfalls eine wahre Geschichte. Betty Ann lebt noch, man hat also eine noch größere Verantwortung, denn die Person, die man verkörpert, wird den Film anschauen. Betty Anns Bruder wurde wegen Mordes zum Tode verurteilt. Um ihn von Death Row zu befreien, wurde sie Anwältin. Außerdem habe ich in diesem Jahr noch "The Resident" gedreht, einen Psycho-Thriller mit dem finnischen Regisseur Antti Jokinen.

Und wann machen Sie mal Pause?


HILARY SWANK In diesem Jahr hatte ich ungewöhnlich viel zu tun, denn eigentlich drehe ich nur einen Film pro Jahr, weil die Dreharbeiten meistens einige Monate in Anspruch nehmen. Das dauert oft schon ein halbes Jahr. Danach steht die Promotion für den Film an, und dann sollte man sich etwas Ruhe gönnen, um sich von der Rolle zu lösen.

Können Sie gut von einer Rolle abschalten, wenn Sie nach einem Drehtag nach Haus kommen?

HILARY SWANK Ich habe gelernt, dass man sein Bestes geben und dann Abstand gewinnen sollte. Ein normaler Drehtag dauert oft 14 Stunden, manchmal sogar 18 Stunden, also lebt man seine Rolle ohnehin den ganzen Tag lang. Wenn man vom Set nach Hause kommt, lernt man seinen Text für den nächsten Tag. Man löst sich also nur für kurze Zeit von seiner Rolle. Lebte man allerdings auch noch am Wochenende oder an freien Tagen in der Rolle, würde man verrückt werden. Das passiert ja auch vielen Schauspielern.

Wer oder was gibt Ihnen Rückhalt?

HILARY SWANK Ich habe viele enge Freunde und meine Familie. Ich nehme meinen Erfolg nicht als gegeben hin. Ich werde nie vergessen, wie ich aufwuchs und aus welchen Verhältnissen ich stamme. Ich bin dankbar, dass ich viel reisen und meine Rechnungen bezahlen kann. Für mich ist es immer noch ein tolles Gefühl, dass ich mir ein Paar Schuhe leisten und meine Lebensmittel kaufen kann, aber ich halte das nicht für selbstverständlich. Ich mache auch gerne Schnäppchen im Schlussverkauf. Am liebsten gebe ich mein Geld aber für meine Familie aus.
Sie zogen als Teenager mit ihrer Mutter nach Los Angeles und hatten zunächst keine Wohnung, sondern lebten in einem Auto. Wie war diese Zeit für Sie?

HILARY SWANK Es wird einem eigentlich nur bewusst, dass so ein Leben nicht normal ist, wenn man mehr Lebenserfahrung gewonnen hat. Als Kind wohnte ich in einem Trailer, hatte aber nicht das Gefühl eine bedauernswerte Existenz zu sein. Ich hatte ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Armut zu erleben, war für mich nichts Negatives. Die Ablehnung und diese Klassendenken kam erst von den Eltern meiner Freunde, die mir verboten, mit ihren Kindern zu spielen oder mich nicht in ihr Haus lassen wollten. Heute kann ich absolut nicht verstehen, wie jemand ein Kind so behandeln kann. Vielleicht entwickelt sich ein solches Verhalten aus Unsicherheit oder Furcht vor dem Unbekannten. Zumindest hat mich diese Erfahrung gelehrt, Mitgefühl zu entwickeln. Allerdings fällt es mir schwer, über meinen Schatten zu springen, wenn ich heute heute in meiner Heimatstadt eben diese Menschen treffe, die früher auf mich herabschauten, jetzt aber mit mir reden wollen, weil ich berühmt bin. Aber wie gesagt, man sollte versuchen, Verständnis zu haben, Menschen sind eben verschieden.

Was halten Sie von dem öffentlichen Interesse an Ihrem Privatleben?

HILARY SWANK Schauspieler durchleben natürlich auch harte Zeiten, machen Fehler, die dann eben für jeden sichtbar sind und die jeder kommentieren kann. Es ist einfach, ein Urteil zu fällen und zu sagen, man hätte es anders gemacht. Ich bin in dem Business groß geworden, habe mein halbes Leben geschauspielert. Es ist eben Teil des Jobs, dass man ständig unter Beobachtung steht.

Wie sieht Ihre Traumrolle aus?

HILARY SWANK Ich spiele sie schon. Wenn ich über meine Filme spreche, wird mir immer wieder bewusst, dass ich meinen Traum lebe.

Interview: Andrea Daschner

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