Regisseur Tim Fehlbaum sagte, ihm sei sehr daran gelegen gewesen, herausragende Schauspieler zu verpflichten, die man quasi auch mal sich selbst überlassen könnte, um sich beim Dreh "auf andere Dinge" konzentrieren zu können. Wie "sicher" war die Regie des Debütanten Fehlbaum?

Lars Eidinger:
Dafür, dass es Tims erster Feature Film ist, war er fast schon beängstigend souverän. Er weiß genau, was er will und ist trotzdem offen für die Spielangebote der Schauspieler. Ich habe die Arbeit mit ihm sehr genossen. Er hat den Mut den Schauspielern viel Freiraum zu lassen, ohne dass man sich allein gelassen fühlt. Er schaut sehr genau zu, trotzdem oder gerade, weil er die 2. Kamera führt, was ungewöhnlich ist für einen Regisseur. Ich habe diesen Umstand sehr genossen, da es eine noch unmittelbarere Art ist, den Schauspielern direkt durch die Kamera zuzusehen und nicht zwanzig Meter entfernt in einem Zelt vor der Ausspiegelung zu sitzen.Tim ist wahnsinnig neugierig und begeisterungsfähig. Er liebt seine Darsteller und schaut ihn gerne beim Spielen zu. Er ist da sehr genau im Beobachten und Beschreiben.
Mit ca drei Millionen Euro ist der Film zwar nicht übermäßig teuer aber doch anständig finanziert. Gab es budgetseits irgendwelche Besonderheiten beim Dreh? Besondere Eile oder Beschränkungen?

Lars Eidinger:
Die größte Angst war natürlich, dass es im Drehzeitraum regnen würde, da die Ausgangsidee von "Hell" ist, dass es auf der Erde kein Wasser mehr gibt. Ausserdem durften die Bäume keine Blätter tragen, weil der Film behauptet, dass 2016 die Vegetation komplett verdorrt ist. D.h. wir waren gezwungen im Frühjahr zu drehen, wo es eigentlich noch sehr kalt war, mussten aber Hitze behaupten. Das war schon kurios. Der finanzielle Druck ist derzeit generell groß und immer spürbar beim Drehen. Thomas Wöpke und Gabriele Walther die Produzenten haben es aber geschafft, dass vom Set fern zu halten. Ich hätte eigentlich erwartet, dass ein enormer Druck auf ihm lastet, da das Budget gering ist und der finanzielle Druck allgegenwärtig, aber davon hat er sich nicht beeindrucken lassen. Er ist äußerst souverän, konzentriert und trotzdem offen genug Szenen auch noch spontan umzustellen, wenn die äußeren Bedingungen anders sind als geplant. Außerdem genieße ich es immer, wenn ich es mit Leuten zu tun habe, deren Anspruch über das Geld verdienen und Zeit totschlagen hinausgeht und Tim ist ein sehr ambitionierter Filmemacher.
Fehlbaum sagte, dass Angela Winkler ursprünglich gar nicht mehr mitspielen wollte und er sie inständig bitten und überreden musste. Wie sehr warst du von Anfang an dem Projekt zugetan? Und wie hat sich deine Begeisterung während des Drehs entwickelt?

Lars Eidinger:
Ich kannte Angela Winkler schon vorher und sie rief mich an, weil sie unsicher war, ob sie zusagen soll oder nicht. Auch ich war skeptisch, weil es für einen derartigen Genre Film kein wirklich geglücktes Vorbild gibt. Aber Tims Demo-Band hat mich überzeugt. Er hat ein ausgesprochen gutes Gespür, wie er mit geringen Mitteln große Effekte erzeugen kann.

Viel Vorabhype baut auf dem Umstand, dass es sich bei "Hell" endlich mal (wieder) um einen deutschen Genrefilm handeln würde. Wie wichtig/relevant findest du diesen Aspekt?

Lars Eidinger:
Nach "Alle Anderen" war ich froh ein Drehbuch zu lesen, das in eine ganz andere Richtung geht. Und ich habe es als Herausforderung empfunden, eine Figur in einem Endzeitszenario zu verkörpern, auch weil es für mich komplettes Neuland war. Ich habe für die Rollle zehn Kilo abgenommen und mir die Haare und den Bart nicht mehr geschnitten. Ich bin wirklich gespannt, wie der Film im Kino funktioniert, da es ja für eine derartige deutsche Produktion noch keine definierte Zielgruppe gibt.
Fehlbaum präsentierte sich vor dem Publikum auf dem Fantasy Filmfest ausgesprochen nervös, meinte, jetzt würde sein Film ja quasi erstmals vor den "Experten" laufen. Spielte es beim Dreh eine Rolle, dass man in einem "Horror"-Film mitspielt Gab es Diskussion über Genreaspekte wie etwa der Explizität der Special Effects?

Lars Eidinger:
Die Kurzfilme, die ich von Tim kenne sind alle sehr explizit und erfahren ihre Qualität gerade dadurch, dass er das Grauen zeigt statt darauf zu vertrauen, dass der Horror übers Weglassen im Kopf des Zuschauers entsteht. Ich finde diese Herangehensweise sehr sympathisch. Das kommt wahrscheinlich aus einer Affinität zum Splatter-Genre. Tim ist mutig und effektsicher genug sich das zu trauen.
Nach der Filmfest-Vorführung in Hamburg wurde diskutiert, der Film würde mit verquaster Religionssymbolik um eine vermeintliche Endzeit-Öko-Botschaft rumeiern. Woraufhin Fehlbaum den alten Polanski-Kalauer brachte: Wenn er eine Botschaft hätte, würde er zur Post gehen... Was ist für dich das Thema des Films? Oder soll er in erster Linie als Thriller funktionieren?

Lars Eidinger:
Der Film thematisiert viel mehr, dass die extreme Erderwärmung, die Nahrungs- und Lebensmittelknappheit zu Folge hat, die Menschen in völlig neue Abhängigkeitsverhältnisse zueinander zwingt. Es ist eine Studie darüber, wie sich das Verhalten der Menschen ändert, wenn die existentielle Bedrohung durch die Umstände allgegenwärtig ist.

Während vor allem Herzsprung und Winkler sehr genreaffin und mit großem Drama agieren, wirkt deine Darstellung wieder mal sehr natürlich, beinah beiläufig und real. Würdest du sagen, "naja, so spiel ich nunmal", oder wolltest du damit bewusst die Ungeheuerlichkeiten im letzten Drittel konterkarieren und ihnen etwas das Überbordende nehmen?

Lars Eidingner:
Ich gehe beim erarbeiten einer Rolle immer erst einmal von mir aus, um nicht Gefahr zu laufen, die Figur auszustellen und aus dem Wissen heraus, dass Charaktere, die man vorführt schnell zu Stereotypen werden. Über ein genrespezifisches Spiel habe ich mir allerdings keine Gedanken gemacht. Dazu kenne ich mich in dem Genre auch viel zu wenig aus. Der Konflikt wird natürlich für den Zuschauer größer, wenn er sich selbst mit einem negativ besetzten Charakter wie Phillip identifizieren kann und er nachvollziehbar bleibt. Die ungewöhnliche an Tims Drehbuch ist ja, dass es in Deutschland spielt, wo mein einen Endzeitthriller ja nicht unbedingt verorten würde. Deshalb glaube ich, dass es wichtig ist, die Figuren so real wie möglich zu denken. Das Szenario erfährt vor allem dadurch etwas bedrückendes, dass man sieht, wie sich Menschen wie Du und ich in einer extremen Ausnahmesituation verhalten.

Interview: Heiko Schneider