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"Die Bestimmer - Kinder haften für ihre Eltern": Billy Crystal coacht

TV SPIELFILM Sie sind selbst Großvater. Welchen Einfluss hatte das auf den Film?

BILLY CRYSTAL
Meine Erfahrungen waren der Auslöser für den Film. Es trug sich ganz genauso zu wie im Film: Meine Tochter Jenny bat mich, eine Woche lang auf unsere beiden Enkeltöchter aufzupassen. Und obwohl es viel Spaß gemacht hat, war ich danach fix und fertig. Am siebten Tag ruhte ich. Danach schleppte ich mich in unser Büro und sagte: ‘Das wird unser nächster Film.' Zwei Großeltern passen alleine auf ihre Enkel auf, da muss es ja zu einem Generationenkonflikt kommen: Folgt man den Regeln? Welchen Regeln? Modern oder altmodisch? Wir haben uns ein paar junge Drehbuchautoren gesucht, die Kinder haben. Darauf habe ich bestanden, denn man merkt wirklich den Unterschied. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass Eltern heutzutage mit ihren Kindern in einer "kühlen blauen Stimme" sprechen sollen.

Was halten Sie denn von modernen Erziehungsmaßnahmen a la "stille Treppe"?

BILLY CRYSTAL
Wir haben unsere beiden Töchter ganz altmodisch erzogen und sie sind tolle Erwachsene geworden, also so ganz falsch kann es nicht gewesen sein. Wir haben ganz einfach unseren gesunden Menschenverstand benutzt. Ich habe mich immer bemüht, nicht auszurasten, sondern erst mal ruhig nachzudenken und dann mit ihnen zu sprechen. Und natürlich habe ich meiner Frau Janice alle wichtigen Entscheidungen überlassen!

Ist es bei Opa Billy immer lustig?

BILLY CRYSTAL
Nicht immer. Ich kann sogar ziemlich konservativ sein, wenn es sein muss. Manchmal auch dann, wenn es nicht sein muss. So wurde ich von meinem Vater erzogen und es ist schwer, dieses Muster zu brechen. Ich lerne langsam, wie ich sie dazu bringen kann, dass sie freiwillig das machen, was ich für richtig halte. Man muss ihnen Alternativen anbieten - die aber alle aufs Gleiche hinauslaufen. Wie wenn ein Magiker seinem Gegenüber eine bestimmte Karte aufdrängt, ohne dass dieser es merkt. Aber das muss man erst lernen. Und man muss richtig psychologisch vorgehen - denn ich will ja nicht, dass sie mich auf einmal nicht mehr mögen!

Wie schwierig ist die Beziehung zwischen Großeltern und Eltern?

BILLY CRYSTAL
Man muss sich als Großvater immer vor Augen halten, dass die Enkel nicht deine eigenen Kinder sind. Wenn es nicht wirklich wichtig ist, dann solltest du dich mit guten Ratschlägen zurückhalten. Man muss fast die Kommunikation mit den eigenen Kindern neu lernen, wenn Enkel da sind. Verwöhnen sollte man sie natürlich nicht, wenn es sich vermeiden lässt. Und das beste an Enkeln ist, dass man sie zurückgeben und ins Kino gehen kann.

Im Film spielen Sie den Sprecher eines Baseballstadions, der entlassen wird, weil er sich nicht mit Facebook und Twitter auskennt. Wie fit sind Sie mit modernen elektronischen Geräten?

BILLY CRYSTAL
Ich twittere gelegentlich, das schon. Aber ich habe immer das Gefühl, dass ich eigentlich lustiger sein müsste. Da lastet ein riesiger Druck auf dir, dass du all deine ‘Anhänger' zum Lachen bringst. Steve Martin ist ein super Twitterer - seine Nachrichten sind eigentlich alle zum Schießen.

Bette Middler spielt ihre Ehefrau. Wie kam es zur Zusammenarbeit?

BILLY CRYSTAL
Ich kenne Bette seit vielen Jahren, aber wir haben noch nie zusammengearbeitet. Doch sowie sie ins Restaurant kam und sich neben mich setzte, war uns beiden, als ob wir schon seit Jahren miteinander verheiratet wären: Sie ließ mich nicht bestellen, aß von meinem Teller und bestand darauf, mich nach Hause zu fahren. Ich glaube, man kann uns beide als "Old School" bezeichnen. Wir respektieren traditionelle Showbusiness-Künstler und Performers und sind wohl eine Art "Rückschlag", aber im positiven Sinne. Am Set waren wir wie ein Paar alter Hausschuhe und ergänzten uns in jeder Szene ganz wunderbar. Wir vertrauten uns blind - und so muss es in einer echten Ehe ja auch sein.
Was hat sich im Filmgeschäft am meisten verändert?

BILLY CRYSTAL
Bei jedem Film mischen mehr und mehr Leute mit. Ich muss jetzt echt aufpassen, was ich sage, aber das stinkt mir wirklich. Während der Vorproduktion dieses Films bekamen wir ständig Notizen und E-Mails von diesem oder jenem Geschäftsführer. Man redete uns rein, wie wir diese oder jene Szene umsetzen sollen und wir mussten dauernd irgendeinen Vorstand befriedigen. Und das sind alles Leute, die noch nie einen Film gedreht oder geschrieben haben. Ich musste ein paar Mal sagen, dass man mein Resumee ja kenne - ob ich denn wohl das Resumee meines Gegenübers sehen dürfte? Hat er vielleicht ein Theaterstück geschrieben? Vielleicht eins produziert? Irgendwann gewöhnte ich mich an die dauernde Einmischerei und manchmal waren ja auch tatsächlich gute Notizen dabei. Aber es ist generell eine Veränderung, die mir nicht behagt. Früher redete mir niemand rein, da vertraute mir das Studio einfach.

Dauerte es deshalb fast fünf Jahre, diesen Film herauszubringen?

BILLY CRYSTAL
Es war ein Kampf, ja. Das Studio glaubte nicht, dass es ein Publikum für diese Art Film gibt. Es ist ein Familienfilm, der sich aber auch speziell an ältere Zuschauer wendet. Schauen Sie sich nur den Erfolg von "Marigold Hotel" an. Die Schauspieler darin sind um einiges älter als ich und es war trotzdem ein Riesenhit. Es gibt 77 Millionen Menschen in den USA im Alter über 60. Jede zehn Minuten werden 10.000 Menschen 60 Jahre alt. Wir sind die Baby Boomers. Von uns gibt es jede Menge! Es dauerte eine Weile, die richtigen Leute davon zu überzeugen.
Ihr letzter Film "Analyze That - Reine Nervensache 2" kam vor zehn Jahren heraus.

BILLY CRYSTAL
Da musste ich auch schlucken, als ich das las. Aber ich hatte während dieser zehn Jahre mehr zu tun als jemals zuvor. Ich schrieb und produzierte mein Ein-Mann-Stück "700 Sundays", das auf dem Leben meiner Eltern basiert. Meine Mutter starb kurz zuvor und das nahm mich sehr mit. Ich kann am besten mit Trauer umgehen, wenn ich auf der Bühne stehe. Aber auf Stand-up-Comedy hatte ich überhaupt keine Lust. Dieses Stück erlaubte mir, zu trauern und vor einem Publikum zu stehen. Danach ging ich damit zweimal auf Tour durch Amerika, danach Australien und schrieb schließlich auch ein Buch dazu. Das nahm wirklich meine gesamte Zeit in Anspruch und es war ein sehr wichtiges, persönliches Projekt für mich. Ich wollte einfach nichts anderes tun.

Woran arbeiten Sie als nächstes?

BILLY CRYSTAL
Ich habe ein Buch über das Altern geschrieben. Unfassbarerweise werde ich im Oktober nämlich 65 Jahre alt! Und ich freue mich wie ein Kind auf "Die Monster Uni" (ab 20.6.2013), in dem ich wieder Mike Mazowski spiele. Diesmal ist er aber erst 18 Jahre alt. Der Film erzählt die Vorgeschichte der Monster. Ich trage eine Zahnspange und muss lernen, wie man Kindern Angst einjagt. Es ist einfach eine Spitzenidee: Wir sind in der Univeritäts-Welt, sehen aber alles durch die Augen von Monstern. John Goodman (spielt "Sulley") und ich hatten fast völlig freie Hand, wir konnten improvisieren und neue Witze erfinden. Wir sprechen ja zuerst den Text, der danach von den Grafikern bebildert wird.
Würde es Sie reizen, nochmal eine Oscar-Verleihung zu moderieren?

BILLY CRYSTAL
Dann wären es zehn Auftritte, das wäre schon was. Es ist ein lustiger Abend, aber da steckt eine Menge Arbeit drin. Ein paar Monate lang machst du nichts anderes. Es ist, als ob man jeden Morgen neben jemandem aufwacht, den man eigentlich nicht mag. Jeden Tag musst du dir neue Witze ausdenken. Die meisten davon sieht man während der Show gar nicht, denn ich muss mich ja auf jeden möglichen Gewinner vorbereiten. Die ganze Welt schaut zu und die Welt ist ein hartes Terrain. Früher gab es vier Kritiker - heute sind es dank der sozialen Netzwerke mehrere Milliarden! Es ist nicht sehr angenehm, dauernd kritisiert zu werden. Und wenn was schiefgeht, ist es immer die Schuld des Moderators. Das ist total unfair! Es war doch nicht meine Schuld, dass "Der Herr der Ringe" im Jahr 2004 in allen Kategorien gewann und es deshalb eine ziemlich öde Veranstaltung wurde! Aber natürlich hat es zwischendurch auch Spaß gemacht, besonders als wir anfingen, weniger Witze zu schreiben und mich stattdessen in Szenen der nominierten Filme zu stecken. Ich versuche schon seit Jahren, die Academy dazu zu überreden, die Montagen als DVD herauszubringen. Bisher leider ohne Erfolg.

Hoffen Sie auf Ihren eigenen kleinen Oscar?

BILLY CRYSTAL
Natürlich, jeder Schauspieler träumt insgeheim davon. Mein Name wurde ein paar Mal im Zusammenhang mit "Harry und Sally" erwähnt und ich tappte leider total in die Falle. Ich war am Vorabend der Nominationen unglaublich nervös und konnte nicht schlafen. Aber das Telefon klingelte nicht. Das gleiche geschah mit "City Slickers". Ich hoffe, dass ich eines Tages einer Nominierung würdig bin, das wäre wunderbar. Aber es ist nicht ein Ziel, dass ich bewusst verfolge.

Interview: Tina Werkmann