1972 BRD - Sowjetunion 3 : 0
Die Besten der Besten
Vom TV fast unbeobachtet - nur ein halbes Dutzend Kameras sind im Brüsseler Heysel-Stadion installiert -, erringt die beste deutsche Nationalmannschaft aller Zeiten ihren ersten EM-Sieg. Torpfosten und Latte sind noch eckig und aus Holz, Zeitlupen selten und die Einblendung von VIP-Besuchern zu Recht verpönt. Das sowjetische Team ist beim 3 : 0 ungefähr so präsent wie die hinter Ordnungskräften und Absperrgittern verschwindenden Werbebanden. Ob der damalige Livereporter Oskar Wark (ZDF) die schwache Vorstellung der UdSSR bei der Einordnung der Leistung von Beckenbauer & Co. berücksichtigt hat, ist nicht verbürgt: Nur 20 Minuten seines Originalkommentars sind erhalten. Zeitlos und für die Ewigkeit archiviert dagegen: Die "Oh, wie ist das schön"-Gesänge nach dem dritten Tor und frühzeitig in den Innenraum drängende Anhänger der deutschen Nationalmannschaft. Sah ein bisschen aus wie neulich in Düsseldorf.
1976 Tschechoslowakei - BRD 5 : 3 i. E.
Der Lupfer von Panenka
Uli Hoeneß schießt in den viel beschworenen Nachthimmel von Belgrad, und Deutschland verliert nach der WM 66 zum zweiten Mal ein Endspiel. Der weise Ernst Huberty lässt die Bilder für sich sprechen. "Muss ich mehr sagen?", fragt er, während der entsetzte Hoeneß von Beckenbauer einen Trostklaps erhält. Der Ton kommt per Telefonleitung, die Bilder zeigen leere Ränge im Belgrader Stadion, wo die Spieler in der Pause in einer Öffnung im Stadionboden verschwinden. Das Spieltempo ist niedrig wie der Puls Hubertys, der beim Anstoß empfiehlt: "Vergleichen Sie bitte die Zeit, meine Damen und Herren." Man kann in Ruhe Reklamebanden studieren: Samson-Tabak, Kümmerling-Schnaps, Skol-Bier. Trotzdem gilt das Spiel wie das ganze Turnier als ein "dramatisches". Huberty beim letzten, entscheidenden Elfer, dem legendären lässigen Lupfer von Panenka:
"Jetzt ist der Augenblick - er schießt ins Tor."
1980 BRD - Belgien 2 : 1
Kürtens "knallharte Burschen"
Wie schon vier Jahre zuvor meldet sich der Kommentator (diesmal Dieter Kürten) via Telefon, es kommt zu Tonausfällen - und regelmäßige "Italia, Italia"-Rufe der neutralen Zuschauer im Olympiastadion zu Rom legen den Finger in die Wunde: Sehenswert ist eigentlich nur der überragend agierende deutsche Spielmacher Bernd Schuster. Kürten ist ganz nah dran am Geschehen, "warnt" in einer Szene sogar den
Verteidiger "Manni" Kaltz vor einem heranrauschenden Gegenspieler: "Hintermann!" Der ZDF-Reporter weiß: "Die Belgier sind knallharte Burschen. Hart, aber nicht hinterhältig, wie sie von sich selbst sagen." Das Spiel schleppt sich wie der verletzte Uli Stielike über die Zeit. Am Ende bleibt den Zuschauern eine Verlängerung erspart, weil Horst Hrubesch nach einer Ecke mit dem Kopf zum 2 : 1 trifft. Sein zweites Länderspieltor, sein zweites Tor an diesem Abend. Mehr Glamour war nicht bei Deutschlands zweitem EM-Sieg.
1992 Dänemark - D 2 : 0
Strandkorb-Europameister
Finale 1992 in Göteborg? Abgesehen von den wie Zelte im Wind flatternden Karnevalstrikots - mit Dänen-Torwart Peter Schmeichel als buntem i-Tüpfelchen - war es das unauffälligste Endspiel. Aus deutscher Sicht, nicht für die Nachbarn: Die Dänen rutschen für die ausgeschlos- senen Jugoslawen ins Turnier und schaffen es "vom Strandkorb zum Europameistertitel", wie Heribert Fassbender sagt: "Eine der größten Sensationen, die es im Fußball je gegeben hat." In jovialer rheinischer Mundart erzählt er von Trainer "Berchti" Vogts und den "Dochtmundern" Reuter und Kohler. Ärgerlich: Vor dem ersten Gegentor wird Andreas Brehme gelbwürdig umgehauen, aber Schiedsrichter Galler pfeift nicht. So weit die Abwehr. Der Angriffsplan laut Fassbender: "Die Deutschen haben sich vorgenommen, flach zu spielen, um gegen die langen Innenverteidiger nicht den Kürzeren zu ziehen." Schön gesagt, wurde leider nichts draus.
1996 D - Tschechien 2 : 1 n. V.
Jürgen und Elisabeth
Béla Réthy kommentiert das Endspiel 2012. Vielleicht ist es ein gutes Omen, dass der ZDF-Mann bei seinem ersten großen Turnier 1996 in London den letzten deutschen Sieg sah. Réthy ist das Bindeglied zur Jetztzeit des Fernsehfußballs, die 1996 begann. Kein Nachrichtenagenturdeutsch mehr wie in den 70ern, keine Guten-Abend-allerseits-Folklore, sondern: Analyse und Emotion in ebenso geschmeidiger Mischung wie Bildschnitt, Kameraarbeit, Zeitlupen. Selbst die Trikotdesigner kommen zur Besinnung. Ansonsten ist dies der Tag des Jürgen Klinsmann. Bierhoff schießt die Tore, aber mehr Staat macht der blonde, gut erzogene Kapitän, der mit der Queen die Reihe der Spieler abschreitet und sich für alle Kameraden mit verbeugt. Am Ende überreicht sie ihm den Pokal.
2008 D - Spanien 0 : 1
Immer diese Spanier
Von 18.50 Uhr bis nach Mitternacht dreht sich im Ersten alles um das Finale zwischen Spanien und Deutschland. Der vierte EM-Titel - zum Greifen nah. Doch am Ende bleibt den Deutschen nur die Erkenntnis, dass Spanien an diesem Abend einfach besser war. Nicht einen Tick, eben dieses eine Tor von Fernando Torres, sondern um Längen. Ganze vier Torschüsse bringt die deutsche Elf in 90 Minuten zustande. "Das ist nicht genug, um Europameister zu werden", erkennt Kommentator Tom Bartels. Gerhard Dellings Versuch, die Niederlage auf die leichte Schulter zu nehmen, endet kläglich: "Es ist heute keiner gestorben." Dabei hätte es vielleicht schon gereicht, wenn einer geflogen wäre. Nämlich David Silva nach rund einer Stunde wegen eines Kopfstoßes gegen Lukas Podolski. Aber wir wollen ja nicht kleinlich sein...
F. Steinberg/A. Rolf
Die Besten der Besten
Vom TV fast unbeobachtet - nur ein halbes Dutzend Kameras sind im Brüsseler Heysel-Stadion installiert -, erringt die beste deutsche Nationalmannschaft aller Zeiten ihren ersten EM-Sieg. Torpfosten und Latte sind noch eckig und aus Holz, Zeitlupen selten und die Einblendung von VIP-Besuchern zu Recht verpönt. Das sowjetische Team ist beim 3 : 0 ungefähr so präsent wie die hinter Ordnungskräften und Absperrgittern verschwindenden Werbebanden. Ob der damalige Livereporter Oskar Wark (ZDF) die schwache Vorstellung der UdSSR bei der Einordnung der Leistung von Beckenbauer & Co. berücksichtigt hat, ist nicht verbürgt: Nur 20 Minuten seines Originalkommentars sind erhalten. Zeitlos und für die Ewigkeit archiviert dagegen: Die "Oh, wie ist das schön"-Gesänge nach dem dritten Tor und frühzeitig in den Innenraum drängende Anhänger der deutschen Nationalmannschaft. Sah ein bisschen aus wie neulich in Düsseldorf.
1976 Tschechoslowakei - BRD 5 : 3 i. E.
Der Lupfer von Panenka
Uli Hoeneß schießt in den viel beschworenen Nachthimmel von Belgrad, und Deutschland verliert nach der WM 66 zum zweiten Mal ein Endspiel. Der weise Ernst Huberty lässt die Bilder für sich sprechen. "Muss ich mehr sagen?", fragt er, während der entsetzte Hoeneß von Beckenbauer einen Trostklaps erhält. Der Ton kommt per Telefonleitung, die Bilder zeigen leere Ränge im Belgrader Stadion, wo die Spieler in der Pause in einer Öffnung im Stadionboden verschwinden. Das Spieltempo ist niedrig wie der Puls Hubertys, der beim Anstoß empfiehlt: "Vergleichen Sie bitte die Zeit, meine Damen und Herren." Man kann in Ruhe Reklamebanden studieren: Samson-Tabak, Kümmerling-Schnaps, Skol-Bier. Trotzdem gilt das Spiel wie das ganze Turnier als ein "dramatisches". Huberty beim letzten, entscheidenden Elfer, dem legendären lässigen Lupfer von Panenka:
"Jetzt ist der Augenblick - er schießt ins Tor."
1980 BRD - Belgien 2 : 1
Kürtens "knallharte Burschen"
Wie schon vier Jahre zuvor meldet sich der Kommentator (diesmal Dieter Kürten) via Telefon, es kommt zu Tonausfällen - und regelmäßige "Italia, Italia"-Rufe der neutralen Zuschauer im Olympiastadion zu Rom legen den Finger in die Wunde: Sehenswert ist eigentlich nur der überragend agierende deutsche Spielmacher Bernd Schuster. Kürten ist ganz nah dran am Geschehen, "warnt" in einer Szene sogar den
Verteidiger "Manni" Kaltz vor einem heranrauschenden Gegenspieler: "Hintermann!" Der ZDF-Reporter weiß: "Die Belgier sind knallharte Burschen. Hart, aber nicht hinterhältig, wie sie von sich selbst sagen." Das Spiel schleppt sich wie der verletzte Uli Stielike über die Zeit. Am Ende bleibt den Zuschauern eine Verlängerung erspart, weil Horst Hrubesch nach einer Ecke mit dem Kopf zum 2 : 1 trifft. Sein zweites Länderspieltor, sein zweites Tor an diesem Abend. Mehr Glamour war nicht bei Deutschlands zweitem EM-Sieg.
1992 Dänemark - D 2 : 0
Strandkorb-Europameister
Finale 1992 in Göteborg? Abgesehen von den wie Zelte im Wind flatternden Karnevalstrikots - mit Dänen-Torwart Peter Schmeichel als buntem i-Tüpfelchen - war es das unauffälligste Endspiel. Aus deutscher Sicht, nicht für die Nachbarn: Die Dänen rutschen für die ausgeschlos- senen Jugoslawen ins Turnier und schaffen es "vom Strandkorb zum Europameistertitel", wie Heribert Fassbender sagt: "Eine der größten Sensationen, die es im Fußball je gegeben hat." In jovialer rheinischer Mundart erzählt er von Trainer "Berchti" Vogts und den "Dochtmundern" Reuter und Kohler. Ärgerlich: Vor dem ersten Gegentor wird Andreas Brehme gelbwürdig umgehauen, aber Schiedsrichter Galler pfeift nicht. So weit die Abwehr. Der Angriffsplan laut Fassbender: "Die Deutschen haben sich vorgenommen, flach zu spielen, um gegen die langen Innenverteidiger nicht den Kürzeren zu ziehen." Schön gesagt, wurde leider nichts draus.
1996 D - Tschechien 2 : 1 n. V.
Jürgen und Elisabeth
Béla Réthy kommentiert das Endspiel 2012. Vielleicht ist es ein gutes Omen, dass der ZDF-Mann bei seinem ersten großen Turnier 1996 in London den letzten deutschen Sieg sah. Réthy ist das Bindeglied zur Jetztzeit des Fernsehfußballs, die 1996 begann. Kein Nachrichtenagenturdeutsch mehr wie in den 70ern, keine Guten-Abend-allerseits-Folklore, sondern: Analyse und Emotion in ebenso geschmeidiger Mischung wie Bildschnitt, Kameraarbeit, Zeitlupen. Selbst die Trikotdesigner kommen zur Besinnung. Ansonsten ist dies der Tag des Jürgen Klinsmann. Bierhoff schießt die Tore, aber mehr Staat macht der blonde, gut erzogene Kapitän, der mit der Queen die Reihe der Spieler abschreitet und sich für alle Kameraden mit verbeugt. Am Ende überreicht sie ihm den Pokal.
2008 D - Spanien 0 : 1
Immer diese Spanier
Von 18.50 Uhr bis nach Mitternacht dreht sich im Ersten alles um das Finale zwischen Spanien und Deutschland. Der vierte EM-Titel - zum Greifen nah. Doch am Ende bleibt den Deutschen nur die Erkenntnis, dass Spanien an diesem Abend einfach besser war. Nicht einen Tick, eben dieses eine Tor von Fernando Torres, sondern um Längen. Ganze vier Torschüsse bringt die deutsche Elf in 90 Minuten zustande. "Das ist nicht genug, um Europameister zu werden", erkennt Kommentator Tom Bartels. Gerhard Dellings Versuch, die Niederlage auf die leichte Schulter zu nehmen, endet kläglich: "Es ist heute keiner gestorben." Dabei hätte es vielleicht schon gereicht, wenn einer geflogen wäre. Nämlich David Silva nach rund einer Stunde wegen eines Kopfstoßes gegen Lukas Podolski. Aber wir wollen ja nicht kleinlich sein...
F. Steinberg/A. Rolf