Auf dem Rasen wird es bald ernst. Bei der EM 2024 kämpfen 24 europäische Teams vier Wochen lang um den EM-Pokal. Etwas leichtere Unterhaltung gibt es dann im Anschluss an alle Spieltage, die die ARD überträgt. "Das Kneipenquiz" geht erstmalig am zweiten Turniertag der EM 2024 (Samstag, 15. Juni, 23.30 Uhr) im Ersten auf Sendung.

An allen ARD-Spieltagen des Turniers werden im Bochumer Lokal "Zum Kuhhirten" drei Rateteams das Turnier und die gesamte Fußballgeschichte in Ratespielform aufarbeiten. Mit dabei ist einer, der sich mit Fakten und Geschichten rund um den Fußball so gut auskennt, wie kaum jemand sonst in Deutschland: Das Bremer Urgestein Arnd Zeigler, Experte für Fußball und Pop, beendete gerade eine lange Karriere als Radiomoderator. Der Stadionsprecher von Werder Bremen wird beim "Kneipenquiz" der "Endgegner" wechselnder Gäste sein. Im Interview mit teleschau.de verrät Arnd Zeigler, warum diese EM den guten alten Fußball repräsentiert, er die Entwicklung des Sports aber äußerst kritisch sieht.

Das deutsche Fernsehen versuche schon länger, nach Spieltagen noch leichte Unterhaltung zu bringen, so teleschau.de, doch wir Deutschen würden uns damit schwertun. "Auch ich fand nicht alles, was es in Sachen Late-Night-Fußballshow gab, gelungen. Manche Sachen waren sehr lustig, andere Formate haben überhaupt nicht funktioniert", meint Arnd Zeigler, "beim Quiz aus dieser sehr schönen Bochumer Ruhrpott-Kneipe kann alles passieren. Ich freue mich jedenfalls sehr auf das Ding."

teleschau: Sie sind die gesamten vier EM-Wochen in der Kneipe?

Zeigler: (lacht) "Vielleicht nicht durchgängig, aber an ARD-Sendetagen bin ich natürlich vor Ort. Ich habe ja Familie und werde schon zwischendurch öfter mal nach Hause fahren."

Kneipenquiz ohne "Herrenwitz-Niveau"

teleschau: Während der Fußball-WM im 2006 schloss der Fußballabend im Ersten mit "Waldis WM-Club". Das wurde dann noch eine Weile über die Folgeturniere fortgesetzt. Eine unangenehme Erinnerung?

Zeigler: "Ich will keine Kollegenschelte betreiben. Aber es gab in Sachen deutsche Fußball-Unterhaltung schon sehr unterschiedliche Versuche. Manche sind geglückt, manche nicht so. Wenn das Ganze so ein Herrenwitz-Niveau bekommt, ist das schon problematisch. Aber wir haben auch gute satirische Formate im Rahmen von Late Night-Sendungen rund um Fußball-Turniere gesehen. Ich finde es grundsätzlich lustig, zu einer WM oder EM etwas Begleitendes zu machen, das nicht so ganz ernst gemeint ist. Es reicht aber sicher nicht, wenn da jeden Abend ein Ex-Schauspieler, ein Stimmenimitator und Hansi Müller sitzen."

teleschau: Wie viel wissen Sie tatsächlich über Fußball - historisch betrachtet?

Zeigler: "Auch ich gehöre zu jenen Menschen, die irgendwann erkennen mussten, dass sie bei ihrem Hobby mehr über die erlebten Jugendjahre als die Zeit des späteren Erwachsenenlebens wissen. Über Fußball der 70er-, 80er- und 90er-Jahre kann ich Ihnen alles erzählen. Danach wird es dünner, weil das Hobby zum Beruf wurde. (...) Trotzdem glaube ich, dass ich als Quiz-Kandidat auch bei aktuellen Fragen nicht ganz schlecht dastehe."

Zeigler kritisert die Entwicklung im Fußball

teleschau: Ist ein "nerdiges" Interesse am Fußball einfach so angeboren?

Zeigler: "Das müsste jetzt ein Tiefenpsychologe beantworten. Bei mir hat es auch mit der Zeit zu tun, in der ich groß geworden bin. Wäre ich kurz vor der WM im Katar Fußballfan geworden und jetzt ein kleiner Junge, wüsste ich nicht, ob ich in 20 Jahren immer noch Fußballfan bin. Was ich aber als heranwachsender Fußballfan alles miterlebt habe, das sind Sachen, die mir etwas bedeuten und die ich nie vergessen werde."

teleschau: Das geht jetzt so ein bisschen in die Richtung "früher war alles besser". Ist es denn so - beim Fußball?

Zeigler: "Früher war mit Sicherheit nicht alles besser. Vor allen Dingen gab es damals auch schon viel schlechten Fußball. Trotzdem existieren heute Themen, die es einem schwer machen, sich unbefangen im Fußball fallen zu lassen. Ich merke das immer wieder, wenn ich meine Live-Auftritte vor Publikum mache - seit sieben Jahren mittlerweile. Als ich anfing, gab es noch keine WM in Katar, keinen VAR und keine Unmengen von Abo-Streaming-Seiten, die man buchen muss, um seinen Verein oder unterschiedliche Wettbewerbe zu verfolgen. Es gab keine Geisterspiele, die belegt haben, dass man uns als Fans nicht unbedingt braucht. (...) Früher gab es deutlich weniger Ärgernisse im Fußball."

EM in Deutschland sei nicht so "elitär"

teleschau: Haben Sie Angst um den Fußball?

Zeigler: "Ja, natürlich. Ich hatte mal einen Schlüsselmoment mit meinem Sohn, der mittlerweile groß ist und studiert. Das war 2018 bei der WM in Russland. Wir guckten viele Spiele zusammen, und irgendwann sagte er: 'Ich glaube, wenn Fußball schon immer so gewesen wäre, dann wäre ich niemals Fan geworden.' Für mich war das eine alarmierende Aussage. Wir haben den Fußball früher bodenständiger, spannender und nachhaltiger kennengelernt. Heute wird alles der Vermarktung untergeordnet. Die Turniere werden immer größer, alles wird immer weiter aufgeblasen. Irgendwann wird es in sich zusammenfallen, da bin ich mir sicher."

teleschau: Aber drehen wir den Spieß doch mal herum. Fußball fasziniert immer noch die Massen. Was gibt uns der Fußball heute noch?

Zeigler: "Der Fußball hat die Qualität, uns durchs ganze Leben zu begleiten. Es gibt wenig Hobbys, die man schon als kleines Kind haben kann und die als alter Mann oder alte Frau immer noch funktionieren. Offenbar vermag der Fußball unser Innerstes zu berühren."

teleschau: Fußball ist im Grunde einfach zu spielen und einfach zu verstehen. Ist dies das ganze Geheimnis?

Zeigler: "Ich bin selbst noch nicht fertig mit meinen Gedanken. Aber es geht schon in diese Richtung. Dazu kommt der gesellschaftliche Kitt, wenn viele Menschen das gleiche Spiel gesehen haben und darüber reden. Deshalb mag ich es auch nicht, dass der Fußball immer mehr hinter Pay-TV-Schranken verschwindet. Bei dieser Europameisterschaft ist das anders: Sie ist nicht so elitär, dass sie Menschen ausschließt. Alle werden die meisten Spiele verfolgen können - und am nächsten Tag darüber reden."

"Im Prinzip ist es fast eine Retro-EM"

teleschau: Was erwarten Sie von der EM 2024 - so rein sportlich?

Zeigler: "Ich stelle überrascht fest: Je näher das Turnier rückt, desto mehr freue ich mich drauf. Ich hatte dies bei den letzten Turnieren nicht. (...) Es ist gut, dass dieses Turnier in keinem eher problematischen Gastgeberland und vor allem in einem einzigen Land stattfindet."

teleschau: Was sagen Sie zum Turnaround der Stimmung rund um die deutsche Mannschaft und den DFB?

Zeigler: "Den hat man in der Tat hinbekommen. Nun sind wir einer der Top-Favoriten auf den Titel, nachdem es zuvor jahrelang geheißen hatte, wir Deutschen bekämen überhaupt nichts gebacken. Im Prinzip ist es fast eine Retro-EM. Ein traditionelles Fußballland mit einer neu erstarkten Mannschaft, die Chancen auf den Titel hat. Fankultur vor Ort und viele Menschen, die sich auf das Ganze freuen."

teleschau: Also hat es der DFB genial hinbekommen, die Stimmung zu drehen?

Zeigler: "Ich weiß gar nicht, ob der DFB soviel dafür kann. In erster Linie sind es die Mannschaft und der Trainer, die Lust auf diese EM entfacht haben. Wenn man mitreißend Fußball spielt und die Ergebnisse stimmen, überträgt sich die Stimmung auf die Menschen. Ich kenne einige Leute, die beim DFB arbeiten und die sich selbst ein wenig verwundert die Augen reiben, wie schnell sich die Stimmung drehte. Aber wir nehmen das natürlich alle gerne mit."

Das Original zu diesem Beitrag "Während EM 2024: ARD sendet "Das Kneipenquiz" mit Arnd Zeigler" stammt von "Teleschau".