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TV-Rechte Handball WM

Handball war sooo nah dran!

Handball war sooo nah dran!
Der Isländer Dagur Sigurdsson hat die deutschen Handballer in die Weltspitze zurückgeführt. Doch nach der WM in Frankreich hört er als Bundestrainer auf. Den 43-Jährigen zieht es nach Asien, wo er das japanische Team auf die Olympischen Spiele 2020 in Tokyo vorbereiten will.

Das geht ja gar nicht: Wie schon vor zwei Jahren blockiert eine Klausel im TV-Vertrag die Free-TV-Übertragung der WM in Frankreich. Millionen Zuschauer haben das Nachsehen. TV Spielfilm erklärt den Rechtepoker.

Der Kompromiss ist mehr schlecht als recht, aber immerhin: Der Nationalmannschaftssponsor DKB wird unter handball.dkb.de einen Livestream für die Handball-WM in Frankreich anbieten. Ohne Studio und ohne Team vor Ort. Die Live-Übertragung aus dem deutschen Nachbarland könnte hemdsärmeliger kaum sein: "Ein Studio oder Team vor Ort wird es nicht geben", teilt die DKB am Montag mit. Da fragt sich der erfahrene TV-Zuschauer: Wie sonst? "Die Übertragung beginnt mit dem Einlauf der Mannschaften ins Stadion und endet kurz nach dem Spiel."

Die deutschen Partien sowie das Eröffnungsspiel zwischen Frankreich und Brasilien am Mittwoch (20.45 Uhr), die beiden Halbfinals und das Endspiel kommentieren immerhin die beiden in Deutschland bekannten Handball-Kommentatoren Markus Götz und Uwe Semrau. Alle weiteren Spiele werden mit englischem Originalkommentar zur Verfügung stehen.

Doch der Sponsor war nur als Notlösung eingesprungen. Ohne ihn wären die Spiele der deutschen Europameister aufgrund eines unschönen Rechte-Hickhacks nur im Pay-TV empfangbar gewesen. Wir haben den Fall näher beleuchtet.
Worum geht es beim Rechtestreit?
Foto: Imagosport, Bei Olympia gehörten die "Bad Boys" (hier gegen Schweden) noch zu den Quotengaranten
"Dazu kann ich gar nichts sagen." Der Kollege von der Pressestelle des Deutschen Handballbunds (DHB) ist hörbar angespannt. Dabei hatten wir gar nicht die 100-Millionen-Euro-Frage gestellt, die Handballfans seit Wochen umtreibt: Gibt es noch Hoffnung, dass die Spiele der DHB-Auswahl bei der WM in Frankreich (11.-29.1.) live und frei empfangbar übertragen werden? Wir wollten lediglich wissen, ob wenigstens die letzten Testspiele der deutschen Nationalmannschaft am
3. Januar gegen Rumänien und sechs Tage später gegen Österreich irgendwo zu sehen sein werden.

Kurz vor Weihnachten war endlich klar: Sky hat sich die Rechte gesichert und zeigt die Partien live auf seinem Free-TV-Ableger Sky Sport News HD. Die Programmänderung, versichert
ein Sky-Sprecher auf Nachfrage, stehe aber "in keinem Zusammenhang mit den Übertragungsrechten am Turnier in Frankreich". So weit, so unübersichtlich: Knapp ein Jahr nach dem sensationellen Gewinn der Europameisterschaft
vor 13 Millionen TV-Zuschauern und kein halbes Jahr nach der olympischen Bronzemedaille in Rio ist der deutsche Handball drauf und dran, gerade gewonnene Sympathien wieder zu verspielen. Wobei man dem Verband und den öffentlichrechtlichen Sendern nicht vorwerfen kann, leichtfertig mit der Publikumsgunst umzugehen. ARD und ZDF hattensogar bei der Politik vorgefühlt, um eine Übertragung zu erzwingen. Möglich wäre das durch eine Ergänzung
der Audiovisuellen-Mediendienste-Richtlinie der EU, die besagt, dass Sportereignisse "von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung" im Free-TV zu sehen sein müssen. Dazu zählen EM- und WM-Spiele mit deutscher Beteiligung - im Fußball, aber nicht im Handball.
beIN Sports mit hanebüchenen Forderungen
Auslöser der (bislang folgenlosen) juristischen Rochade war der TV-Vertrag, den die Internationale
Handball-Föderation
(IHF) mit beIN Sports, einer Tochter der arabischen Sendergruppe Al Jazeera, geschlossen hat. Der Rechteinhaber aus Katar war bereits vor der Weltmeisterschaft 2015 hart geblieben und hatte darauf bestanden, dass der Empfang der WM-Spiele bei einer Lizenzierung geografisch auf Deutschland beschränkt bleiben muss. Hierzulande ein K.-o.-Kriterium für alle infrage kommenden Sender von ARD über RTL bis zu Sport1, die unverschlüsselt via Satellit zu empfangen sind - und damit natürlich auch im Ausland. Der IHF war eine Free-TV-Garantie für ihren größten Mitgliedsverband angesichts der Rekordeinnahme von 80 Millionen Euro, die beIN für die weltweiten Medienrechte an den WM-Turnieren der Männer und Frauen von 2014 bis 2017 überwiesen
hat, offenkundig egal.
Das nächste Problem winkt schon
Foto: Imagosport, Sportlich auf einem Höhenflug: der Handball in Deutschland freut sich großer Beliebtheit, nur die Rechteinhaber spielen nicht mit
2015 verhinderte Bezahlsender Sky den drohenden TV-Blackout für die Handball-WM durch einen Lastminute-Deal mit beIN. Doch dieses Jahr konnten sich weder der Streamingdienst DAZN oder sportdeutschland.tv mit beIN einigen, um mit den WM-Auftritten der "Bad Boys" bei Handballfans zu punkten. Nun wandern die Rechte recht schmucklos an den Sponsor DKB.

Klar ist, dass beIN an einer Verlängerung des TV-Vertrags mit der IHF interessiert ist - und dem DHB damit das nächste Eigentor bei der Vermarktung seines wichtigsten Zugpferds droht.
DHB-Präsident Andreas Michelmann hat die Zeichen der Zeit erkannt: "Ich sehe den neuen Verhandlungen seitens der IHF mit Spannung und einer gewissen Erwartungshaltung entgegen. Wir haben in Deutschland die meisten Handballer
und die meisten TV-Zuschauer. Da erwarte ich, dass der Verband das berücksichtigt", sagte er kürzlich auf einer Pressekonferenz in Hamburg.

Andernfalls wird man auf absehbare Zeit nicht mehr in der Lage sein, TV-König Fußball wenigstens hin und wieder die Show zu stehlen.

Autoren: Frank Steinberg und Steven Sowa