Vor echten Reisen wird gewarnt derzeit. Umso besser klappt es, das Fernweh mit Hilfe des Fernsehens zu stillen. "Das Traumschiff" legt ab Richtung Schweden. Aber wegen Corona natürlich nicht wirklich. Gedreht wurde die Folge für den 2. Weihnachtstag in Bremerhaven, das schöne und blaue Meer wurde hinterher eingearbeitet. Kaum Menschen als Statisten, ein wenig Geisterschiff-Atmosphäre allenthalben.

Dafür kommt zuverlässig seichter Stoff für dieses Dümpel-TV-Format, das seit 40 Jahren beste Quoten holt. Das Erfolgsrezept: Schöne Landschaften, gepaart mit Drama, das sich blitzschnell auflöst. Und gemixt mit Krisen, die per Fingerschnips verschwinden. Oder kennen Sie auch jemanden, der seine frustrierte Ehefrau beim Dinner in der Schiffskabine mit einer Dose Ravioli so überrascht, dass die gleich über den drögen Gatten herfällt? Eben.

Der nachhaltige Erfolg kann nicht an den Dialogen liegen, gegen die jeder Arztroman wie ein echter Goethe daherkommt. So klingt das: "Wollen wir nicht Du sagen?" "Gerne!" "Jessica." "Hanna." Oder: "Hilfe, ein Bär!" "Wo ist denn der Bär?" "Jetzt ist er wieder weg!" "Wo ist denn der Käpt'n?" "Der ist auch weg!" Selbst die tiefere Psychologie kommt nicht zu kurz: "Als Frau will man doch auch begehrt werden!" "Wo habt Ihr denn das her?" "Steht in jeder Frauenzeitschrift!" Ja, dann.

SOS an Bord: "Ihr müsst mir helfen, ich bin kein Schauspieler"

Immerhin: Käpt'n Florian Silbereisen weiß, dass er für seine schauspielerische Leistung nicht eine Preisflut erwarten wird. Das ist wenigstens ehrlich. Wie sein "Kollege" Daniel Morgenroth jüngst in einem Interview verraten hat, frage Silbereisen sein "Traumschiff"-Team beim Dreh immer mal um Rat mit dem Hinweis: "Ihr müsst mir helfen, ich bin kein Schauspieler." SOS an Bord! Dass man – wie am Ende der aktuellen Folge beim Abschluss-Dinner – das Sektglas am Stiel nimmt, hat dem Kapitän und Nicht-Schauspieler Silbereisen leider keiner verraten. Immerhin schaut er echt schmerzreich, wenn die Schiffsärztin ihm die ausgerenkte Schulter wieder passend macht.

Dramaturgisch ist natürlich auch für jeden etwas dabei. So muss Oskar Schifferle (Harald Schmidt) die Küchen-Jungs Cem und Hassan Meierbrink dazu bringen, als Comedians aufzutreten. Die Beiden rappen mit Gemüse vor dem Gesicht und bewegen sich im Gurkenschnippel-Takt. Özcan Cosar und Bülent Ceylan heißen die komödiantischen Gäste auf dem Schiff. Und als wäre dieser Auftritt nicht schon unlustig genug, sehen wir dem überdrehten Ceylan zu, wie er mit Schöpfkellen in Gewässern Schwedens nach Gold sucht. Aber wer macht nicht gerne diese Schiffsreisen mit: Bringt Geld und tut nicht weh. Und viel Drehbuch-Text muss man auch nicht lernen. Harald Schmidt jedenfalls scheint seine Überlegenheit zu genießen, wenn er dem Kapitän nach dessen Ansage ironisch hinwirft: "Das war witzig." Und sich selber augenscheinlich für sehr witzig hält.

Natürlich müssen in jedem TV-Format die wichtigen Themen der Zeit untergebracht sein. Klimaschutz ist wichtig. Warum der Baum-Aktivist dann ausgerechnet mit einem Kreuzfahrtschiff nach Schweden reist? Ist doch klar! Mit dem Fahrrad reisend könnte er ja nicht beim "Traumschiff" dabei sein. Und dabei sein ist alles in diesem seichten Genre. Da muss die Umwelt halt mal ein, zwei Augen zudrücken.

 Von FOCUS-Online-Autorin Carin Pawlak.