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TV-Kolumne "Ikea: Die Insider"

Psychofallen pflastern den Weg durch Ikeas Hallen

Ikea
Neue Ikea-Doku deckt Missstände auf. Imago Images

Im ZDF wird dem Möbelgiganten Ikea die Maske heruntergerissen. Ehemalige Mitarbeiter enthüllen die manipulativen Tricks des Konzerns. Wie die Kunden zum Kauf gedrängt werden - und wieso der grüne Anstrich eine Farce ist.

Wer kennt es nicht? Man begleitet die Freundin, die sich einen neuen Schrank kaufen möchte, zu Ikea. An der Kasse ist man selbst dann - haste nicht gesehen - 100 Euro los. Wie unter Hypnose sind Teelichter, Servietten und ein paar Gläser (braucht man immer) in die überdimensionierten gelben Einkaufstüte gepackt worden - und noch ein paar Kleinigkeiten mehr. Das ist das System Ikea. Darauf einen Hotdog.

Die gelbe Ikea-Einkaufstasche

Rein zu dem blau-gelben Möbelhaus - und die gelbe Einkaufstasche geschnappt. Alles so praktisch aufgebaut - und schon den ersten Fehler gemacht. Jedenfalls, wenn man ZDFzeit folgt. Vier Insider des schwedischen Möbelgiganten packen aus. Sie werden mit schlechten Masken unkenntlich gemacht, ihre Stimmen nachgesprochen und natürlich treten sie unter erfundenen Namen auf. Dazu intoniert der Text aus dem Off: "Falle, Manipulation, Umweltsünde". Der Grusel läuft dem Zuschauer auf seinem Klippan-Sofa über den Rücken. Wer ist nicht schon mehr als einmal in diese üblen Fallen getappt?

Die erste schnappt gleich am Eingang zu, wenn die gelbe Tüte genommen wird. Als "Gelddruckmaschine" bezeichnet Insiderin Ella das robuste Plastikteil. In eine leere Tüte müsse was rein, das sei ein menschliches Bedürfnis. Und in die Ikea-Tasche passt eine Menge. Im Vergleich zu einem Kunden, der nicht in diese Falle tappt, lässt jeder Betütete 20 Euro mehr im schwedischen Möbelladen.

Manipulation zugunsten von Strandmon

Psychofallen pflastern den Weg durch die Ikea-Hallen. Insider Karl, einst für die Gestaltung der Möbelausstellung zuständig, deckt auf. Einzelne Möbelstücke, wie der Ohrensessel Strandmon, werden mit Lichtspots beleuchtet und auf Hotspots präsentiert. Die Hotspots sind kleine Verkaufsinseln, die eigentlich den Weg versperren.

Aber - Manipulation - vor jeder erzwungenen Richtungsänderung (insgesamt sieht der Ikea-Parcours 80 davon vor) hat der Kunde die eigens präsentierten Möbelstücke fest im Blick. Der unförmige Opa-Sessel Strandmon etwa gelangte so in die Top-Ten der Ikea-Verkaufshitliste. 

Der Ikea-Psychotrick mit Homes

Wohnen für vier Personen auf 50 Quadratmeter - im Ikea-Möbelhaus sieht eine solche Behausung total knuffig aus. Die komplett eingerichteten Räume sind eine Spezialität des schwedischen Einrichters. Das ZDF weiß: "Die nächste Falle schnappt zu." Weil die sogenannten Homes gar so warm beleuchtet sind und sich aufs Storytelling verstehen, fühle sich der Kunde emotional angesprochen - und das geht ins Geld.

Beim anschließenden Gang durch die Markthalle verschwinden dann die Klobürste für einen Euro, der Kleiderbügel-Pack für 1,50 Euro oder die "Breath Taking"-günstige Bratpfanne für 3,50 in der gelben Ikea-Tasche. Der Metalltechniker aus Berlin bescheinigt zwar dem Alupfannen-Käufer: "Wer so wat koft, is selba schuld". Aber was soll's.

Das schlechte Gewissen über die dann doch erstaunlich hohe Rechnung für die eingesammelten Kleinigkeiten beruhigt nach der Kasse der 1-Euro-Hotdog. Nach dem Verzehr des Labber-Brötchen samt geschmacksneutraler Wurst dick mit Gurke belegt und diversen Saucen beträufelt, verlässt ein jeder den Laden mit dem Gefühl: Bei Ikea gibt es viel für wenig Geld.

Nachhaltigkeit nur Marketing-Gag

Aber auch bei Ikea hat sich rumgesprochen: Billig allein reicht nicht mehr für  das Image jung, modern, massentauglich. Nachhaltigkeit ist angesagt. Und so kündigt der Konzern auf der Homepage erneuer- und recyclebare Ware bis 2030 an und verspricht klimapositiv zu werden. Die entsprechende Werbekampagne war 100 Millionen Mark teuer. Der kritische Testeinkauf mit versteckter Kamera dokumentiert: Keiner der Mitarbeiter hat nur den Hauch einer Ahnung, wo die verarbeiteten Materialien von Holz bis Baumwolle herkommen.

Heftiger allerdings ist der Vorwurf des ebenfalls anonym auftretenden Aktivisten Alva. Er führt das Kamerateam zu einem gerodeten Hang in geschützten Wäldern in Rumänien. Das Land besitzt die zum Ikea-Stiftungsgeflecht gehörenden Ingka-Investments. Der Vorwurf: Ikea betreibe Kahlschlag und verwandele einst bewaldeten Flächen in Mondlandschaften. Europäische Umweltstandards ignoriere der Konzern. Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Natur sieht anders aus. Nachhaltigkeit Fehlanzeige.

Wegwerfmöbel zum Einmalgebrauch

Zurück in der Möbelhalle offenbart ein Vergleich zwischen zwei Modellen des Regals Hejne von 2011und heute: Das Regal ist kleiner, die Abstände zwischen den Regallatten sind größer, die Schrauben inzwischen aus Plastik statt aus Metall. Materialeinsparungen nicht aus ökologischen sondern rein aus Kostengründen. "Umziehen kann man mit Ikea-Möbeln nicht", weiß eine Kundin. Das allerdings war auch schon vor zehn Jahren so.

Dieser Artikel erschien zuerst bei FOCUS Online.

Der Artikel Psychofallen pflastern den Weg durch Ikeas Hallen wird veröffentlicht von FOCUS online.