Was gibt es nach einem langen tristen Arbeitstag Tröstlicheres als einen schönen Tierfilm? Er zeigt uns, dass die langweilige wohlbekannte Welt, die uns umgibt, tatsächlich voll versteckter, wunderschöner Natur ist. Die lässt man sich gern zeigen von einem dieser geduldigen Tarnzelthocker oder einem dieser Draufgänger, der uns in die entlegensten Gegenden führt, wo die Natur noch ursprünglich, die Welt noch in Ordnung ist. Schön, dass es das noch gibt. Blöd, wenn es gelogen ist.
Im Januar wurde der Tierbild-Sieger des "World Press Photo Award", des wichtigsten Fotopreises der Welt, als Fälschung entlarvt. Jose Louis Rodriguez' spektakuläre Aufnahme eines springenden Wolfes zeigt nicht, wie angegeben, ein wildes Tier, sondern ein dressiertes, das man in einem spanischen Zoo für Aufnahmen mieten kann.
Das Buch "Shooting in the Wild" stellt nun auch den Tierfilm in ein schlechtes Licht. Autor Chris Palmer hat als Produzent 25 Jahre lang Tierfilme in den USA hergestellt, darunter auch solche über Wale, Wölfe und Bären im aufwendigen IMAX-Verfahren.
Die Arbeit mit zahmen Tieren, so Palmer, sei weit verbreitet. In Talkshows nennt der Amerikaner das Verfahren "Rent-a-Wolf". Auch Beutetiere, an denen sich Wölfe und Hyänen kameragerecht weiden, seien meist nicht an den Zähnen der Raubtiere zugrunde gegangen, sondern an der nahen Autostraße. Die Filmteams schleppten die Kadaver zu einer geeigneten Fressstelle und würzten sie notfalls auch mit Süßigkeiten. Aufnahmen von Bären gelängen so einfach besser.
Üblich sei auch die Konstruktion von Handlungen mit Archivmaterial. So erspäht im Film etwa ein Wolf ein Kaninchen, das sich sofort ängstlich wegduckt. Aufgenommen wurde der Nager aber Jahre vorher, möglicherweise sogar auf einem anderen Kontinent. Aufnahmen von unterirdischen Bauen entstünden zudem meist in Studios.
Alles Betrug? Auch in Deutschland? "Ich ärgere mich tierisch über Chris Palmer", sagt Jörn Röver, Leiter Naturfilm beim NDR. "Er hat diese Dinge bewusst angespitzt und extrem verallgemeinert, um sein Buch zu verkaufen." Zwar sei das Auslegen von Ködern tatsächlich gängige Praxis; aber auch so müssten die Filmer noch bis zu 300 Tage für ihre Aufnahmen ausharren.
Dressierte Tiere aber kämen in seinen Produktionen grundsätzlich nicht vor, sagt Röver. Entsprechende Aufnahmen würde er auch zuverlässig als Fälschung erkennen. "Wir sind hier alle studierte Biologen", erklärt Röver. "Dressierte Tiere verhalten sich nicht natürlich. Und das sieht man."
Im Januar wurde der Tierbild-Sieger des "World Press Photo Award", des wichtigsten Fotopreises der Welt, als Fälschung entlarvt. Jose Louis Rodriguez' spektakuläre Aufnahme eines springenden Wolfes zeigt nicht, wie angegeben, ein wildes Tier, sondern ein dressiertes, das man in einem spanischen Zoo für Aufnahmen mieten kann.
Das Buch "Shooting in the Wild" stellt nun auch den Tierfilm in ein schlechtes Licht. Autor Chris Palmer hat als Produzent 25 Jahre lang Tierfilme in den USA hergestellt, darunter auch solche über Wale, Wölfe und Bären im aufwendigen IMAX-Verfahren.
Die Arbeit mit zahmen Tieren, so Palmer, sei weit verbreitet. In Talkshows nennt der Amerikaner das Verfahren "Rent-a-Wolf". Auch Beutetiere, an denen sich Wölfe und Hyänen kameragerecht weiden, seien meist nicht an den Zähnen der Raubtiere zugrunde gegangen, sondern an der nahen Autostraße. Die Filmteams schleppten die Kadaver zu einer geeigneten Fressstelle und würzten sie notfalls auch mit Süßigkeiten. Aufnahmen von Bären gelängen so einfach besser.
Üblich sei auch die Konstruktion von Handlungen mit Archivmaterial. So erspäht im Film etwa ein Wolf ein Kaninchen, das sich sofort ängstlich wegduckt. Aufgenommen wurde der Nager aber Jahre vorher, möglicherweise sogar auf einem anderen Kontinent. Aufnahmen von unterirdischen Bauen entstünden zudem meist in Studios.
Alles Betrug? Auch in Deutschland? "Ich ärgere mich tierisch über Chris Palmer", sagt Jörn Röver, Leiter Naturfilm beim NDR. "Er hat diese Dinge bewusst angespitzt und extrem verallgemeinert, um sein Buch zu verkaufen." Zwar sei das Auslegen von Ködern tatsächlich gängige Praxis; aber auch so müssten die Filmer noch bis zu 300 Tage für ihre Aufnahmen ausharren.
Dressierte Tiere aber kämen in seinen Produktionen grundsätzlich nicht vor, sagt Röver. Entsprechende Aufnahmen würde er auch zuverlässig als Fälschung erkennen. "Wir sind hier alle studierte Biologen", erklärt Röver. "Dressierte Tiere verhalten sich nicht natürlich. Und das sieht man."
Was einem aber auch als untrainiertem Zuschauer auffällt, sind die tollen Zufälle, die einem Tierfilm manchmal Dramatik verleihen. So war Rainer Bergomaz für die NDR-Produktion "Bärenkinder allein im Wald" just in dem Moment zugegen, als zwei Bärenjunge die Mutter verloren.
Komisch: Für den Laien sieht sie nur betäubt aus. Vielleicht, weil sich der Brustkorb des Tieres noch immer hebt und senkt ... Frage an Tierfilmer Jan Haft: "Die tollen Fuchsbauaufnahmen aus ihrem preisgekrönten Film ,Mythos Wald‘, sind die im Studio entstanden?" "Natürlich! Das kann man schon aus Tierschutzgründen gar nicht anders filmen", sagt Haft. "Das weiß aber jeder. Wir zeigen den Aufbau auch im Making-of."
Wie sieht es mit dem Verwenden von Archivmaterial aus? ZDF-Tierfilmer Andreas Kieling findet auch das nicht grundsätzlich verwerflich. "Wenn mir beim Schnitt ein starkes Aufmacherbild fehlt und ich es aus dem Vorjahr im Archiv habe, benutze ich es natürlich. Wichtig ist, dass man nichts Falsches erzählt."
Dass es Kollegen gibt, die dabei den Bogen überspannen, räumt er ein. Ohne Namen nennen zu wollen. Bei aller Ablehnung solcher Methoden kann er doch deren Motivation nachvollziehen. "Man will das perfekte Bild, gerät unter Zeitdruck. Mit ZDF oder ARD kann man reden, wenn man noch mehr Zeit braucht. US-Sender wie National Geographic oder Discovery üben aber großen Druck aus, die sind gnadenlos."
Jan Haft sieht auch grundsätzliche Unterschiede zwischen deutschem und amerikanischem Tierfilmpublikum. "In den Vereinigten Staaten sehen sich vor allem junge Männer Tierfilme an." Und die mögen ihre Naturaufnahmen gern mit ein bisschen Action. "Auf internationalen Naturfilm-Festivals hört man ständig: "Did you get the kill?" ("Hast du das Töten gefilmt?").
Die Königsaufnahme der Welt ist ein Tiger-Kill: ein Tiger bringt einen Hirsch um. Das ist noch nie gefilmt worden. Glücklicherweise habe ich mit diesen Leuten nichts zu tun."
Solche Testosterondokus werden hier nicht produziert, im deutschen Fernsehen laufen sie aber trotzdem. So kann man auf N24 dem Texaner Brady Barr dabei zusehen, wie er wahlweise "die größten" oder "die gefährlichsten" Tiere der Welt heimsucht. Kann bedeuten: in einer stinkenden Höhle bis zur Hüfte in Schlammwasser stehen, einer großen Anakonda am Schwanz ziehen - und heftig gebissen werden - und später bei Stefan Raab auf dem Sofa mit seiner Tollkühnheit prahlen. Auch die vielen Mutprobeaufnahmen des 2006 von einem Rochen erstochenen "Crocodile Hunter" Steve Irwin laufen immer wieder auf kleinen Sendern wie RTL II oder DMAX.
So, wie solche Dokus das vermeintlich Bestialische an Raubtieren überbetonen, so sehr blendet es mancher "seriöse" Beitrag aus. "Der Zuschauer sucht eine heile Welt in den Filmen", sagt Andreas Kieling. "Die Natur ist aber anders. Die ist nicht harmonisch." So würden Bären wegen des Kindchenschemas grundsätzlich positiv wahrgenommen.
"Die sind aber überhaupt nicht nett, die sind total unsozial." In einer Dokumentation hat Kieling das dargestellt. Einmal. "Ich habe gefilmt, wie ein Bärensohn seinen Vater getötet und teilweise aufgefressen hat. Die Zuschauer waren entsetzt, es gab sehr viel negative Post." Das habe ihn nachdenklich gemacht.
Andreas Kieling stellt seine Arbeit auch an Schulen vor. "Meine abschließenden Worte sind immer: ,Geht in die Natur, in den Wald, die Heide oder auch den Stadtpark. Macht für eine halbe Stunde das Handy aus und die Augen auf. Ihr werdet erstaunt sein, was ihr alles entdeckt.‘"
Fast vergessen, so kann man Natur ja auch noch erleben.
Frank Aures
Komisch: Für den Laien sieht sie nur betäubt aus. Vielleicht, weil sich der Brustkorb des Tieres noch immer hebt und senkt ... Frage an Tierfilmer Jan Haft: "Die tollen Fuchsbauaufnahmen aus ihrem preisgekrönten Film ,Mythos Wald‘, sind die im Studio entstanden?" "Natürlich! Das kann man schon aus Tierschutzgründen gar nicht anders filmen", sagt Haft. "Das weiß aber jeder. Wir zeigen den Aufbau auch im Making-of."
Wie sieht es mit dem Verwenden von Archivmaterial aus? ZDF-Tierfilmer Andreas Kieling findet auch das nicht grundsätzlich verwerflich. "Wenn mir beim Schnitt ein starkes Aufmacherbild fehlt und ich es aus dem Vorjahr im Archiv habe, benutze ich es natürlich. Wichtig ist, dass man nichts Falsches erzählt."
Dass es Kollegen gibt, die dabei den Bogen überspannen, räumt er ein. Ohne Namen nennen zu wollen. Bei aller Ablehnung solcher Methoden kann er doch deren Motivation nachvollziehen. "Man will das perfekte Bild, gerät unter Zeitdruck. Mit ZDF oder ARD kann man reden, wenn man noch mehr Zeit braucht. US-Sender wie National Geographic oder Discovery üben aber großen Druck aus, die sind gnadenlos."
Jan Haft sieht auch grundsätzliche Unterschiede zwischen deutschem und amerikanischem Tierfilmpublikum. "In den Vereinigten Staaten sehen sich vor allem junge Männer Tierfilme an." Und die mögen ihre Naturaufnahmen gern mit ein bisschen Action. "Auf internationalen Naturfilm-Festivals hört man ständig: "Did you get the kill?" ("Hast du das Töten gefilmt?").
Die Königsaufnahme der Welt ist ein Tiger-Kill: ein Tiger bringt einen Hirsch um. Das ist noch nie gefilmt worden. Glücklicherweise habe ich mit diesen Leuten nichts zu tun."
Solche Testosterondokus werden hier nicht produziert, im deutschen Fernsehen laufen sie aber trotzdem. So kann man auf N24 dem Texaner Brady Barr dabei zusehen, wie er wahlweise "die größten" oder "die gefährlichsten" Tiere der Welt heimsucht. Kann bedeuten: in einer stinkenden Höhle bis zur Hüfte in Schlammwasser stehen, einer großen Anakonda am Schwanz ziehen - und heftig gebissen werden - und später bei Stefan Raab auf dem Sofa mit seiner Tollkühnheit prahlen. Auch die vielen Mutprobeaufnahmen des 2006 von einem Rochen erstochenen "Crocodile Hunter" Steve Irwin laufen immer wieder auf kleinen Sendern wie RTL II oder DMAX.
So, wie solche Dokus das vermeintlich Bestialische an Raubtieren überbetonen, so sehr blendet es mancher "seriöse" Beitrag aus. "Der Zuschauer sucht eine heile Welt in den Filmen", sagt Andreas Kieling. "Die Natur ist aber anders. Die ist nicht harmonisch." So würden Bären wegen des Kindchenschemas grundsätzlich positiv wahrgenommen.
"Die sind aber überhaupt nicht nett, die sind total unsozial." In einer Dokumentation hat Kieling das dargestellt. Einmal. "Ich habe gefilmt, wie ein Bärensohn seinen Vater getötet und teilweise aufgefressen hat. Die Zuschauer waren entsetzt, es gab sehr viel negative Post." Das habe ihn nachdenklich gemacht.
Andreas Kieling stellt seine Arbeit auch an Schulen vor. "Meine abschließenden Worte sind immer: ,Geht in die Natur, in den Wald, die Heide oder auch den Stadtpark. Macht für eine halbe Stunde das Handy aus und die Augen auf. Ihr werdet erstaunt sein, was ihr alles entdeckt.‘"
Fast vergessen, so kann man Natur ja auch noch erleben.
Frank Aures