Wenn der eigene Sohn mit blutbeschmierter Kleidung und blutigen Händen nachts im Badezimmer steht, vermutet man Schreckliches. Für die Bildhauerin Annette Baer (Jeannette Hain) im neuen Frankfurter "Tatort" mit dem Titel "Kontrollverlust", der am 26. Dezember um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt wird, gibt es allerdings keine Frage: Was immer der ebenso sensible wie zu Gewalt neigende Lucas (Béla Gábor Lenz) getan hat, sie wird ihn schützen.
Dieser Weihnachts-"Tatort" am zweiten Feiertag ist der vorletzte Fall des aktuellen Frankfurter "Tatort"-Teams Janneke und Brix (Margarita Broich und Wolfram Koch). Der letzte Fall wurde soeben abgedreht und kommt 2024 im Fernsehen.
Darum geht's im Frankfurter Weihnachts-"Tatort
Die Ermittlungen von Anna Janneke und Paul Brix werden einmal mehr auf Familienbande stoßen, die bei aller Liebe von Besitzanspruch, Kontrolle und Dysfunktionalität geprägt sind. Zuvor aber werden die beiden Kommissare zur blutüberströmten Leiche der jungen Cara Mauersberger gerufen. Die junge Frau war erst vor wenigen Monaten aus einer sächsischen Kleinstadt nach Frankfurt gezogen, kannte noch nicht viele Menschen. Wer kann sie so gehasst haben?
Der Hausverwalter berichtet über einen Streit zwischen Cara und ihrem Freund kurz vor der Bluttat. Die Beschreibung - hier weiß der Zuschauer vorläufig mehr als die Kommissare - passt auf Lucas Baer. Annette Baer gelingt es allerdings, die Polizisten zunächst von ihrem Sohn abzulenken. Stattdessen finden die Kommissare heraus, dass Cara Gamerin war und unter dem Pseudonym Chipmunk auf einer Streaming-Plattform ihre Spiele live kommentierte.
Ihre feministische Sichtweise brachte ihr allerdings Hasskommentare und Hassfantasien ein. Ein Follower namens CancelChipmunk wirkt dabei besonders aggressiv. Handelt es sich um den künstlerisch begabten Lucas, dessen Zeichenmappe Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien enthält, die Mutter Annette sorgfältig unter Verschluss hält? Lenz ist in der Rolle des Lucas ebenso verstört wie verstörend.
Frankfurter "Tatort" punktet mit düsterer Grundstimmung
Zwar heißt der Weihnachts-"Tatort" "Kontrollverlust", doch hier steht vor allem eine alles kontrollierende Mutter im Vordergrund - angefangen mit der Samenspende, die einst zu ihrem "absoluten Wunschkind" führte. Es sollte nur Lucas und Annette geben, engstens verbunden - oder aneinander gefesselt?
"Als Autoren hat uns (...) besonders der Moment inspiriert, wenn Kinder jugendlich werden und plötzlich ihre Türen vor uns Eltern verschließen", sagt Elke Hauck, die mit Sven Poser das Drehbuch schrieb und auch Regie führte. "Wir müssen lernen zu akzeptieren, dass unsere Kinder immer mehr ihr eigenes Leben haben. Und ihnen vertrauen."
Genau das gelingt Annette nicht. "Der Film ist eine Art Fantasie zu ihrer Gegenwehr", so Hauck. Und dabei geht es insbesondere um Frauen in Lucas' Leben. Die Psychologiestudentin Denise (Mina-Giselle Rüffer), die während der gemeinsamen Schulzeit Lucas' Freundin war, sucht wieder Kontakt, verlangt eine Aussprache. Doch dann meldet ihre Mitbewohnerin sie als vermisst.
Angebliche Liebe und Gewalt, Liebe und Übergriffigkeit, Liebe und Kontrollsucht - wie weit würde eine Mutter für ihr Kind gehen? Das ist die Frage, die auch Janneke und Brix in diesem "Tatort" mit düsterer Grundstimmung umtreibt.