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Serienboom: Wie Pro Sieben leidet und reagiert

Serien boomen, doch selbst im goldenen Zeit­alter des Genres bleiben Kollateralschäden nicht aus... Ein Opfer ist ausgerechnet Serien-Primus im Free-TV

Der Serien-Mittwoch! Seit mehr als zehn Jahren hat sich Pro Sieben mit dieser Formulierung eine Marke geschaffen. Serienklassiker wie "Emergency Room" oder "How I Met Your Mother" fanden hier ­ihre Heimat und ein großes Pu­blikum in Deutschland.

Seit dem 30. August ist damit Schluss. Aufgrund katastrophaler Einschaltquoten zog Pro Sieben in der Primetime die Notbremse - und verärgerte damit die wenigen, aber treuen Fans abgesetzter Serien wie "Pure Genius". Stattdessen laufen nun Filmkamellen wie "Freunde mit gewissen Vorzügen" - und verdoppeln prompt die Marktanteile.

Keiner ist so gut wie "Grey's Anatomy"

Woran liegt es? Sendersprecher Christoph Körfer betont zu Recht: "Pro Sieben hatte mit US-Serien am Mittwoch schon immer große Erfolge. Aber auch große Flops." "Cold Case" wurde trotz verheißungsvollem Start wieder an Kabel eins zurückgegeben. "Eli Stone" war für das Publikum ebenso zu speziell wie "Pushing Daisies". Und auch "Hawthorne" flog 2010 schnell aus dem Programm. Damals hielt man aber am Konzept fest, schließlich sicherten etliche Anker den Serien-Mittwoch.

Doch Quotengaranten wie "Des­perate Housewives" sind den Weg alles Irdischen gegangen. Einzig "Grey's Anatomy" läuft nach 14 Jahren erfolgreich wie eh und je. Dessen angekündigtes Spin-off dürfte daher auch in ­Unterföhring mit Erleichterung aufgenommen worden sein.

Serien überall: US-Studios sind alarmiert

NBC
Am Mittwoch sah sich der Sender in jüngster Zeit mit immer mehr Fehlschlägen (siehe Beispiele oben) konfrontiert. Manche davon mit Ansage: "Pure Genius" floppte bereits in den USA, die Hip-Hop-Saga "Empire" war für Deutschland vollkommen ungeeignet. Dass aber weder die adrenalintreibende Arztserie "Code Black" noch die US-Sensation "This Is Us" ihr Publikum fanden, hat das Vertrauen in den Serien-Mittwoch erschüttert. "Vielleicht ist ,This Is Us‘ zu amerikanisch", vermutet Körfer. Denn dass US-Serien gute Quoten bringen können, beweist Schwestersender Sat.1 mit "MacGyver" und "Le­thal Wea­pon". Für Pro Sieben besonders ärgerlich, weil "Lethal Weapon" im Januar 2017 für den Serien-Mittwoch geplant war. Stattdessen lief dort "Limitless" im Senderschnitt.

Sind es also hausgemachte Probleme? In Teilen sicher. Im Internet ätzen User, dass Pro Sieben immer "nach spätestens zwei Wochen die restlichen Folgen schnell verbannt oder ins Niemandsland verfrachtet". Aber mit knapp 600 Millionen Euro Budget für Filme und Serien hat es die ProSiebenSat.1 Group auch schwer im umkämpften Markt. Net­flix gibt 2017 6 Milliarden Dollar für Content aus, Amazon liegt nicht weit dahinter, und nun mischen auch noch Börsenprimus Apple und die Deutsche Telekom mit.

"Das Geschäft wird immer ­nischiger", fasste Chefeinkäufer Rüdiger Böss im Interview mit dem österreichischen "Kurier" ­zusammen. Allerdings hält er die Schlacht nicht für verloren: "Die US-Studios haben diese Entwicklung natürlich auch bemerkt und wussten, dass sie etwas ändern müssen. Das Serienangebot ist kleiner geworden. Die Studios ­legen wieder mehr Augenmerk auf die Qualität."

Besonders froh ist Böss, dass die US-Produzenten endlich zugehört haben. "Wir haben jahrelang gesagt, dass wir mehr Serien à la ,Criminal Minds‘ oder ,Navy CIS‘ brauchen - aus dieser Richtung kommt jetzt Nachschub."

Dass sich die Sender wieder auf abgeschlossene Geschichten konzentrieren, macht Sinn. Besonders am Mittwoch, wo Fußballübertragungen Gift für horizontal erzählte Stoffe sind. Für die Rückkehr der Serien bedarf es nur einer Initialzündung. Wie damals, als "Two and a Half Men" den darbenden Dienstag zum Hit machte. 2018 wissen wir mehr. Bis dahin bleibt die Wochenmitte laut Christoph Körfer serienfrei.