Kann sie Kanzlerin? Ja, sie kann! Schauspiel-Legende Katharina Thalbach schlüpft zum zweiten Mal in die Maske der Angela Merkel. Nachdem sie vor zehn Jahren als Nebenfigur einer Polit-Satire für Furore sorgte, spielt die 69-Jährige im RTL-Movie "Miss Merkel - Ein Uckermark-Krimi" wieder die Kanzlerin. Nun allerdings eine fiktive Rentnerinnen-Version, denn die ehemalige Weltpolitikerin vertreibt sich in der Verfilmung von David Safiers Bestseller die Zeit auf dem provinziellen Ruhesitz mit der Aufklärung von Morden. Ein Gespräch über Katharina Thalbachs Agatha Christie-Faszination und die verblüffenden Gemeinsamkeiten zwischen ihr und Angela Merkel.
teleschau: Ist es eigentlich hundertprozentig Prozent legal, der Alt-Kanzlerin eine alternative Rentnerinnen-Tätigkeit als Detektivin anzudichten?
Katharina Thalbach: Ich denke, wenn sie da wirklich etwas dagegen gehabt hätte, wäre nicht noch ein zweiter "Miss Merkel"-Roman erschienen. Ich habe das natürlich auch gefragt, bevor ich die Rolle angenommen habe. Aber die Antwort lautete lediglich, dass es da rechtlich keine Probleme gäbe.
Wissen Sie, ob mit Vertretern der echten Angela Merkel wegen der Bücher und Filme etwas abgesprochen wurde?
Nein, davon habe ich keine Ahnung. Ich gehe aber davon aus, dass man in irgendeiner Weise Bescheid weiß, wie die Position des Merkel-Lagers ist. Es wäre mir auch sehr unangenehm, "Miss Merkel" zu spielen, wenn ich wüsste, dass die Alt-Kanzlerin etwas dagegen hätte.
"Der Stoff ist eine charmante, etwas verrückte Fantasie"
Vielleicht ist es ja so, dass sich Angela Merkel so verhalten hat wie auch oft in ihrer politischen Karriere und einfach geschwiegen hat.
Was durchaus klug ist, wie ich finde ...
Sie haben die Kanzlerin schon mal vor zehn Jahren gespielt, in der Polit-Satire "Der Minister", einem SAT.1-Film über die Karriere von Karl-Theodor zu Guttenberg. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie Angela Merkel noch einmal spielen würden?
Nein. Es war ja damals eine kleine Rolle, die aber viel Wind machte. Ich wurde sehr oft darauf angesprochen, und es wurden mit danach sehr viele Sachen angeboten - also die Rolle der Angela Merkel in ganz unterschiedlichen Formaten. Sogar eine Merkel-Serie wurde mir angeboten! Ich wollte das aber nicht machen, weil ich keine Lust hatte, nur noch als Merkel-Spezialistin bekannt zu sein. Oft ging es um politische Satire, und da bin ich der Meinung, dass Fernsehen die Schnelligkeit politischer Entwicklungen fiktional nur ganz schwer abbilden kann. Deshalb habe ich alles abgesagt.
Warum fanden Sie ausgerechnet "Miss Merkel" interessant genug, um zur Rolle zurückzukehren?
Weil es etwas ganz anderes ist. Es hat fast nichts mehr mit der echten Angela Merkel zu tun. Der Stoff ist eine charmante, etwas verrückte Fantasie. Weil es ja nun tatsächlich sehr weit hergeholt ist, dass sich ausgerechnet Angela Merkel als Hobby-Detektivin in der Uckermark betätigt. Das hat schon von Haus aus etwas Märchenhaftes. Der andere Grund, warum ich es mache, ist die Berührung mit einer von mir sehr geliebten Figur: Miss Marple.
"Bei Agatha Christie war Miss Marple eher eine stille Rentnerin"
Wie ist denn Ihre Verbindung zu Miss Marple?
Ich bin großer Agatha Christie-Fan und inszeniere ja zum Beispiel auch selbst "Mord im Orientexpress" in Berlin, wo ich als Hercule Poirot auftrete. Dass ich jetzt auch noch gewissermaßen Miss Marple im Film sein darf, ist für mich ein gefundenes Fressen.
Was mögen Sie an der Figur Miss Marple?
Die Skurrilität und ihre bescheidene Unerbittlichkeit. Anders als Hercule Poirot ist sie ein eher stiller Charakter, wenn auch die Darstellung der Margaret Rutherford in den Filmen etwas anders war. Agatha Christie mochte Rutherford auch nicht besonders. Ich fand sie herrlich, aber für Agatha Christie war sie zu kräftig und resolut. Auch ihren Mister Stringer gab es in den Büchern gar nicht. Ich fand die Rutherford super, aber bei Agatha Christie war Miss Marple eher eine stille Rentnerin, die man unterschätzte, weil sie mit ihrem Geist nicht prahlte, sondern die gesammelten Ideen und Fakten im Hintergrund leise prüfte. Miss Marple war in mehrerer Hinsicht Außenseiterin: Sie war eine Frau und zudem eine alte Jungfer. So jemand konnte ja nichts wissen, lautete damals die Meinung ...
Trifft Ihr Film denn die Buchvorlage von David Safier?
Ich habe David Safier kennengelernt, und er hat nichts Gegenteiliges gesagt. Das heißt: Bis jetzt hat er nicht gemeckert. Bei der lit. Cologne habe ich erstmals aus seinen Büchern gelesen. Ich habe mir im Film alle Mühe gegeben, seinen Ton zu treffen. Wir verstehen uns sehr gut.
"Miss Merkel" versucht niemanden ans Bein zu pinkeln
Momentan existieren zwei "Miss Merkel"-Romane. Was man so hört, könnten weitere folgen. Könnte die Rolle demnach noch häufiger auf Sie zukommen?
Da würde ich durchaus jubeln, denn Miss Merkel macht mir großen Spaß. Außerdem: So häufig sind große Hauptrollen für ältere Schauspielerinnen nicht!
Gibt es aus Ihrer Sicht Gemeinsamkeiten zwischen Miss Marple und Angela Merkel?
Das weiß ich nicht ...
Es gibt diese Satz am Ende des Film, wo jemand zu Miss Merkel sagt: "Ich habe Sie unterschätzt" ...
Und sie antwortet: "Das ist die Geschichte meines Lebens." Es sagt aber mehr über Angela Merkel aus als über Miss Marple, denke ich. Der unterschätzte Detektiv ist eine literarische Figur oder auch eine Filmfigur, auf die man immer wieder trifft. Poirot ist klein und eitel. Er hat mitunter eine große Klappe, wird aber nicht für voll genommen, weil er Belgier ist (lacht) und diesen komischen Akzent hat. Bei Miss Marple ist es aber noch krasser. Sie ist als ältere Frau eine absolute Randfigur, gerade in dieser Zeit, in der die Romane spielen. Man traut diesen Menschen nichts zu, was sie schauspielerisch für mich besonders interessant macht.
Haben Roman und Film in irgendeiner Weise eine politische Aussage?
Nein, überhaupt keine. "Miss Merkel" ist ganz anders als "Der Minister", das ja eine recht bissige Politsatire war. "Miss Merkel" versucht niemanden ans Bein zu pinkeln. Es ist eine sehr menschliche, nette Geschichte und hat mit Politik rein gar nichts zu tun. Es ist auf eine sehr feine Art einfach nur Unterhaltung.
"Die Frau hat einfach keine Leichen im Keller"
Die echte Biografie Angela Merkels spielt der "Miss Merkel"-Fantasie insofern in die Karten, dass die Öffentlichkeit nicht weiß, wie Angela Merkel gegenwärtig ihre Tage ausfüllt ...
Ja, diese Zurückhaltung und das Bodenständige habe ich immer an ihr geschätzt. Die Frau hat einfach keine Leichen im Keller. Da können Journalisten oder böse Menschen im Internet so tief graben, wie sie wollen. Ich glaube tatsächlich, die hat keine krummen Dinger gedreht. Sie übernahm auch keine Posten in irgendwelchen Vorständen, so wie viele andere Ex-Politiker. Sie hat vielleicht Politik gemacht, die nicht jedem gepasst hat, aber das ist ja auch gar nicht anders möglich. Deshalb kann sich Angela Merkel in aller Ruhe zurücklehnen - und das sei ihr auch gegönnt nach 16 Jahren in dieser Polit-Mühle.
Auf jeden Fall ist es eine ungewöhnliche Geschichte, dass sich jemand, der so weit oben in der Weltpolitik unterwegs war, sich unmittelbar nach dem Ende des Amtes so stark aus der Öffentlichkeit zurückzieht ...
Und dann auch noch so viel Humor beweist, dass sie bei ihrem offiziellen Abschied, dem "Großen Zapfenstreich", das Lied "Du hast den Farbfilm vergessen" von Nina Hagen spielen lässt. In diesem Moment hat sie bei mir auch noch mal sehr gewonnen (lacht).
Gibt es zwischen Angela Merkels und Ihrer Biografie Gemeinsamkeiten?
Na klar, die gibt es. Das fängt ja bereits damit an, dass wir beide Jahrgang 1954 sind und aus dem Osten kommen. Ich bin ein halbes Jahr älter als sie und hatte vielleicht schon einen Zahn im Mund, als sie zur Welt kam. Wir sind beide in der DDR groß geworden. Auch ich habe Physik geliebt und war im evangelischen Kirchenchor. Es gibt viele Schnittpunkte oder ich bilde mir sie zumindest ein, sodass ich für viele Dinge, die sie getan hat und wie sie war, ein gewisses Verständnis aufbringe. Ich denke, das meiste davon hat mit der gemeinsamen DDR-Vergangenheit zu tun. Da weiß man, wo es wehtut.
Sie sind eine deutsche Schauspiellegende und werden im kommenden Jahr 70 Jahre alt. Gibt es Pläne, was Sie in Ihrem Leben gerne noch tun würden?
Ich würde gerne noch lange arbeiten, mich mit Literatur beschäftigen, interessante Rollen spielen und inszenieren. Diesen Plan verfolge ich schon lange und daran hat sich über die letzten Jahre wenig geändert. Wenn es gut läuft, kann ich vielleicht noch 30 Jahre ackern. Ich habe jedenfalls nicht die Absicht, mich zur Ruhe zu setzen. Aber eines ist natürlich auch klar: Hätte ich einen großen Plan, würde ich Ihnen den nicht verraten. Dazu bin ich viel zu abergläubisch ... (lacht).
Das Original zu diesem Beitrag "Miss Merkel: Katharina Thalbach lehnte komplette Serie als Angela Merkel ab" stammt von "Teleschau".